
Violin Unlimited - Baiba Skride, Violine
Deutsche Violinsolosonaten der Goldenen Zwanziger
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Baiba Skride erkundet die große Freiheit der Soloviolinmusik in der Nachfolge Regers.
Mit seinen Sonaten für Violine allein opp. 42 und 91 eröffnete Max Reger deutschen Geigern und deutschen Komponisten ungeahnte neue Ausdrucksmöglichkeiten. Einer seiner Schüler war Erwin Schulhoff, dessen viersätzige Sonate für Violine allein von 1927 jeden Reger-Einfluss hinter sich gelassen hat. Freitonal erkundet er expressive (oder expressionistische?) musikalische Regionen, die sich sein ehemaliger Lehrer nicht hätte vorstellen können. Auch Paul Hindemith, zeitlebens als Interpret ein begeisterter Regerianer, erweist sich in seiner Sonate op. 31 Nr. 2 von 1924 (seinem letzten Gattungsbeitrag), mit einem Variationen-Schlusssatz über 'Komm, lieber Mai' als tonal gebundener Expressionist, der der Solovioline die Fenster weit in die Natur öffnet. Philipp Jarnach, in jener Zeit Hindemith eng befreundet, hatte seine zweite Sonate für Violine allein op. 11 1913 gar 'Max Reger verehrungsvollst gewidmet'; seine Sonate op 13 entstand 1922 (im Vorfeld von Regers 50. Geburtstag 1923?) und ist von starker freitonaler Expressivität. Auch Eduard Erdmann kann man fraglos einen Regerianer nennen (das Reger'sche Klavierkonzert gehörte zu seinem Kernrepertoire als Pianist), und seine Sonate für Violine allein (1920-1), kurz nach seiner Alban Berg gewidmeten ersten Sinfonie entstanden, ist gleichfalls dem musikalischen Expressionismus zuzurechnen - und manche überbordende Figuration mag als humoristische Reflexion über Reger verstanden werden. Der langsame Satz ist von ähnlicher emotionaler Intensität wie vergleichbare Sätze Regers, der Schlusssatz zitiert fast unverhohlen typisch Reger'sche Rhythmik.
Die lettische Geigerin Baiba Skride wirft sich voller Verve in die Musik und bietet mitreißende, klanglich wohlausgewogene, spannende Wiedergaben, die aufnahmetechnisch vom Deutschlandfunk vorzüglich eingefangen worden sind. Die klangliche Vielfalt der 1920er-Jahre wird ebenso offenbar wie die Binnenbezüge und die Referenz (und Reverenz) zu Reger. Dass Reger in diesem Gattungsbereich für die deutsche Musikgeschichte ein wichtiger Einfluss war, wird zwar offenkundig, doch kennen wir bislang nur einen Bruchteil dessen, was vor hundert Jahren für diese Besetzung entstanden ist. Ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Musikgeschichte, gleichzeitig eine mitreißende CD der so schwierigen Musik für Violine allein.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Violin Unlimited: Baiba Skride, Violine |
|||
Label: Anzahl Medien: |
ORFEO 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790210513 |
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Erdmann, Eduard |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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