
Strauss / Reger: Lieder mit und ohne Worte - Sheva Tehoval, Sopran und Georg Michael Grau, Klavier
Versäumnisse
Label/Verlag: TYXart
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit Max Regers Klaviertranskriptionen von Liedern Richard Strauss' wird hier wenig verständnisvoll umgegangen.
Zur Aneignung im häuslichen Musizieren gab es vor hundert Jahren unterschiedlichste Formate: das kammermusikalische Musizieren, die Musik am Klavier für zwei und vier Händen, das Lied – und auch die Reduktion von Vokalmusik aufs Klavier ‚mit unterlegtem Text‘ für all jene, die nicht singen konnten. Zu den Komponisten, die sich um 1900 auch in diesem Feld verdient gemacht haben, zählt Max Reger, der Lieder von Brahms, Wolf, Strauss und Adolf Jensen für Klavier solo bearbeitet hat (außerdem langsame Sinfoniesätze von Brahms, gleichfalls für Klavier solo). Die Strauss-Transkriptionen entstanden als erste 1899 bzw. 1903 – das erste der zwei Hefte mehr oder minder im Auftrag des Älteren, der so Reger seinem alten Verlag Jos. Aibl empfahl.
Leider erweist das CD-Booklet totale Ignoranz des gegenwärtigen (im Grunde reichen) Kenntnisstandes, behauptet beispielsweise, Regers (wörtliche!) Transkriptionen seien ‚freie, Brillante Klavierfassungen‘. Das Gegenteil ist der Fall – Reger erweist sich als bescheidener Diener der ihm vorgegebenen Musik. Später wird er (etwa im Fall der Brahms- oder Wolf-Transkriptionen) seinen Verleger Henri Hinrichsen (C. F. Peters) darauf hinweisen, wenn Lieder zur Transkription für Klavier allein vielleicht besonders oder auch gar nicht geeignet wären, doch auch hier bleibt er in seinen Eingriffen verhältnismäßig zurückhaltend, verlegt die Singstimme in den Klavierpart und bemüht sich um ausgewogene Klaviertexturen.
Versäumnisse
Regers Anweisungen sind sehr klar, besonders was die Dynamik angeht – doch leider kümmert sich Georg Michael Grau wenig um diese essenziellen, genau einzuhaltenden Schattierungen, sondern spielt häufig seine eigene Version, der es an Poesie und Verständnis für die Originallieder wie für Regers Einrichtung nicht selten fehlt; das, was Reger plastische Herausarbeitung nannte, findet häufig nicht statt. Auch versäumt Grau es gelegentlich, die hervorzuhebenden Linien (die nicht immer nur die Gesangslinien sind) hinreichend ‚in Szene zu setzen‘. Dazu springt der Flügel nicht an allen Stellen gleich gut an, eine kohärente Linienführung der Harmonik ist nicht immer gewährleistet. Für ein erstes Kennenlernen dieser Stücke ist diese Einspielung geeignet, gleichzeitig aber auch als Abschreckung, wie weitgehend der Geist des Notentextes ignoriert werden kann. Auch der Pedalgebrauch unterstützt nicht immer die Klarheit des Notierten. In ‚Heimliche Aufforderung‘ gar geraten über Teile der Klaviertextur klangfarblich denkbar uninteressant (und weicht denkbar weit in der Dynamik von der Vorgabe ab) – was das Lied zur musikalischen unterschwelligen Ekstase macht, wird nicht hörbar (bei ‚Doch hast du das Mahl genossen‘ verliert sich der Pianist in erratischen Rubati, die niemand vorgesehen hat).
Die zweite Hälfte der CD bietet nicht etwa Lieder von Strauss und Reger (bzw. nur im Bonustrack die von Reger meistgehasste ‚Waldeinsamkeit‘), wie das Cover nahelegen könnte, sondern nur zwölf Strauss-Lieder, deren Auswahl sich gerade in Bezug auf Reger als fast gänzlich wahllos erweist – bedingt offenkundig aus der bereits erwähnten Unkenntnis der im Grunde spannenden Situation, dass Reger nämlich vierzehn Liedtexte, die auch Strauss vertont hat, auch komponiert hat (darunter sieben, die er für Klavier transkribiert hatte) – einige wenige von ihnen sogar bevor Strauss sich der Gedichte annahm. Dass beide Komponisten das Schaffen des jeweils anderen kannten und häuffig schätzten, ist gut belegt – Reger widmete zu Beginn und gegen Ende seiner Tätigkeit als Orgelkomponist Strauss jeweils ein Werk und teilte sich mit ihm 1915 die Leitung eines Orchesterkonzertes in Berlin. Nur eines der Gedichte, die auch Reger vertont hat (‚Hat gesagt – bleibt’s nicht dabei‘), finden wir hier – dazu als Dublette zur Klavierfassung ‚Du meines Herzens Krönelein‘, mit dem Reger bekanntlich seine berühmten Schlichten Weisen op. 76 eröffnete.
Die Sopranistin Sheva Tehoval, mit gut anspringender Stimme in allen Registern und charmantem Vortrag, verfügt über ein sehr beschränktes Spektrum an Klangfarben – ihr Gesang ist klangschön, ihre Textverständlich vorbildlich, aber vom Timbre leider etwas wenig mehrdimensional. Hier reduziert sich Grau auf dezente Klavieruntermalung – von einer musikalischen Partnerschaft im besten Sinne kann nicht die Rede sein. Gäbe es nicht so viele Vergleichseinspielungen, würde diese Darbietung ausreichen. Dies ist aber nicht der Fall. Aufnahmetechnisch klingen die Lieder nicht ganz natürlich – möglicherweise wurde nicht ganz optimal mikrofoniert.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss / Reger: Lieder mit und ohne Worte: Sheva Tehoval, Sopran und Georg Michael Grau, Klavier |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
TYXart 1 66:23 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4250702801320 TXA19132 |
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Reger, Max |
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"CD "Strauss - Reger" |
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