
Haydn, Joseph - Sämtliche Barytontrios
Enzyklopädische Erschließung einer ungewöhnlichen Besetzung
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine 21-CD-Box von Brilliant Classics wartet mit der Zusammenstellung aller Werke für Baryton in Duo-, Trio-, Quintett- und Oktettbesetzungen auf.
Die Trios für Baryton, Viola und Violoncello gehören zwar weder zu Joseph Haydns bekanntesten, noch zu seinen innovativsten Kompositionen, enthalten aber dennoch eine Fülle schöner Musik – und begründeten nebenbei eine eigene, bis dahin nicht existierende Gattung. Die vorliegende 21-CD-Box von Brilliant Classics ist vor allem etwas für die Sammler enzyklopädischer Veröffentlichungen. Denn hier sind tatsächlich alle Werke versammelt, die Haydn unter Verwendung des Barytons komponiert hat: 126 Trios aus den Jahren von 1765 bis 1778, einige wenige davon nur als Fragmente erhalten, daneben die erhaltenen Duos für zwei Barytone oder für Baryton und Violoncello sowie etliche Divertimenti in Quintett- und Oktettbesetzung – insgesamt also über 25 Stunden Musik.
Repertoire
Um die Qualitäten dieser Musik besser schätzen zu können, ist es einerseits hilfreich, sich die Situation Haydns zu vergegenwärtigen, der in regelmäßigen Abständen Kompositionen für diese Besetzung schreiben musste, um dem Willen seines Dienstherrn, des Musik liebenden Fürsten und Baryton-Spielers Nikolaus I. Eszterházy, zu genügen. Andererseits ist es aber auch sinnvoll das Baryton näher zu kennen: ein Streichinstrument aus der Gambenfamilie, das aber anders als seine bekannteren Verwandten – und darauf deutet der italienische Name Viola di bordone ausdrücklich hin – mit Bordunsaiten versehen ist, die beim Spielen der Melodiesaiten mitschwingen und dem Klang eine eigenartige, voll tönende Resonanz verleihen.
Auch wenn man in Betracht zieht, dass Haydns Baryton-Trios meist nur die Grundtonarten A-, D- oder G-Dur berücksichtigen, höchst selten in C- oder F-Dur komponiert sind und Molltonarten insgesamt gar nur zweimal vorkommen, muss man dem Komponisten ein großes Lob aussprechen. Denn er adelte dieses Repertoire nicht nur mit wirklich zauberhaften Einfällen, sondern hatte auch eine besonders glückliche Hand beim Umgang mit der exquisiten Besetzung: Der tiefe und resonanzreiche Klang des gesamten Ensembles – nur in den drei Trios Hob. XI:89-91 ist statt der Viola eine Violine besetzt und das Baryton daher in die Mittellage versetzt– ist besonders schön, die Möglichkeit, während Streichens die Resonanzseiten des Barytons zu zupfen, fügt dem noch weitere, besonders reizvolle klangliche Möglichkeiten hinzu.
Interpreten
Ein großes Kompliment geht aber auch an die drei Musiker des Esterházy Ensembles – Michael Brüssing (Baryton), András Bolyki (Viola und Violine) und Maria Andrásfalvy-Brüssing (Violoncello bzw. Baryton in den Duos) –, die sich den zahlreichen Werken mit einem großen Gespür für die Klangmöglichkeiten des Musizierens widmen und dabei alles mögliche tun, um so viele Facetten wie möglich aus dem Komponierten herauszuholen. Auch wenn das nicht immer einfach ist, zeigt sich die Aufnahme klanglich wunderbar ausgearbeitet und im Hinblick auf die instrumentale Balance geradezu ideal. Dies verdeutlicht gleich der pulsierende Einstieg in das eröffnende Adagio aus dem Trio A-Dur Hob. XI:1, davon zeugen aber auch Sätze wie das Adagio aus dem Trio D-Dur Hob. XI:56 mit besonders plastisch gestalteten Melodiebögen und überzeugenden Spannungsaufbauten.
Besonders packend ist der als instrumentales Rezitativ gestaltete Adagio-Kopfsatz des Trios D-Dur Hob. XI:52, da er zeigt, welchen affektreichen Charakter das Instrument haben kann und dem Musiker zudem in zwei Kadenzen den nötigen Raum gibt, um den Klang richtig zur Geltung zu bringen. Ganz ähnlich erhält das Baryton auch im Adagio des Trios G-Dur Hob. XI:59 viele Möglichkeiten zur solistschen Repräsentation, wobei hier besonders die geschwungenen Melodielinien des Beginns über einer leicht getupften Basslinie und einer von der Viola im Pizzicato vorgetragenen Mittelstimmen-Begleitung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Erfindungsreichtum
Überhaupt ist Haydn sehr erfinderisch im Umgang mit Klangwirkungen und solistischen Passagen: Im abwechslungsreichen Allegro aus dem Trio D-Dur Hob. XI:63 werden gezupfte Einwürfe ganz geschickt als Gegenstimmen zu dem übrigen Geschehen eingesetzt, im Allegro aus dem G-Dur-Trio Hob. XI:59 darf auch die Viola in humoristischer Manier ein unbegleitetes Solo anstimmen, und die in gleichem Maße subtilen wie raffinierten Wirkungen in raschen Werkteilen wie dem Allegro-Kopfsatz des Trios D-Dur Hob. XI:118 sprechen Bände. Unterstützt wird dies alles von der klaren Diktion der Musiker, die besonders gut in den Stimmengeweben von Fugensätzen zur Geltung kommt und auch – wie etwa im Allegro aus dem Trio A-Dur Hob. XI:33 – durch flexible Behandlung des metrischen Gerüsts sowie durch eine hervorragend ausgearbeitete Artikulationsebene besticht.
Ein besonderer Höhepunkt der Box sind die formal weiter ausgreifenden Werke in größerer Besetzung – neben dem Quintett für Baryton, zwei Hörner, Viola und Bass D-Dur Hob. X:10 die achtstimmigen Divertimenti mit Baryton, zwei Violinen, Viola, Violoncello, Violone und zwei Hörnern Hob. X:1-6 und 12 –, bei denen Michael Brüssing Verstärkung von Mitgliedern des Piccolo Concerto Wien erhält. Besonders farbig erscheinen hier zum Teil die Variationssätze, aber auch die langsamen Sätze (besonders eindrucksvoll das Adagio aus dem Divertimento D-Dur Hob. X:1) werden hier mit ungemeiner Spannung musiziert.
Das Booklet schließlich erweist sich als fundiert, beschreibt ausführlich den Stellenwert und die Überlieferungsproblematik der Kompositionen, doch hätte man hier vielleicht noch Abbildungen hinzufügen können, um den Hörer auch visuell mit dem Baryton vertrauter zu machen. Trotzdem: Vollständiger kann man es sich kaum wünschen, und auf absehbare Zeit dürfte wohl keine ernsthafte Konkurrenz für diese rundum gelungene Produktion zu erwarten sein.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Haydn, Joseph: Sämtliche Barytontrios |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 21 13.02.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421939070 |
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