
Chopin, Frédéric - Klavierkonzerte
Ehrenrettung für Chopin
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die beiden Klavierkonzerte von Frédéric Chopin sind Jugendwerke. Man könnte, weniger gewogen, auch sagen, sie sind Jugendsünden. Knapp 20jährig, kurz vor der Übersiedlung von Warschau nach Paris, beging bzw. komponierte er sie. Zur Ehrenrettung des Komponisten sei angefügt, dass ihm sicher nie vorgeschwebt hatte, Konzerte in der ausgewogenen formalen Disposition eines Beethoven oder Mozart zu schreiben. Sucht man diese Ausgewogenheit in den Klavierkonzerten Chopins, wird man sie nicht finden. Chopin schrieb die Konzerte als komponierender Solist für sein Instrument. Insofern sind seine beiden Klavierkonzerte nichts weiter als Ausdruck des künstlerisch-musikalischen Credos Chopins und das lautete: der individuelle Ausdruckswille erhebt sich über formale Strenge. Das Orchester wird zum Stichwortgeber, zum reinen Begleitinstrumentarium für die meditative Konzentration auf den Klavierpart.
Ausgleich und Versöhnung
Dieses vermeintliche Missverhältnis zwischen Solisten und Orchester auszugleichen und zu versöhnen, darin liegt die Stärke der vorliegenden Aufnahme. Annerose Schmidt, Preisträgerin des Chopin-Wettbewerbs in Warschau und bereits seit ihrem 12. Lebensjahr diplomierte Konzertpianistin, ist die Solistin. Kurt Masur dirigiert in diesen Aufnahmen aus den Jahren 1982 und 1984 das Gewandhausorchester Leipzig.
Annerose Schmidt interpretiert die Konzerte mit dem Bewusstsein der die Musik beherrschenden Solistin. Das mag äußerst pathetisch klingen, dürfte aber durchaus im Sinne des Komponisten liegen. Chopin war nun mal in erster Linie Klaviervirtuose und der Vorrangstellung des Klaviers ist sich Annerose Schmidt in diesen Aufnahmen ohrenfällig bewusst. Dem Klavier ringt sie gleichsam orchestrale Farben ab und, den Satzcharakteren entsprechend, erreicht sie durch flexiblen Anschlag die betörendsten Klangnuancen. Selbstredend ist ihre Technik perfekt, gerät aber an keiner Stelle zur Selbstdarstellung. Ihr Spiel steht immer im Dienst der Musik. Das ist ja das Schlagende an Annerose Schmidts Interpretation dieser Konzerte: nie plakativ, nie der reinen Show wegen. Man kann Chopins Musik musizieren oder technisch totschlagen. Bei Annerose Schmidt leben Chopins Klavierkonzerte förmlich auf.
Kurt Masur bringt das Kunststück fertig, das Orchester als nahezu gleichrangigen Konzertpartner fungieren zu lassen. Der formalen Schwäche der orchestralen Faktur begegnet er mit der Betonung von feinsten Binnenstrukturen innerhalb des Satzgefüges. Das Gewandhausorchester reagiert darauf mit selten gehörter Subtilität. So entstehen vor allem in den langsamen Sätzen Episoden von großer Zartheit. Masur entkräftet so das Vorurteil, Chopins Klavierkonzerte seien mitunter schlecht instrumentiert.
Die Klavierkonzerte von Frédéric Chopin liegen hier in untadeligen, noch dazu klanglich hervorragend aufbereiteten Aufnahmen vor.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Chopin, Frédéric: Klavierkonzerte |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Berlin Classics 1 02.08.2004 |
Medium:
EAN: |
CD
0782124133726 |
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Chopin, Frédéric |
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