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Dienstag, 28. November 2023

Glazunov: Complete String Quartets - Utrecht String Quartet

Auf der Suche nach einer verlorenen Zeit


Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Alexander Glasunows aparte Streichquartette liegen nun endlich in einer Gesamteinspielung vor.

Der russische Komponist Alexander Glasunow (1865-1936) ist einer jener „bekannten Unbekannten“ der russischen Musik. Er war, wie Igor Strawinsky, Schüler von Rimski-Korsakow. Den modernen Strömungen, die von Mahler und Schönberg, Ravel, Strawinsky oder Skrjabin verfolgt wurden, stand er allerdings kritisch gegenüber. Wahrscheinlich war er zu spät auf die Welt gekommen. Er war in der Tat kein Revolutionär. Das war ihm bewusst. Zu Dimitri Schostakowitsch, den er unterrichtete, bemerkte er: „Ich finde seine Musik schrecklich. Aber das ist unwichtig. Die Zukunft gehört nicht mir, sondern diesem Jungen. Man muss ihm ein Stipendium besorgen.“ Dieses Urteil spricht für ihn.

Er gehörte zu den Frühbegabungen, die sich schon in jungen Jahren eine solide handwerkliche Basis vor dem Hintergrund erarbeitet hatten, die er mit nationalen Elementen der russischen Musik verband. Aus dieser fruchtbaren Verbindung resultieren bei allem Konservatismus durchaus spannende Kompositionen. Und natürlich bilden auch bei Glasunow die Streichquartette eine kompositorische Quintessenz von ganz eigener, aufregender Qualität: Die vorliegende CD-Box mit sämtlichen Streichquartetten Glasunows ist aus zwei Gründen spannend. Zum einen dokumentiert sie die kompositorische Entwicklung dieses bis heute unterschätzten Komponisten über einen Zeitraum von 1883 bis 1930, zum anderen dokumentiert sie die intensive Beschäftigung des Utrecht String Quartetts von 2003 bis 2011 mit diesem Komponisten

Was diese Einspielung so spannend macht, ist das brillante technische Vermögen der vier Instrumentalisten gepaart mit einem intelligenten Interpretationsansatz, der die Extreme liebt, aber auch positive Nüchternheit walten ließ. So entsteht ein Kammermusikklang, der unglaublich transparent ist, der das Letzte an Attacke aufweist, ohne dass forciert wird. Es entsteht ein merkwürdiges Hörerlebnis. Der Tenor der Interpretation ist auch in den virtuosen Passagen eine kontemplative Nachdenklichkeit, die stellenweise das Gefühl aufkommen lässt, als würde die Zeit stehen bleiben und sich gewissermaßen dehnen. Dem Schwebenden, der Ambivalenz des quasi aus der Zeit gefallen sein, die Glasunows Beitrag zur Gattung des Streichquartettes eigen ist, kommt das Utrecht String Quartett wirklich nahe. Man fühlt sich ganz eingehüllt in eine seltsam vertraute, aber gleichzeitig unwirkliche Musik. So, als würde man sich beim Lesen von Marcels Proust Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ eine Madeleine in den Tee tauchen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Glazunov: Complete String Quartets: Utrecht String Quartet

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Anzahl Medien:
MDG
5
Medium:
EAN:

CD
760623224527


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Glasunow, Alexander


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MDG

Die klangrealistische Tonaufnahme

»Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)

Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung.

Lifehaftigkeit

In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.

Musik entsteht im Raum

Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?

Die Aufnahme

Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.

Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen.


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