
Matsuev, Denis spielt - Werke von Schostakowitsch & Shchedrin
Überstrahlt
Label/Verlag: Mariinsky
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Denis Matsuevs Einspielung der beiden Klavierkonzerte von Schostakowitsch und des Fünften Konzerts von Schtschedrin ist vor allem wegen der solistischen Gestaltung zu empfehlen.
Der Zufall will es manchmal, dass eine bestimmte Aufnahme für eine gewisse Zeit folgende Einspielungen desselben Werks überstrahlt, ganz gleich, wie achtbar die künstlerische Umsetzung in den später hinzugekommenen Produktionen auch ausfällt. Dieses Phänomen war in den letzten Monaten in Bezug auf Schostakowitschs Klavierkonzerte zu beobachten. In diesem Fall war es die Umsetzung durch Alexander Melnikov, Teodor Currentzis und das Mahler Chamber Orchestra, deren gleißend helles Leuchten auf andere Produktionen Schatten warf. Zu diesen beschatteten zählt auch vorliegende Aufnahme mit Denis Matsuev und dem Orchester des Mariinsky-Theaters unter Valery Gergiev.
Als Ergänzung zu den beiden Schostakowitsch-Konzerten wählten Matsuev und Gergiev ein weiteres russisches Klavierkonzert, das Klavierkonzert Nr. 5 von Rodion Schtschedrin (* 1932). Diese Kombination ist nicht ohne Reiz, doch fragt man sich nach der Relevanz dieser Aufnahme. Denn Denis Matsuev, Träger des ersten Preises des Tschaikowsky-Wettbewerbs 1998, hat zwei der drei Werke vor nicht allzu langer Zeit mit anderen Partnern aufgenommen: das Klavierkonzert Nr. 1 von Dmitrij Schostakowitsch mit Yuri Temirkanov und den St. Petersburger Philharmonikern, das Klavierkonzert Nr. 5 (entstanden 1999) von Schtschedrin mit Mariss Jansons und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Der Erwerb dieser beim hauseigenen Label des Mariinsky-Theaters erschienen Aufnahme lohnt nicht primär wegen des Orchesters, sondern vor allem aufgrund der solistischen Darbietung. Im Gegensatz zu den kammerorchestralen, detailfreudigen Zugängen eines Teodor Currentzis oder Lavard Skou-Larsen wirkt das Orchester des Mariinsky-Theaters insgesamt doch etwas schwerfällig. Auch der dumpfe Klang, insbesondere des Orchesters, wirkt diesem Eindruck nicht gerade entgegen. Gergiev vermeidet auch hier – wie in den meisten seiner Schostakowitsch-Einspielungen – eine allzu geschärfte Klanggebung, was sich insbesondere in den schnellen Sätzen zeigt. Dadurch überzieht ein Schleier verschatteter Trauer selbst jene Passagen, die zu den am muntersten sprudelnden im Schaffen Schostakowitschs gehören. Wenn es allerdings in den langsamen Sätzen der Schostakowitsch-Sätze darum geht, Klangflächen großer Innigkeit mit Leben zu erfüllen, so zeigt sich Gergiev in seinem Element. Im Gegensatz zu den Brachlandschaften, die von anderen Dirigenten hier gezeichnet werden, sind die langsamen Mittelsätze hier von nostalgischer Schwermut durchdrungen, selbst im ungewohnt rasch genommenen Mittelsatz des Klavierkonzerts Nr. 2. Ganz eigene Farben findet das Orchester jedoch in Schtschedrins Klavierkonzert, das im ersten Satz helle bis grelle, metallisch-heisere Farbtupfer setzt, ehe im Finale ein an Strawinskys 'Sacre' erinnernder Tonfall angeschlagen wird, nur ist er bei Schtschedrin weitaus lichter.
Denis Matsuevs pianistische Gestaltung lässt kaum Wünsche offen. Er gibt sich als Virtuose reinsten Wassers zu erkennen, vor allem in den schnellen Außensätzen der Schostakowitsch-Konzerte. Im Gegensatz zu Alexander Toradzes interventionistischem, den Klavierpart mit unerwarteten Wendungen anreicherndem Zugriff gibt sich Matsuevs Lesart als beinahe geradlinig zu erkennen. Die Klangtechnik, von der der Gesamtklang eher weiträumig-global eingefangen wird, macht es nicht leicht, Matsuevs kunstvolle Umsetzung im Detail nachzuvollziehen, auch wenn gerade das Klavier im Gegensatz zum mulmigen Orchesterklang noch etwas präsenter wirkt. Doch eröffnet sich dem, der genau hinhört, ein schattierungsreiches Bild. Matsuev bringt auf der einen Seite die technisch souveräne Agilität mit, sprudelnde Motorik so locker wirken zu lassen, als koste sie keine Anstrengung. Auf der anderen Seite zeigt er auch in den Mittelsätzen, dass er mit weichem Anschlag schwerelose Klänge zu evozieren imstande ist, die nie in die Nähe billiger Sentimentalität geraten. Das vereitelt der feste, stählerne Kern seines Klaviertons.
Im direkten Vergleich mit den jüngsten Einspielungen (Melnikov/Currentzis, Toradze/Järvi, Igoshina/Skou-Larsen) der Schostakowitsch-Konzerte belegt diese Aufnahme wohl den letzten Platz. Doch sagt das mehr über die starke Konkurrenz als über diese Produktion. Denn ansprechend ist sie allemal, besonders im Hinblick auf die solistische Gestaltung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Matsuev, Denis spielt: Werke von Schostakowitsch & Shchedrin |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Mariinsky 1 01.03.2012 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231850922 |
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Mariinsky Das Mariinsky-Theater gehört zu den renommiertesten Opernhäusern der Welt. Zu Sowjetzeiten in Kirow Theater unbenannt, trägt es seit 1992 wieder seinen ursprünglichen Namen. Seit 1996 ist Valery Gergiev dem Haus als künstlerischer Leiter und Intendant verbunden. Auf dem hauseigenen Label werden die herausragende künstlerische Leistung dieses traditionsreichen Hauses dokumentiert. Das Repertoire umfasst neben Oper auch das große symphonische und konzertante Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts. Mehr Info... |
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