> > > Isaac, Heinrich: Missa pro Maximiliano
Dienstag, 26. September 2023

Isaac, Heinrich - Missa pro Maximiliano

Die Krönung der Maria


Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das Engagement hat sich zweifellos gelohnt!

Nach ‚Lagrime di San Pietro’ von Orlando di Lasso bescheren uns Michael Procter und sein Männerensemble Hofkapelle nun ein neues, seltenes Highlight geistlicher Vokalmusik aus der Renaissancezeit. Diesmal bilden zwei ‚Missae de Beata Maria Virgine’ von Heinrich Isaac (1450-1517) das Herzstück von ‚Missa pro Maximiliano’, erschienen bei dem Heidelberger Label CHRISTOPHORUS. Und wieder wird schnell klar, dass in dieser Produktion weit mehr an geistigen und sinnlichen Überraschungen steckt, als man ahnt.

Schlicht berauschend

Die zwei von fünf erhaltenen Marienmessen hat Isaac für die Hofkapelle des Kaisers Maximilian I. (1459-1519) geschrieben; sie basieren auf der so genannten Alternatim-Praxis, bei der ein Solosänger oder die Orgel die Choräle vortragen und der Chor mit mehrstimmig gesungenen Textteilen antwortet. Dieses Wechselspiel war den Gläubigen seinerzeit wohl nicht nur das sinnliche Symbol für den Dialog mit Gott, es bedeutet auch für heutige Ohren ein musikalisch faszinierendes Erlebnis. Gibt es eine größere Ehre für Maria?

Mit der polyphonen Antwort auf den jeweiligen Solo-Vortrag davor öffnet sich in der vierstimmigen Messe eine betörende Aura von Klangfarben, die geprägt und gestaltet ist von tiefer Demut und Spiritualität. Die erfahrenen Sänger verblüffen mit ihrer vollkommenen Intonation, ihrem rhythmisch fließenden, exakten Miteinander und folgen hörbar spielerisch Michael Procters glücklichem Händchen für Phrasierungen; den lateinischen Text wissen sie uns verständig und dynamisch abwechslungsreich nahe zubringen. Geradezu skrupellos lustvoll kosten die Sänger die einkomponierten, süchtig machenden harmonischen Reibungen aus, deren Auflösung zur Konsonanz beim Hörer ein Verlangen nach neuem Harmonierausch erweckt. Diesem Bann ist schwer zu entkommen, am wenigsten etwa im ‚Agnus dei’ als einem der berückenden Höhepunkte.

Etwas schärfer, dennoch authentisch ist der Kontrast in der sechsstimmigen Messe, deren Choralteile von der Orgel improvisiert wurden. Der australische Organist David Blunden holt uns zwischen den sechsstimmig gesungenen Textabschnitten immer wieder in den Kirchenraum zurück, indem er uns eine Idee von Paul Hofhaimers Kunst einhaucht, dem größten Orgelkomponisten und ‑virtuosen zu Zeiten Isaacs, nach dessen Vorbild die Choralteile gestaltet sind. Von jenem hören wir auf der CD auch ein farbenreiches, liebevoll ausgeschmücktes ‚Recordare’ für Orgel.

Reflexionen

Nicht nur sinnliche Erlebnisse birgt diese Einspielung in sich - auch das Booklet ist ein Dorado für Interessierte geistlicher Vokalmusik der Renaissance. Es spiegelt sich darin Procters Verständigkeit, Kompromisslosigkeit und tiefe Liebe zu dieser Musik: In jedem Satz sprudelt es vor geschichtlich und musikalisch spannenden Details und Blicken hinter die Kulissen, stellen sich Fragen und äußert sich Verblüffung; Procters Nachdenklichkeit steckt an und weckt Lust auf die Musik. Wir können uns vertrauensvoll zurücklehnen und uns auf die Stichhaltigkeit der Aussagen verlassen, denn es ist weder zu übersehen noch zu überhören, dass Procter ein leidenschaftlicher Spezialist auf diesem Gebiet ist und dass wir es mit dieser Aufnahme mit einem seltenen musikhistorischen Geschenk zu tun haben.

Edle Katze im Sack

Im Booklet ist eine lange Subskribenten-Liste abgedruckt. Mit der Methode der Vorausbestellung folgt man nicht nur einer Jahrhunderte alten, guten Tradition, sie zeugt vor allem zum einen von tiefem Respekt und Vertrauen seiner internationalen Fangemeinde in Procters Arbeit; zum andern zeigt sie auch deren Entschlossenheit, Musik und Wissenschaft finanziell zu unterstützen und das sinnlich faszinierende Erlebnis überhaupt möglich zu machen. Das Engagement hat sich zweifellos gelohnt!

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Isaac, Heinrich: Missa pro Maximiliano

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Christophorus
1
01.02.2006
Medium:
EAN:

CD
4010072772770


Cover vergössern

Christophorus

Christophorus ist das älteste deutsche Plattenlabel mit dem Schwerpunkt "Geistliche Musik". Es wurde 1935 gegründet, um religiöse Inhalte mittels Schallplatten und Bücher auch während des Nazi-Regimes zu verbreiten. Heute - mehr als 75 Jahre später - stehen spirituelle Themen weiterhin im Mittelpunkt des Labels, mit besonderem Interesse für unbekannte Werke und historische Interpretation. Gregorianische Gesänge, geistliche Vokalmusik, Musik der christlichen Kirchen und die Gesänge aus Taizé sind im Katalog ebenso vertreten wie Musik des Mittelalters und der Renaissance. Mit diesem Repertoire gilt Christophorus heute als eines der wichtigsten unabhängigen Labels auf dem internationalen Klassikmarkt.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...

Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Christophorus:

blättern

Alle Kritiken von Christophorus...

Weitere CD-Besprechungen von Gabriele Pilhofer:

  • Zur Kritik... Radio-Sinfonie einer Großstadt: ,Leben in dieser Zeit' ist das wertvolle Produkt der Künstlerfreundschaft zwischen Erich Kästner und Edmund Nick. Die Chanson-Revue mit gereimten Dialogen und Geräuschmontagen bringt uns unterhaltsam den Alltagsfrust des Großstadtlebens der 1920er nahe. Weiter...
    (Gabriele Pilhofer, )
  • Zur Kritik... Gipfeltreffen im Wohnzimmer: Mit romantischen Vokalwerken von Robert Schumann und Brahms sowie barocken Arien von Johann Sebastian Bach beweist das Calmus Ensemble erneut, dass es in der allerobersten Liga der Vokalensembles mitspielt. Weiter...
    (Gabriele Pilhofer, )
  • Zur Kritik... Ein weiteres Puzzlestück: Abgesehen von wenigen interpretatorischen Schwächen werden die Eigenheiten von C.P.E. Bachs Musik von Joshard Daus und seinen Musikern in dieser Ersteinspielung wunderbar zum Klingen gebracht. Weiter...
    (Gabriele Pilhofer, )
blättern

Alle Kritiken von Gabriele Pilhofer...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Sergej Tanejew: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello E-Dur op.20 - Adagio piu tosto largo - Allegro agitato

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.

"Casals kämpfte für den Frieden."
Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich