
Glazunov: Symphony No.7 - Niederrheinische Sinfoniker, Mihkel Kütson
Ohne hinreichenden Spannungsbogen
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine klanglich vorzügliche Einspielung bietet Alexander Glasunow nicht in hinreichender dramatischer Dichte dar.
Alexander Glasunow wird gerne ein wenig herablassend betrachtet – deutlich weniger profiliert scheint sein Schaffen auf den ersten Blick im Vergleich zu anderen russischen Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das tut der Raffinesse und dem Einfallsreichtum seines Schaffens keinen Abbruch. Und bedenkt man, welch illustre Riege an Schülern er hervorbrachte, sollte ihm allein auch deshalb Wertschätzung entgegengebracht werden.
Die Siebte Sinfonie in F-Dur op. 77 entstand 1902 und trägt den Beinamen ‚Pastorale‘ – doch ist er, trotz einiger Assoziationen an Beethoven, ebenso eigenständig darin, entsprechende Assoziationen zu entwickeln wie einige Jahre später Ralph Vaughan Williams oder noch später Alan Rawsthorne. Klangsprachlich ist das Werk überhaupt britischer Sinfonik dieser Zeit gar nicht so fern – besonders Hubert Parry kommt in den Sinn. Das substanzreiche viersätzige Werk ist gar nicht so leicht zu interpretieren, ist doch, trotz des teilweise kosmopolitischen Zuschnitts, eine spezifisch russische Komponente der Musik gleichermaßen inhärent. Leider gelingt es den Niederrheinischen Sinfonikern Krefeld Mönchengladbach unter seinem estnischen GMD Mihkel Kütson nicht, Glasunows speziellen Orchesterklang profiliert auszuarbeiten – zu oft bleibt die Wiedergabe charmant-virtuos ohne Schärfung des musikalischen Charakters. Gerade dadurch verliert die Musik einiges von ihrem besonderen Reiz – wenn auch das Andante an Stelle des langsamen Satzes die melancholische russische Seele durchblicken lässt.
Fehlender Überschwang
Drei einsätzige Orchesterwerke ergänzen das Programm – die beliebte symphonische Dichtung h-Moll ‚Stenka Razin‘ op. 13 von 1885 (die Druckausgabe ist dem Gedächtnis Borodins gewidmet), das ‚Poème lyrique‘ op. 12 (1884-7) und die Ouvertüre ‚Karneval‘ op. 45 von 1892. Mit der durchaus eigenen Instrumentationstechnik Glasunows kommt Kütson hier nur schwer zu Rande – zu häufig bleibt er im Moment stecken und entwickelt keinen großen auch klang-dramaturgischen Bogen. Dabei bietet Glasunow gerade in ‚Stenka Razin‘ einen Reichtum an Stimmungen und Klangeffekten, die seine Bedeutung als Orchestrator unmittelbar bewusst machen – doch ist hierzu ein spannungsvoller Zugriff erforderlich, der den Bogen das ganze Stück über aufrechterhält. Leichter fällt den Musikern vom Niederrhein das frühe ‚Poème lyrique‘ (Andantino), dessen Titel auf Tschaikowsky zurückgeht und das den Musikern vom Niederrhein ein wenig besser liegt – wenngleich auch hier die Integrierung der Blechbläser in den Gesamtorchesterklang nicht recht gelingen will. Der Ouvertüre fehlt der rechte Überschwang – die Interpretation bleibt ‚am Boden‘ und überwältigt höchstens durch Klangfülle, aber nicht durch musikalische Durchdringung und Innenspannung.
Die Surround-Aufnahmetechnik des Labels Dabringhaus und Grimm bietet ein beeindruckendes klangliches Erlebnis, das aber nicht über den zu geringen Gehalt der Interpretationen hinwegtäuschen kann.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Glazunov: Symphony No.7: Niederrheinische Sinfoniker, Mihkel Kütson |
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Label: Anzahl Medien: |
MDG 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
760623223568 |
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Glasunow, Alexander |
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MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
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