
Strauss, Richard - Violinkonzert & Aus Italien
Ein musikalischer Baedeker Süditaliens
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Apollinische Klangschönheit und perfekte Tontechnik: So lässt sich das angeblich uninteressante Jugendwerk Richard Strauss' neu entdecken.
Das Violinkonzert op. 8 des jungen Richard Strauss – 1882 in München uraufgeführt – ist die Komposition eines Gymnasiasten, der noch ganz dicht am 19. Jahrhundert-Ideal des kraftvollen Beethoven-Klangs orientiert ist. Dirigent Markus Poschner stellt dieses Frühwerk zusammen mit der frühen Symphonischen Dichtung 'Aus Italien' (1886) auf einer CD vor, bei der vor allem der differenzierte und sinnliche Klang des Orchestra della Svizzera italiana auffällt. Seit der Saison 2015/16 ist Poschner Chefdirigent des Orchesters aus Lugano, und danach zu urteilen, was man hier hören kann, ist es durchaus ein Luxusklangkörper, der sich nicht vor herrlichen Smorzandi scheut und ansonsten ein geradezu apollinisches Klangbild präsentiert.
Konzertmeister Robert Kowalski übernimmt den Solo-Part im Violinkonzert, mit warmen Tönen (auf einer G. B. Guadagnini-Geige) und einem feinen Gespür für die lyrischen Qualitäten der Komposition, die er mit einschmeichelndem, aber nicht obsessivem Vibrato vorträgt. Genauso gut kann er an anderer Stelle die Doppelgriff-Kaskaden mühelos servieren, umflirrt von den präzise gesetzten Pizzicati der Kollegen. Eine eindrucksvolle Leistung!
Die folgende Symphonische Dichtung bzw. ‚Sinfonische Fantasie‘ in G-Dur zählt nicht zu den berühmten Bestsellern von Strauss. Im Vergleich zu 'Tod und Verklärung', 'Don Juan' oder 'Also sprach Zarathustra' fehlen die überwältigenden dramatischen Kontraste, aber es ist beeindruckend, wie meisterhaft Strauss bereits hier mit Klangfarben jongliert. Und wiederum glänzt das Orchestra della Svizzera italiana mit apollinischer Klangschönheit von den ersten geradezu erhabenen Akkordrückungen der Einleitung an. Da wird die klassische Antike fast als majestätisch heraufdämmernde Traumlandschaft beschworen: wie ‚Empfindungen beim Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms und Neapels‘. Das Ganze sei, laut Strauss, ‚ein musikalischer Baedeker Süditaliens‘.
Aus dem Klangbild brechen dann immer wieder wunderbare Solopassagen hervor, die von den Schweizer Tontechnikern exzellent eingefangen sind. Der knalligste Moment der Komposition – die die Königliche Hofkapelle im Odeon-Konzertsaal Münchens uraufführte und die Hans von Bülow gewidmet ist – ist das unverhoffte Zitat des Liedes 'Funiculi, Funiculá' im letzten Teil. Da bricht plötzlich eine Energie und Ungestümheit herein, die sonst (noch) fehlt. Sonst wäre das Stück auch eine ernsthaftere Konkurrent zu Italien-Klassikern wie den Fontänen- und Pinien-Kompositionen von Respighi, die schlichtweg bessere Überwältigungsmomente haben. Diese musste Strauss erst noch für sich finden.
Alles in allem ist das eine schwelgerische Begegnung mit eher unbekannten Kompositionen von Richard Strauss, die dieser selbst 1945 als ‚uninteressant‘ beschrieb. So uninteressant sind sie jedoch nicht. Und sie werden vom Orchestra della Svizzera italiana und Markus Poschner auch absolut nicht uninteressant wiedergegeben. Ob das Cover-Foto von Poschner à la Gergiev allerdings solch eine gute Idee war, sei dahingestellt. Die dramatisch-wilde Pose entspricht jedenfalls nicht dem Charakter der Stücke, die es zu hören gibt. Und den typischen Poschner-Look findet man eher in Abbildungen im Booklet, das einen lesenwerten Essay von Laurenz Lütteken enthält.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss, Richard: Violinkonzert & Aus Italien |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
cpo 1 14.11.2017 76:08 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
761203512621 cpo 555 126-2 |
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Strauss, Richard |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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