
Mahler, Gustav - Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´
Wieder aufzublüh’n
Label/Verlag: Tudor
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Auferstehen? Das wird der Hörer bei Jonathan Notts Einspielung von Mahlers Zweiter Sinfonie mit den Bamberger Symphonikern auf jeden Fall!
Langsam aber sicher wird es lästig mit Jonathan Nott und den Bamberger Symphonikern. Können dieses Orchester und sein Chefidirigent in ihrem laufenden Mahler-Zyklus nicht wenigstens einmal etwas falsch machen, aus dem sich ein (ganz dünner) Strick drehen ließe? Ein winziges Detail, an dem sich die Kritikerfeder spitzen könnte, würde ja schon reichen. Vergebens. Selbst der wachsame Rezensent, der misstrauisch in die Partitur der ‚Auferstehungs-Sinfonie‘ hinein blinzelt, um pedantisch nachzuprüfen, ob die Interpreten auch wirklich jede Spielanweisung Mahlers ernst nehmen, findet kein Haar in der metaphysisch angewürzten c-Moll-Suppe – und ist am Ende wieder hingerissen. Paavo Järvi und das HR-Sinfonieorchester werden es mit ihrer etwa zeitgleich erschienenen Konkurrenzeinspielung von Mahlers Zweiter Sinfonie (ebenfalls zwei SACDs) nicht leicht haben, das Niveau vorliegender Produktion zu erreichen. Klar gibt es bereits eine ganze Menge großartiger Aufnahmen von Mahlers Zweiter Sinfonie von Bruno Walter und Leonard Bernstein über Michael Gielen, Mariss Jansons oder Bernhard Haitink bis zu David Zinmann, um nur wenige Namen zu nennen. Doch Nott und die Bamberger finden sich in dieser Gesellschaft auf dem Gipfel der Mahler-Exegese – Herdenglocken tönen in der Ferne – ohne weiteres ein.
Was die Transparenz aus- und ineinanderstrebender Orchesterschichten angeht, können es der Engländer und ‚sein‘ Klangkörper locker etwa mit Gielens Einspielung aufnehmen. Überhaupt wird bei Nott wieder einmal deutlich, wie unterschiedlich ein Klangkörper je nach Dirigent und aufzuführendem Werk klingen kann. Hört man die Bamberger Symphoniker unter Hans Stadlmaier mit den Sinfonien Joseph Joachim Raffs, so meint man diese kaum wiederzuerkennen – nicht negativ, aber es wird deutlich, dass es sich bei Mahlers idealem Orchesterklang eben um einen Sonderfall handelt, der eines besonderen Zugriffs bedarf. Nott verleiht den Staccati im Trio des 'Andante moderato' eine seltsam geisterhafte Präsenz, wie man sie so bei keinem anderen Komponisten antreffen könnte. Die leise fortlaufenden Triolen verweisen hier in ihrer Feinheit gleichsam auf den doppelten Boden, in der Rückschau auf das schöne Vergangene; das Verfahren zur Erzeugung von musikalischer Idylle wird ausgestellt.
Ähnlich verhält es sich beim 'Urlicht' im einleitenden Blechbläsersatz, der unerhört zart klingt, dabei aber ‚nur‘ 'choralmäßig' wirkt, weil er kein ‚richtiger‘ ist, sondern eben Musik darstellt, die einen Choral imitiert. Wie kaum bei einem anderen Dirigenten findet sich bei Nott somit der Anspruch verwirklicht, Mahlers Sinfonien als Musik über Musik zu verstehen und zu interpretieren. Der auch im pompösen noch kindlich naiv daherkommende, dabei anrührende Gestus von Religiosität in der ‚Auferstehungs-Sinfonie‘ – hier gelangt er, neben dem Grotesken in der ‚Fischpredigt‘-Humoreske, zur Entfaltung. Wie variabel und miteinander vermischt Mahlers Tonfälle sein können, lässt sich vor allem auch im Kopfsatz nachvollziehen. Zu verdanken ist dieser Umstand jedoch ebenfalls dem Chor der Bamberger Symphoniker. Selten hat sich der finale Gesang so nuanciert und ausdrucksstark von der leisesten Verkündung bis zur blendenden Affirmation gesteigert. Lioba Brauns Alt und Anne Schwanewilms Sopran spielen dabei gleichfalls keine geringe Rolle. Einziger Nachteil: Die einzelnen Abschnitte des 35 Minuten dauernden Finales sind nicht einzeln anwählbar. Aber diese Einspielung wird man ohnehin von vorn bis hinten gespannt durchhören.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´ |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Tudor 2 19.04.2010 |
Medium:
EAN: |
SACD
0812973011583 |
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