
Leo Fall - Madame Pompadour
Elsa wird zur Operettendiva
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese neue 'Madame Pompadour' ist trotz der fehlenden Dialoge eine in sich stimmige Operettenproduktion, deren Spaßfaktor deutlich hör- und spürbar ist. Klangtechnisch bleiben aber manche Wünsche offen.
Das Label cpo hat wieder einmal eine klaffende diskographische Lücke geschlossen: Leo Falls 'Madame Pompadour' ist nun als erste musikalisch vollständige Aufnahme auf CD erschienen, allerdings ohne die verbindenden Dialoge. Von Leo Falls eigentlich populärer Operette existieren leider nur wenige Rundfunkproduktionen, die schwierig bis gar nicht zugänglich sind, und eine geschmacklich fragwürdige ZDF-Verfilmung. Umso erfreulicher ist der vorliegende Mitschnitt vom Juni 2012 aus der Wiener Volksoper, der den Zauber der 'Madame Pompadour' in vielen Punkten begreiflich macht und einen äußerst lebendigen und stilistisch versierten Umgang mit Leo Falls Partitur pflegt.
Mit Charme und Persönlichkeit
Die Operette steht und fällt mit der Besetzung der Titelpartie – und es ist nun wirklich eine undankbare Aufgabe in die Fußstapfen der legendären Fritzi Massary zu treten, der diese Paraderolle auf den Leib geschrieben war. Die Berliner Sopranistin Annette Dasch scheut den Vergleich nicht, sondern geht mit gesundem Selbstbewusstsein an diese Mammut-Aufgabe heran. Das Angenehme ist, dass sie den Stil der Massary nicht zu kopieren versucht, sondern ihren eigenen Weg findet, die operngeschulte Gesangsstimme und den geforderten chansonhaften Tonfall in Einklang zu bringen. Dieses Unterfangen gelingt ihr mit Bravour. Dabei beweist sie ungeheure Spielfreude und Komik, sie kitzelt pikante Zwischentöne hervor, schäkert und girrt, sie flirtet, säuselt und kann auch überraschend jazzig röhren. Berührungsängste zeigt die Sängerin keine. Und wer Annette Dasch hauptsächlich als Elsa im ’Lohengrin‘ oder in den großen Mozart-Partien kennt, der sollte sein einseitiges Bild von dieser Künstlerin dringend erweitern. Als Marquise von Pompadour gibt die Berlinerin charmante Primadonna mit strahlendem Sopran, unmittelbarer Spontaneität und erfreulich guter Artikulation. Eine Chanson-Soubrette ist die Sängerin gewiss nicht, muss sie aber auch nicht sein: sie ist ‚die Dasch‘ – und diese Form der Persönlichkeit ist es, was die Operette braucht.
Am Pult des Orchesters der Wiener Volksoper sorgt außerdem Andreas Schüller für authentischen Operetten-Rausch. Pointiert und uneitel kostet er sowohl die süffigen Passagen wie auch die prickelnden Rhythmen genüsslich aus. Das reißt mit, lässt den Hörer träumen und stimuliert das Zwerchfell. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, in welchem klanglichen Zustand der Mitschnitt ist. Die Balance ist unausgewogen, die Stimmen bleiben teilweise diffus im Hintergrund. Das ist äußerst schade, denn an den Reaktionen des Publikums lassen sich die enorme Energie und der Spaß der Aufführung ablesen. Nur leider überdeckt der Orchesterklang dann wieder die so lebendig agierenden Sänger oder die Bühnengeräusche drängen sich in den Vordergrund. Man muss es nicht dramatisieren – man kann der Aufführung mit großem Genuss folgen –, aber von einem heutigen Livemitschnitt erwartet man qualitativ schlichtweg mehr.
Operetten-Ensemble mit Spaß
Als René gefällt Mirko Roschkowski mit seinem lyrischen Schmelz und der recht guten Textverständlichkeit. Im großen Duett 'Still gestanden' macht er neben der feurigen Pompadour von Annette Dasch eine hörbar gute Figur. Das Buffo-Paar ist mit Beate Ritter und Boris Pfeifer bestens besetzt. Auch diese beiden Künstler scheuen keinen vokalen Effekt, keine komödiantische Hürde, wobei Boris Pfeifers Musicaltenor trotz geschliffener und differenzierter Sprachbehandlung auf Tonträger etwas farbarm erscheint. Vermutlich liegt das aber mit an der fehlenden Optik, denn der Künstler muss ein unschlagbares Gesamtpaket sein, gemessen an den Publikumsreaktionen und den eindrücklichen Aufführungsfotos im Beiheft.
In der kleinen Partie des Königs gibt es ein kurzes Wiederhören mit Heinz Zednik, Elvira Soukop gibt eine charmante Madeleine und als Maurepas und Poulard liefern Gerhard Ernst und Wolfgang Gratschmeier wahre Kabinettstückchen ab.
Diese neue 'Madame Pompadour' ist trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – der fehlenden Dialoge eine in sich stimmige Operettenproduktion, deren Spaßfaktor deutlich hör- und spürbar ist. Klangtechnisch bleiben aber manche Wünsche offen und auch das sonst so informative Booklet bei einer cpo-Veröffentlichung ist vor allem mit Künstlerbiographien und Fotos gefüllt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Leo Fall: Madame Pompadour |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.01.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
761203779529 |
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Fall, Leo |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
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