> > > Reinecke, Carl: Violinkonzert op. 141
Samstag, 3. Juni 2023

Reinecke, Carl - Violinkonzert op. 141

Auf Entdeckungsreise im spätromantischen Repertoire


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ingolf Turban und das Berner Symphonie-Orchester unter Leitung widmen sich den konzertanten Violinkompositionen von Carl Reinecke.

Seitdem das Osnabrücker Label cpo damit begonnen hat, in lockerer Folge Werke des Komponisten Carl Reinecke (1824-1910) aus ihrem unbegründeten Dornröschenschlaf zu holen, sind einige Aufnahmen von unbestreitbarem Referenzcharakter entstanden. Im Mittelpunkt der neuesten Produktion stehen die Kompositionen für Violine und Orchester, die der Geiger Ingolf Turban gemeinsam mit dem Berner Symphonie-Orchester unter Leitung von Johannes Moesus eingespielt hat. Wirklich erstaunlich mutet es an, dass bislang weder das Violinkonzert g-Moll op. 141 (1876) noch die Romanze für Violine und Orchester a-Moll op. 155 (1879) auf Tonträger aufgezeichnet wurden und demnach hier als Ersteinspielung vorliegen, wohingegen etwa Reineckes konzertante Kompositionen für Flöte oder Harfe längst den Weg ins Repertoire entsprechender Solisten gefunden haben.

Turban, der sich auch in der Vergangenheit für zahlreiche Erkundungsreisen und diskografischen Entdeckungen außerhalb des eingeschliffenen Repertoires verantwortlich zeigte, hat sich dieser beiden Kompositionen mit großem Engagement angenommen und sie live aufgezeichnet, was ungemein zur Spannung der Musik beiträgt und die damit verbundenen leichten Schwächen in Zusammenspiel und Intonation sofort vergessen lässt. Dass nicht nur in der Romanze, sondern auch im Violinkonzert – und das ist angesichts zeitgleich entstandener Virtuosenkonzerte eher selten – der Akzent eher auf der kompositorischen Darstellung kantabel-expressiver Qualitäten des Instruments als auf der Hervorkehrung spieltechnischer Virtuosität liegt, wirkt sich entscheidend auf die Diktion der Kompositionen aus und bestimmt auch den Charakter der vorliegende Interpretation.

Unter der Stabführung von Moesus offenbart der Kopfsatz des Violinkonzerts nach einem eher verhaltenen inszenierten Eintritt des Solisten seine enormen dramatischen Qualitäten, bei deren Wiedergabe Turban zur Höchstform aufläuft. Der musikalischen Dichte, die in Durchführung und Reprise erreicht wird, steht als Kontrast der Lyrismus des Mittelsatzes gegenüber: Er äußert sich in einem ununterbrochen dahin fließenden instrumentalen Gesang, den der Geiger einfallsreich einzufärben versteht. Dem zwischen Virtuosität und Kantabilität schwankenden Finale verleiht er schließlich einen großen musikalischen Bogen, in den er die Darstellung der effektvollen Register- und Charakterwechsel mit viel Spielwitz einbettet.

Die beiden Live-Aufnahmen werden durch die Studioaufnahme des kurzen, für Violine und Orchester gestalteten Vorspiels e-Moll zum vierten Akt von Reineckes Oper ‘König Manfred’ op. 93 sowie durch eine Aufnahme der Sinfonie Nr. 1 A-Dur op. 79 (1858-63) ergänzt. Trotz ihrer eher einfachen Faktur und der kleinen Dimensionen erweist sich dieses Werk als spannender Beitrag zum spätromantischen Sinfonierepertoire, wobei vor allem Reineckes feiner Sinn für die Ausdifferenzierung von Harmonik und Klangfarbe hervorsticht. Er erreicht in den beiden Mittelsätzen seinen Höhepunkt, um die der Komponist mit den thematisch verwandten Rahmensätzen eine originelle formale Klammer setzt, was wesentlich zum runden Gesamteindruck des Werkes beiträgt.

In klanglicher Hinsicht kann die Einspielung nur teilweise überzeugen: Das Orchester wirkt oftmals zu kompakt oder gar massiv, was zusätzlich noch durch die mitunter etwas kantig und manchmal auch in der orchestralen Klanggebung leicht unbeholfen anmutende Spielweise der Musiker verstärkt wird. In den Live-Aufnahmen ist dieser Eindruck weit weniger drastisch, und der massive Klang wirkt sich glücklicherweise nie ungünstig auf die Balance zwischen Solist und Orchester aus, weil hier eine wesentlich größere Klangtiefe vorherrscht als in der aufnahmetechnisch eher unbefriedigenden Studioeinspielung der Sinfonie.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Reinecke, Carl: Violinkonzert op. 141

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Aufnahmejahr:
cpo
1
20.02.2007
73:18
2004
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
761203710522
CPO 777 105-2


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Reinecke, Carl
 - Sinfonie Nr. 1 op. 79 in A-Dur -
 - Violinkonzert op. 141 in g-Moll -
 - Romanze für Violine & Orchester op. 155 in a-Moll -
 - Romanze für Violine & Orchester op. 93 in e-Moll -


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Dirigent(en):Moesus, Johannes
Orchester/Ensemble:Berliner Sinfonie-Orchester
Interpret(en):Turban, Ingolf


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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