
Denhoff, Michael - Hauptweg und Nebenwege
Magnum opus
Label/Verlag: col legno
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Man sollte sich die Zeit nehmen, das Stück ohne Pause zu hören. Es ändert den Rhythmus, eine Bußübung fast, eine Meditation.
Seltsam fremd steht ,Hauptweg und Nebenwege’ in unseren Tagen, gleichsam ein Werk, das den Rhythmus eines anderen Ortes, einer anderen Zeit atmet. Da ist zum einen die Ausdehnung, fast 160 Minuten, ungewohnt, ein Verlangen, Einhalt zu gebieten, eine Forderung, sich Zeit zu nehmen und sich einzulassen. Zum anderen der Klang: keine komplexen Rhythmen, kein eigenes harmonisches System, keine Klangflächen, keine Arbeit mit Klangfarben, kein Entdecken der Stille. Dass es ohne Besonderes ist, ist nicht das Besondere des Stückes, es hat etwas anderes Besonderes, das gerade aufgrund der Abwesenheit des Besonderen zum Vorschein kommt.
Morton Feldman? Viele Aspekte erinnern an Morton Feldman. Die Ordnung in kurzen Abschnitten, ,pattern’ heißen sie bei Feldman, die wieder kehren und verändert werden, bei Denhoff jedoch deutlicher und reicher als bei Feldman. Der Gestus ist oft fragil, die Klänge getupft. Kleine Miniaturen, die auch einen Gedanken an Anton Webern evozieren. Dann ein deutlicher Bezug in den Zitaten, die, für den Zuschauer unsichtbar, aber gedruckt im Booklet, in die Partitur geschrieben sind. Abschnitt II, 7: ,to and fro in shadow from inner to outer shadow’, Samuel Beckett, aus dem Libretto für Feldmans Oper ,Neither’. Und natürlich die Dauer, hier kann sich das Stück ohne weiteres mit den späten Werken Feldmans messen. Dennoch ist Denhoff kein Feldman-Epigone, hat er seinen eigenen Stil, der jedoch bisweilen frappierend den Geist der Zwanziger Jahre heraufbeschwört. Viele musikalische Zitate sind kaum noch erkennbar, Alban Berg, Franz Schubert, Bernd Alois Zimmermann, Gustav Mahler ...
Quintessenz Viele Stücke Michael Denhoffs verweisen im Titel auf andere Künste. Aus der Dichtung werden genannt Beckett, Celan, Rimbaud, Verlaine, Mallarmé, aus der bildenden Kunst Dürer, Goya, Kandinsky, Klee und in der Musik sind es Mahler, Bartók, Bach, Berg, Händel usw. Zudem äußert sich Denhoff gern in der Art eines musikalischen Tagebuches. Das ,Klangtagebuch’ vereint 366 Klänge für ein Jahr, ,Hebdomadaire’ ist ein Klavierzyklus aus 52 Stücken, und die in zwölf Teile geteilten ,Hauptweg und Nebenwege’ enthalten für jeden Tag einen Abschnitt: Teil I hat 31 Abschnitte, Teil 2 hat 28 usw. Vorn auf dem Cover ist das namensgebende Bild Paul Klees abgebildet. Die farbigen Felder, die zusammengesetzt die Wege bilden, finden quasi ihre Entsprechung in den ,pattern’, die im Muster ihres Auftauchens nicht nur die Tage, sondern auch die größeren Teile markieren. ,Hauptweg und Nebenwege’ ist mit seiner Form, seinen Anspielungen und Zitaten eine Quintessenz aus Denhoffs Schaffen, sein ,magnum opus’. Man sollte sich die Zeit nehmen, das Stück ohne Pause zu hören. Es ändert den Rhythmus, eine Bußübung fast, eine Meditation.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Denhoff, Michael: Hauptweg und Nebenwege |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
col legno 2 18.05.2005 157:16 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4099702002920 COL 20029 |
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Denhoff, Michael |
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col legno Welche Produktion von col legno Sie auch vor sich haben, eines ist gewiss: bunt wird sie sein und außergewöhnlich. Wir widmen uns herausragender Musik der Gegenwart und den Visionen ihrer Protagonisten. col legno bedeutet "mit dem Holz". Jeder Streicher weiß, was zu tun ist, wenn er diese Spielanweisung in seinen Noten liest: Er nimmt den Bogen, dreht ihn um und schlägt mit dem Holz auf die Saiten. Einst unerhört! Heute noch überraschend. Mit dieser spielerischen Offenheit dem Instrument gegenüber wurde die Klangvielfalt erweitert. Dieselbe Offenheit widmet col legno der Musik. col legno veröffentlicht Neue Musik - umfassend und zeitgemäß. Das Label steht für die Vielseitigkeit der Gegenwart und aufregende Interpretationen von Musik der Vergangenheit. Unsere Hörer haben viel mit uns gemein: Sie heißen Neues willkommen, wechseln Perspektiven, genießen eine Prise Humor und lieben das Kribbeln beim Genuss kreativer Inspiration. col legno nutzt die jeweils für die Produktionen optimalen Tonträger und Formate - von der CD über Multichannel Medien bis hin zu gänzlich neuen Entwicklungen. Dabei bieten wir unseren Hörern immer "state-of-the-art" Technik und beste Audioqualität. Die künstlerische Leitung des Labels wurde 2005 von Andreas Schett und Gustav Kuhn übernommen. Unter ihrer Führung hat sich der Katalog kontinuierlich und in klaren Zügen erweitert. Seit 2015 ist Andreas Schett alleiniger Inhaber des Labels. col legno - new colors of music
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