
Bach Organ Works - Masaaki Suzuki, Orgel
Meister im kleinen Format
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Masaaki Suzuki setzt seine systematischen Bach-Erkundungen im Reich des Chorals fort, mit einem ersten Teil des Orgel-Büchleins. Es ist eine mustergültige Präsentation auf einem der Musik ebenbürtigen Instrument.
Der japanische Ensembleleiter und Organist Masaaki Suzuki hat sich aktuell mit einer schon jetzt und zu Recht in höchsten Tönen gelobten Einspielung von Johann Sebastian Bachs komplexem Orgelwerk hervorgetan, zuletzt in der dritten Folge mit einem auf der großen Silbermann-Orgel im Dom zu Freiberg gespielten Programm. Wie auf jener Platte ist es auch bei der nun in Rede stehenden vierten Folge das Instrument, das besondere Beachtung verdient: Suzuki spielt einen ersten Teil des berühmten Orgel-Büchleins auf der 1737 vollendeten Christoph Treutmann-Orgel der Stiftskirche St. Georg in Grauhof bei Goslar. Dieses für die Musik der Bach-Zeit überaus attraktive Instrument mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal wird immer wieder für ambitionierte Einspielungen älterer Orgelmusik herangezogen. Unter anderem hat Friedhelm Flamme im Rahmen seiner wunderbaren Reihe zum norddeutschen Orgelbarock Gesamteinspielungen der Orgelmusik zum Beispiel von Dietrich Buxtehude und Michael Praetorius hier realisiert. Es sind charaktervoll ausgeformte Register zu hören, im Pedal etwa ein wunderbarer 32-Fuß-Groß-Posaunen-Baß. Treutmann war wohl ein Schüler oder Mitarbeiter Schnitgers; der Grauhof-Auftrag erreichte ihn als beinahe 60jährigen, erfahrenen Meister seines Fachs. Überliefert ist mit diesem Instrument das bedeutendste Beispiel seines umfangreichen Schaffens. Die Zeitläufte haben es zudem eher gut gemeint mit der Orgel: Nur wenige marginale Eingriffe hatte sie mit wechselnden Moden über sich ergehen lassen müssen, der Substanzverlust in den einzelnen Stimmen war überschaubar, sodass eine grundlegende Restaurierung, von 1989 bis 1992 ausgeführt von der Firma Hillebrand aus Altwarmbüchen, die eindrucksvolle Überlieferung bis in die Gegenwart hinein sichern konnte.
Zum Programm
Masaaki Suzuki spielt hier einen ersten Teil des Orgelbüchleins – die Choräle für Advent, Weihnachten, Neujahr, Epiphanias und die Passionszeit mit den BWV-Nummern 599 bis 624. Form und Prinzip des Chorals haben – wie sonst nur bei den Kantaten und Passionen zu beobachten – Bachs Orgelschaffen entscheidend mitgeprägt. So war es auch in dieser wohl mit didaktischem Hintersinn aufgesetzten Sammlung der Fall, die – immerhin oder leider nur, die Perspektive kann da variieren – auf 45 Beiträge anwuchs. Der von Bach gewählte, ausführliche Titel weist den Weg: ‚Orgel-Büchlein, worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird, auff allerhand Arth einen Choral durchzuführen, anbey auch sich im Pedal studio zu habilitiren, indem in solchen darinne befindlichen Choralen das Pedal gantz obligat tractiret wird.‘ Christoph Wolff schreibt in seinem pointierten und besonders mit Blick auf das Orgel-Büchlein ertragreichen Einführungstext, dass es Bach nicht primär um die liturgische Anwendung der Sätze ging – dafür war Bach zu sehr Orgel-Souverän mit improvisatorischem Vermögen. Ihm ging es um etwas anderes, Zitat Wolff: ‚Offensichtlich war ihm vordringlich daran gelegen, ein Werkbuch zur Anregung und Erprobung der musikalischen Phantasie zusammenzustellen, und zwar in Form kompakter Kompositionen, die nicht auf freier thematischer Erfindung beruhen.‘ Das Ergebnis sind Miniaturen – nur wenige reichen über zwei Minuten Spielzeit hinaus – die dicht gestaltet sind, kontrapunktisch intrikat, jedenfalls alles andere als schlicht und immer wieder mit enormem Potenzial: Wie zum Beispiel im kaum 50 Sekunden in BWV 606 ‚Vom Himmel hoch, da komm ich her‘ eine volle, auch substanziell vollgültige Orgelwirkung entfaltet wird, ist schon meisterlich und von besonderer Qualität.
Gliedernd in das Programm eingefügt sind Präludium und Fuge a-Moll BWV 543 und c-Moll BWV 549, die den früh gereiften, Formen und Ausdrucksmöglichkeiten beherrschenden Komponisten zeigen.
Zur Interpretation
In der Person von Masaaki Suzuki verbinden sich organistisches Vermögen, Geläufigkeit und Technik auf Manual und Pedal mit der ausgreifenden Erfahrung des beinahe lebenslangen Bach-Interpreten: Suzuki wird heute mit guten Gründen als eine der großen Bach-Kapazitäten betrachtet. Er disponiert die Sätze klug, überfordert knapp formulierte Choräle nicht durch Überregistrierung, denkt und handelt in dieser Hinsicht zyklisch, die reichen Möglichkeiten der Orgel schrittweise entfaltend. Mit Blick auf die Registrierung, farbig und variantenreich, wie sie ist, lässt sich von der kunstvollen Vermählung von Instrument und kompositorischer Vorlage zum besten des Publikums sprechen. Dazu artikuliert Suzuki klar, gliedert die lineare Entfaltung dezidiert, lässt auch den kleineren Sätzen seine volle künstlerische Aufmerksamkeit zukommen. Er spielt in Tempi von gesammelter Frische, fließend zwar, aber nie gehetzt, vielmehr souverän und mit sicherem Gespür aus dem natürlichen choralen Puls gewonnen.
Das Klangbild sichert ein rundum überzeugendes Erlebnis: Hans Kipfer von Take5 Music Production ist es gelungen, zarte Konstellationen komplett und nie reduziert wirken zu lassen, gleichzeitig die Energie des Plenums mühelos aufzunehmen. Dazu kommt ein vernehmlicher, nie aber übermächtiger Raumanteil. Im grundsätzlich sehr gelungenen, dreisprachigen Booklet ist die Registerübersicht der Orgel beigegeben, dagegen keine trackgenauen Registrierungsangaben wie in manch anderer audiophilen Orgeleinspielung. Und man vermisst einen Porträttext zu diesem hochinteressanten Instrument.
Masaaki Suzuki setzt seine systematischen Bach-Erkundungen im Reich des Chorals fort, mit einem ersten Teil des Orgel-Büchleins. Es ist eine mustergültige Präsentation auf einem der Musik ebenbürtigen Instrument. Schon jetzt: Große Vorfreude auf die nächste Folge der Reihe.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach Organ Works: Masaaki Suzuki, Orgel |
|||
Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
7318599925417 |
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Bach, Johann Sebastian |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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