
Ewald Straesser: Werke für Violine & Klavier - Gudrun Höbold, Eri Uchino
Kammermusik aus dem Bergischen Land
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Engagiertes Plädoyer für einen weitgehend vergessenen Spätromantiker.
Zwei Konzessionen an den internationalen Markt macht das Cover Artwork der vorliegenden SACD – da dort wohl kaum jemand den aus Burscheid im Bergischen Land stammenden Komponisten kennen wird, zwei in meinen Augen unnötige Konzessionen, werden doch in seinen gar nicht so langen Nachnamen eigentlich zwei Unschärfen eingebaut: Ewald Sträßer (nicht Straesser – diese Schreibweise war zu Sträßers Lebzeiten nur bei dem Gebrauch von Versalien in Titeleien von Noteneditionen opportun) lebte von 1867 bis 1933 und war somit Zeitgenosse von Richard Strauss, Frederick Delius, Carl Nielsen oder Ferruccio Busoni. Sträßer studierte am Kölner Konservatorium bei Franz Wüllner, der für ihn Freund und Unterstützer wurde. Es war Wüllner, der ihn als Lehrer ans Konservatorium berief, und es war Wüllners Nachfolger Fritz Steinbach, der 1909 Sträßers erste Sinfonie in G-Dur op. 22 uraufführte (es sollten noch insgesamt fünf weitere folgen). Nachdem er 1917 sich entschlossen hatte seine Lehrtätigkeit aufzugeben und ganz dem Komponieren zu leben, doch nötigten ihn die wirtschaftliche Not der Zeit und der sich ändernde Zeitgeschmack, 1921 in Stuttgart die Kompositionsklasse am dortigen Konservatorium aufzunehmen.
Dies ist die zweite Produktion von Dabringhaus und Grimm, die sich Sträßers Schaffen widmet – diesmal werden fast alle Werke für Violine und Klavier vorgestellt, dazu die Suite e-Moll für Violine allein. Sträßers Schaffen für Violine und Klavier ist überschaubar – nach einem Arioso op. 13a für Violine von 1904 und den Drei Reigen op. 25 von 1912 folgte 1914 die Sonate D-Dur op. 32. Warum die Serenade D-Dur op. 26 (ebenfalls von 1912) nicht mit aufgenommen wurde, bleibt unklar. Vielleicht liegt es daran, dass in den Jahren bis 1912 Sträßers Stil in den beiden vorgestellten Werken mitunter sehr gefällig ist – handwerklich sicher, für die Hausmusik eher geeignet als für den Vortrag im Konzert.
Funkelnd und blitzend
Auch in der D-Dur-Sonate bleibt Sträßer der spätromantischen Harmonik zumeist verbunden, doch bietet er an verschiedenen Stellen auch überraschende Wendungen, die zwar für die damalige Zeit kaum mehr innovativ waren (vor allem ist sein Gebrauch von Dissonanz und Chromatik sehr gemäßigt), aber der Musik doch durchaus eigenen Charakter verleihen. Leider bleiben die Geigerin Gudrun Höbold und ihre Klavierpartnerin Eri Uchino der Musik zwar vom emotionalen und spieltechnischen Gehalt nichts schuldig – da funkelt und blitzt es, da gibt es feine lyrische und tief empfundene Momente. Dass die Interpretationen dennoch nicht als rundum maßstabsbildend bezeichnet werden können, mag an den verwendeten Instrumenten liegen, die der Musik keinerlei eigenen Charakter verleihen – dadurch bleibt ihr eine wesentliche Dimension verwehrt, die die Interpretinnen ohne Schwierigkeiten hätten bieten können.
Mit am spannendsten ist die Suite e-Moll für Violine allein, die 1926 entstand und erst 2021 im Druck erschien. Man ist versucht an Max Regers Äußerung in Zusammenhang mit seinen Kompositionen für Solostreicher allein zu denken: „Da muss man spinnen können (Melodie nämlich).“ Das können Sträßer und Höbold gleichermaßen, und die besonders intensive Auseinandersetzung mit der Musik (sie war an der Vorbereitung der Edition tatkräftig beteiligt) tut der Interpretation hörbar gut. Die vier Sätze – Präludium und Fuge, langsamer Satz und Gigue – spielen in der Materialverarbeitung virtuos mit Erwartungen und zeigen sich als Kinder ihrer Zeit.
Klanglich ist die Interpretation einem Konzert mindestens ebenbürtig, und die Bookleteinlassungen sind informativ, wenn auch einen Hauch zu wenig objektiv.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Ewald Straesser: Werke für Violine & Klavier: Gudrun Höbold, Eri Uchino |
|||
Label: Anzahl Medien: |
MDG 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
760623222868 |
![]() Cover vergössern |
MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag MDG:
-
Auf der Suche nach einer verlorenen Zeit: Alexander Glasunows aparte Streichquartette liegen nun endlich in einer Gesamteinspielung vor. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Vergessene Symphonik neu belebt: Hermann Bäumer und das Osnabrücker Symphonieorchester überzeugen mit einer Gesamtaufnahme der Symphonien von Josef Bohuslav Foerster. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Herber Charme: In einer neuen Edition widmet sich das Beethoven Orchester Bonn Bläseroktetten und Sextettet, es dirigiert Lorenzo Coppola. Beethoven wird hier kombiniert mit Grétry und Reicha. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Jugendliche Größe in der Musik: Henry Raudales und das Münchner Rundfunkorchester brillieren mit Mendelssohns sämtlichen Streichersymphonien. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Auf der Suche nach einer verlorenen Zeit: Alexander Glasunows aparte Streichquartette liegen nun endlich in einer Gesamteinspielung vor. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Großes Violinkonzert – großartig interpretiert: Ewelina Nowicka und das Polish National Radio Symphony unter Zygmunt Rychert meistern (unbekannte) Violinwerke von Ludomir Różycki. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich