
Reger, Max - Violinsonaten op. 72 und 139
Spielfreude
Label/Verlag: Musicaphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die durchsichtige, natürliche Klangtechnik ist ein Pluspunkt dieser im großen Ganzen untadeligen Reger-Einspielung.
Zehn Jahre ist die vorliegende Einspielung bereits alt – 2000 findet der interessierte Leser als Aufnahmejahr im Booklet. Und das Booklet verheißt Gutes – wurde der Begleittext doch kenntnisreich von dem Musikwissenschaftler Markus Böggemann verfasst. Die Diskografie der beiden eingespielten Violinsonaten Regers – seiner letzten in c-Moll und jener ‚(in C-Dur)‘, wie Reger selbst in der Partitur schrieb, mit der er seinen Durchbruch als Kammermusikkomponist hatte – ist lang. Seit 2000 ist die Einspielung von Ulf Wallin und Roland Pöntinen (cpo) die Referenzeinspielung der Sonate op. 72, auch wenn die beiden Interpreten gerade im Schlusssatz noch ein wenig mehr Wucht hätten in ihre Deutung legen können.
Diese Wucht bieten Johannes Prelle und Thomas Günther – und dennoch ist ihre Einspielung nicht überzeugender als jene von Wallin und Pöntinen. Die beiden Interpreten haben unverkennbar Freude an dem ‚wilden Reger‘ der Münchner Jahre, bemühen sich dennoch um eine differenzierte Wiedergabe. Doch macht es Reger seinen Interpreten beim besten Willen nicht leicht – stetige Dynamik- und Stimmungswechsel zeigen ihn als im Grunde Vorläufer des Expressionismus, und insbesondere die Dynamikwechsel erfördern nicht nur höchste Prägnanz, sondern auch höchstes Können. Hier können Prelle und Günther nicht ganz mit Wallin/Pöntinen mithalten, haftet ihrem Spiel doch etwas Hemdsärmeliges, gelegentlich sogar Grobes an, was auch bei Opus 72 nicht vertretbar ist – Reger war ein Komponist des Raffinements, des Raffinements auch im Wilden. Besonders der Geigenton ist durch zu viel Vibrato zu unstet und leicht nicht ganz sauber. Es gibt freilich schlechtere Einspielungen – aber das sollte nicht der Maßstab sein. Dennoch, die Spielfreude ist unverkennbar, mag aber manches Vorurteil gegenüber dem Komponisten bestätigen.
Von der späten c-Moll-Sonate gibt es eine ganze Reihe ausgezeichneter Einspielungen – die beste ist fraglos jene von Gidon Kremer und Oleg Maisenberg von 1975, dicht gefolgt von Pina Carmirelli und Rudolf Serkin von 1963. In einer solchen Liga mitmischen zu wollen, erfordert natürlich Extremes – und es ist wahrhaft nicht ehrenrührig, sie nicht ganz zu erreichen. Hier liegen den beiden Musikern auch Regers Dynamikvorschriften besser, scheint die Komposition ‚leichter‘ und bewegen sich mit einem halben Dutzend anderer Einspielungen immer noch auf sehr beachtlichem Niveau (das Werk ist im Vergleich die bei weitem am häufigsten eingespielte Violinsonate Regers überhaupt). Prelle und Günther bleiben von Geist und Gehalt dem Werk fast nichts schuldig – nur zeigen sie nicht ganz die Spielkultur anderer Interpretationen. Aber das sind nur Einschränkungen auf sehr hohem Niveau. Die durchsichtige, natürliche Klangtechnik ist ein weiterer Pluspunkt. Für jene, die nicht schon andere Aufnahmen haben, lohnt sich die CD allemal, besonders wegen der Sonate op. 139.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Reger, Max: Violinsonaten op. 72 und 139 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Musicaphon 1 09.12.2009 64:15 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4012476569147 M 56914 |
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"Die Auswahl der Sonaten für diese CD ist keineswegs zufällig, denn bei beiden handelt es sich um Marksteine in Regers Schaffen. Die Sonate Nr. 4, entstanden 1903, brachte Reger dank der Aufführungen durch den belgischen Geiger Henri Marteau (immer mit Reger am Klavier) den Durchbruch. Fortan galt er neben Richard Strauss als äußerster Exponent der musikalischen Moderne, wahlweise gefeiert oder gefürchtet, immer aber unter Anerkennung seines unzweifelhaften handwerklichen Könnens. Das Wort vom „wilden Reger“ ist auf das Schaffen dieser Jahre gemünzt. Ganz anders der letzte Beitrag Regers zu dieser Gattung. Die Sonate Nr. 9, ein gutes Jahr vor seinem Tod entstanden, lag ihm besonders am Herzen. Er sprach selbst von einem „ganz neuen Stil“, und in der Tat hebt sich das Werk in seiner Tendenz zur motivischen Ökonomie, verbunden mit intensiver Arbeit am Detail, gegen manche früheren Kompositionen sehr ab. Das harmonisch, motivisch, klanglich Exzessive, das ihm den Ruf des „wilden Reger“ eingetragen hatte, ist hier aufgehoben. - Johannes Prelle, ausgebildet bei Max Rostal, wirkte ab 1964 in verschiedenen deutschen Orchestern. Von 1980 bis 1996 war er Primarius des Leonardo Quartetts, das sich besonders der Musik des 20. Jahrhunderts widmete. Von 1986 bis 2002 leitete er eine Hochschulklasse für Violine und Kammermusik an der Abteilung Wuppertal der Kölner Musikhochschule. " |
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Musicaphon Ende der 50er Jahre gründete Karl Merseburger, Inhaber des Tonkunstverlages in Darmstadt, das Label CANTATE. Etwa zur gleichen Zeit rief Karl Vötterle (Bärenreiter-Verlag) in Kassel MUSICAPHON ins Leben. In beiden Fällen sollte vorrangig das jeweilige Verlagsprogramm auf Tonträgern dokumentiert werden. Nachdem Merseburger den Tonkunstverlag 1963 aufgeben mußte, übernahm Bärenreiter das Label CANTATE und führte beide gemeinsam unter dem Dach der 1965 gegründeten Vertriebsfirma "Vereinigte Schallplattenvertriebsgesellschaft Disco-Center" fort. Auf beiden Labels erschienen in den 60er und 70er Jahren bedeutende Aufnahmen. Besondere Schwerpunkte setzte Wilhelm Ehmann, Leiter der Westfälischen Kantorei in Herford, mit seinen historischer Aufführungspraxis verpflichteten Interpretationen der Werke von Heinrich Schütz. Bach-Kantaten wurden von Helmuth Rilling mit der Gächinger Kantorei und dem Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart eingespielt. MUSICAPHON gewann daneben Profil mit der Veröffentlichung musikethnologischer Aufnahmen, herausgegeben von der UNESCO (Musik des Orients und Musik Afrikas) bzw. vom musikwissenschaftlichen Institut der Universität Basel (Musik Ozeaniens und Musik Südostasiens). 1994 erwarb der Musikwissenschaftler Dr. Rainer Kahleyss (Kassel) die Label, 1996 auch die Vertriebsfirma von Bärenreiter, die jetzt als "Klassik Center Kassel" firmiert. Seitdem werden auf CANTATE geistliche Musik, auf MUSICAPHON weltliche Musik vom Frühbarock bis zur Gegenwart veröffentlicht. Auch für die Rezeptionsgeschichte bedeutsame Aufnahmen der Altkataloge werden sukzessive auf CD umgestellt. Mehr Info... |
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