
Beethoven: Symphony No. 9 - Bayreuther Festspiele, Wilhelm Furtwängler
Es war so alt und klang auch so
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine restauratorisch und dokumentarisch merkwürdig lieblose Veröffentlichung einer weitverbreiteten Einspielung von Beethovens Neunter zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele 1951.
An Veröffentlichungen von Beethovens Neunter unter Wilhelm Furtwängler besteht nun wahrlich kein Mangel – dreizehn Einspielungen unter dem Dirigenten sind überliefert, und gerade auch der hier wiederveröffentlichte Mitschnitt von der Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele nach dem Krieg am 29. Juli 1951 ist in vielerlei Form auf Tonträger greifbar (gewesen) – auf CD allein auf EMI Great Recordings of the Century, Naxos, Orfeo d’Or oder Mythos (die Liste ist nicht vollständig). Die Einspielung wurde u.a. durch den Grand Prix du Disque ausgezeichnet und hat längst legendären Status erlangt. Die vorliegende Neuveröffentlichung auf SACD (Gesamtdauer der Platte 82’43) bietet neben der Aufführung auch die An- und Absagen des Bayerischen Rundfunks und des Schwedischen Rundfunks. Und sie bietet bei der Sinfonie eine Ausweitung der Monospur in Mehrkanalton, erhöht damit den räumlichen Effekt und die Transparenz der Aufführung.
Umso überraschender muss sein, dass auf restauratorische Maßnahmen das Klangmaterial betreffend verzichtet wurde. BIS veröffentlichen eine Digitalisierung der Rundfunkbänder durch den Schwedischen Rundfunk, die aber hinter den Möglichkeiten der heutigen Klangrestaurierung weit zurückbleibt. Es geht nicht um die Entfernung von Hustern oder ähnlichem, aber die Restaurierung von Magnetlöchern in den Bändern, die Revision des Frequenzrahmens etc. Schon für Naxos hat Mark Obert-Thorn gezeigt, was man selbst aus problematischem Bandmaterial herausholen kann, und da geht es überhaupt nicht um ein ‚brushing-up‘ des Klanges. Gerade im Fall einer SACD-Veröffentlichung muss man eine klangtechnisch erstklassige Aufarbeitung erwarten können, die hier leider nicht gewährleistet ist.
Bis zum Zerreißen spannend
Jede Digitalisierung macht auch die zahllosen Mängel der Interpretation im Detail deutlich (und derer gibt es im vorliegenden Fall unglaublich viele). Orchestrale und vokale Akkuratesse darf man nicht erwarten – wohl aber eine dramatisch bis zum Zerreißen spannende Wiedergabe. Umso merkwürdiger lahm setzt der Applaus nach dem Schlussakkord ein, um danach umso frenetischer zu werden – hörbar war der Pegel durch den BR am Ende der Aufführung zunächst etwas heruntergedreht.
Auch sonst ist die Veröffentlichung teilweise erratisch: Eine Porträtzeichnung Furtwänglers aus jungen Jahren ziert diese doch als ‚Altersinterpretation‘ zu bezeichnende Aufführung, während das Booklet die Bedeutung der Interpretation mit keinem Wort erkundet oder würdigt – stattdessen verlieren sich die Autoren in allfälligen Einlassungen zur Sinfonie und zu Furtwängler im Allgemeinen. Hier wurde rundweg eine Chance vertan, sowohl die Interpretation als auch ihren internationalen ‚Impact‘ nachhaltig zu erhellen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Beethoven: Symphony No. 9: Bayreuther Festspiele, Wilhelm Furtwängler |
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Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
7318599990606 |
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Beethoven, Ludwig van |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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