
Dvorák, Antonín - Sinfonie Nr.9 in e-Moll, op.95
Aufzeichnungen eines großen Kapellmeisters
Label/Verlag: Arthaus Musik
Detailinformationen zum besprochenen Titel
DVDs mit dem verstorbenen Dirigenten Vaclav Neumann sind rar. Jetzt kann man den Botschafter der tschechischen Musik mit zwei unterschiedlichen Orchestern in zwei ausgewogenen Einspielungen erleben.
Vorliegende DVD mit Einspielungen aus den Jahren 1990 und 1987 zeigt den mittlerweile verstorbenen, international bekannten Kapellmeister Vaclav Neumann zusammen mit dem Gustav Mahler Jugendorchester, dem Tschechischen Philharmonischen Orchester und dem Philharmonischen Chor Prag. Neumann widmet sich Stücken des tschechischen Kernrepertoires. Auf dem Programm stehen die Neunte Sinfonie von Antonín Dvorák, aufgezeichnet in der Alten Oper in Frankfurt am Main und die 'Missa Glagolitica' von Leos Janácek, aufgenommen im Rudolfinum Prag.
Vaclav Neumann, 1920 in Prag geboren und 1995 in Wien gestorben, begann seine musikalische Karriere mit der Gründung des Smetana-Quartetts, das von 1945 bis 1989 bestand. Seine späteren Engagements als Dirigent reichen von der Komischen Oper in Berlin über das Gewandhausorchester in Leipzig bis hin zum ersten Dirigat der Tschechischen Philharmonie, wo er in den Jahren der politischen Wende in der ehemaligen Tschechoslowakei zum künstlerischen Repräsentanten der ‚Samtenen Revolution‘ avancierte. Somit galt Neumann nicht nur als renommierter Dirigent mit internationaler Ausstrahlung, sondern auch als einflussreicher Pädagoge und politisch engagierter Musiker. Im Mittelpunkt seiner künstlerischen Tätigkeit stand die Interpretation der Musik tschechischer Komponisten, wie Antonín Dvorák, Leos Janácek, Bohuslav Martinu und Josef Suk. Darüberhinaus erarbeitete er sich auch außerordentliches Renommee als Mahler-Interpret. Trotz seiner regionalen und nationalen Verwurzelung entsprach Neumann jedoch nicht dem Klischee böhmischen Musikantentums, denn gerade in seinem klassisch-romantischen symphonischen Repertoire brachte er es zu überaus markanten und kontrollierten Einspielungen.
Samtener Streicherklang
Neumann, ein gelernter Geiger und Bratschist, entwickelte den Orchesterklang und seine Interpretationen stets aus einem betont weichen Streicherklang. Beeindruckend gelingt dies hier in der 'Missa Glagolitica'. Den Hörer umfängt hier ein selten gehörtes, samtenes Spiel der Streichinstrumente, das dieses in weiten Teilen so schroff wirkende, von kurzen Motivwechseln und raschen, unvermittelten Übergängen geprägte Werk zusammenhält. Neumann führt erhaben kontrollierend durch die Untiefen der Messe, wobei auch der Philharmonische Chor Prag und das Tschechische Philharmonische Orchester keine Schwächen zeigen, sondern stets technisch und klanglich souverän musizieren. Beeindruckend hier auch die Homogenität, mit der der Chor etwa das 'Gloria' intoniert, oder die Sopranistin Gabriela BeHa ková den wunderbar aufstrebenden und nach außen drängenden Charakter des 'Sanctus' vokal gestaltet. Das ist keineswegs selbstverständlich für ein Werk, das deutlich von konventionellen Mess-Kompositionen verinnerlichender Frömmigkeit abweicht.
Die Aufführung im Rudolfinum, der Heimat des Philharmonischen Orchesters, unterstützt diesen Eindruck. Dezente Zooms und Kameraschwenks zeigen das Gespann Neumann als Zeremonienmeister und das Orchester sowie den Chor in der Kulisse eines imposanten Baus der Neo-Renaissance.
Erfrischend unsentimental
Anders die Aufführung der ‚Sinfonie aus der Neuen Welt‘ mit dem Gustav Mahler Jugendorchesters im moderneren Saal der Alten Oper in Frankfurt/Main. Auch hier beeindruckt die klare, präzise Körpersprache und Mimik des Dirigenten, die das Orchester zu Höchstleistungen animiert. Mittlerweile zu einem der renommiertesten Jugendorchester der Welt gereift, bestand es zur Zeit der Aufzeichnung gerade einmal vier Jahre. Hochkonzentriert und fasziniert vom erfahrenen Orchestererzieher Neumann spielen die jungen Musiker enthusiastisch, und trotz kleinerer Patzer stellt sich durchweg ein runder Eindruck ein.
Gerade der Kopfsatz 'Adagio–Allegro molto' ist hier weniger vorwärtstreibend und impulsiv musiziert, als man es beispielsweise bei George Solti hören konnte; hier überwiegt eine schnörkellose Weichheit des Klangs, die an keiner Stelle roh oder martialisch wirkt, obwohl gerade die unvermittelten Kontrabasseinwürfe am Beginn diese Lesart nahe legen würden. Interpretatorisches Ziel scheint gerade nicht das überpointierte Herausarbeiten von Kontrasten zu sein. Neumann forciert nicht die Dramatik der angenehm unsentimental vorgetragenen populären Themen und Motive in den ersten beiden Sätzen. Das stürmische 'Allegro con fuoco' des dritten Satzes nimmt Neumann im Vergleich anderen Einspielungen dieser Sinfonie mäßig schnell, ohne jedoch die rhythmischen Finessen dieses Satzes allzu sehr zu nivellieren. Beeindruckend auch hier, mit welcher Selbstverständlichkeit die jungen Musiker des Gustav Mahler Jugendorchesters einen wunderbar weichen Streicherklang hervorzaubern, indem sich die druckvollen Bläser bruchlos einfügen. Dadurch gelingt in einigen Passagen ein herrliches beinahe überirdisches Orchesterwogen.
Insgesamt ist mit der Aufzeichnung der beiden Konzerte ein abwechslungsreiches Bild über das Wirken des Dirigenten Vaclav Neumann mit zwei sehr unterschiedlichen Orchestern und Kompositionen gelungen, das ihn sowohl als Orchestererzieher als auch souverän waltenden Zeremonienmeister zeigt und die eher selten gespielte Messe in imposanter Kulisse präsentiert. Schade, dass sich auf der DVD keine weiteren Informationen zu Neumann finden; dafür entschädigt aber ein ausführliches Booklets.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Dvorák, Antonín: Sinfonie Nr.9 in e-Moll, op.95 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Arthaus Musik 1 08.11.2010 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280153590 |
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Arthaus Musik Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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