
Verdi: Messa da Requiem - ORF Vienna Radio Symphony Orchestra, Leif Segerstam
Aus Zeiten problematischer ORF-Aufnahmetechnik
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ein Verdi-Requiem in einem Mitschnitt von 1980, das nur in einigen Einzelleistungen überzeugt.
Als Dirigent von Chormusik war uns Leif Segerstam kaum im Bewusstsein. Dass in Rundfunkarchiven spannende und erhellende Einspielungen unter seiner Leitung liegen, überrascht angesichts seiner großen Produktivität hingegen kaum. Der vorliegende Mitschnitt von Giuseppe Verdis Requiem stammt aus der Stiftskirche Herzogenburg vom 3. Oktober 1980 – aus jener Zeit mithin, da Segerstam Leiter des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien war. Der ORF Chor stand zu dieser Zeit bereits seit fast 25 Jahren unter der Leitung Gottfried Preinfalks, der zum Zeitpunkt dieses Konzertmitschnitts bereits das Rentenalter erreicht hatte – leider hatte sich in Sachen Chorkultur und interpretatorische Sorgfalt bereits ein gewisses Laissez-faire breitgemacht, das gleichwohl beeindruckende Momente (etwa im 'Dies irae') nicht ausschließt. Segerstam formt den Orchesterklang differenziert und dramatisch, auch wenn die Aufnahmequalität als stark beeinträchtigend bezeichnet werden muss; hörbar ist die Mikrofonierung misslungen, doch nicht nur dies – auch die Balance in Chor und Orchester sowie die Balance zwischen Chor und Soli ist missglückt.
Bedenkliches Geschenk
Man tut gut daran, von der Aufnahmetechnik stark zu abstrahieren – nur so kann man die Qualität des Solistenquartetts angemessen würdigen. Júlia Várady bietet den Sopranpart ganz ohne Allüre und mit vollem Ensemblegeist, fern aller Operndrastik. Hiervon können sich die Mezzosopranistin Alexandrina Milcheva und der Bassist Nicola Ghiuselev nicht ganz frei machen – zwar ergeben sich auch hier beeindruckende Ensemblemomente, doch vermeint man auch den Opernmeister Verdi um die Ecke lugen zu sehen – ganz besonders im Falle Ghiuselev, der seine Karriere als Opernsänger nicht vergessen kann und fast immer mit zu dickem Pinsel aufträgt. Alberto Cupido, wie Milcheva auf Tonträger eher vernachlässigt, zeigt, dass er in seiner Zeit durchaus als Alternative für die Drei Tenöre in Frage kam, wenn auch seine Tongebung an entscheidender Stelle (‚statuens in parte dextra‘) womöglich etwas zu offen war. So sucht man nachgerade nach den Beiträgen Váradys, die sich nicht nur in der Studioaufnahme unter Michel Plasson (dort in eher französischem Understatement) wie auch in verschiedenen im Internet zu findenden Rundfunkmitschnitten (darunter einem höchst spannenden von den Berliner Festwochen 1988 unter Herbert von Karajan) als wohl überzeugendster Beitrag der ganzen Aufführung erweist. So ist diese Veröffentlichung wohl auch als Geschenk zu ihrem 80. Geburtstag gedacht – ein eher bedenklich zu nennendes Geschenk, da der Gesamteindruck ein durchaus zwiespältiger bleibt.
Das Booklet berichtet nichts über diese spezielle Aufführung, ist hingegen merkwürdig unpersönlich einerseits und werbelastig andererseits – nicht jene Qualität, die in der Vergangenheit Orfeo-Produktionen auszeichnete. Vor allem aber wegen der problematischen Klangkomponente wird diese Veröffentlichung angesichts höchstkarätiger Konkurrenz einen schweren Stand haben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Verdi: Messa da Requiem: ORF Vienna Radio Symphony Orchestra, Leif Segerstam |
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Label: Anzahl Medien: |
ORFEO 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790212326 |
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Verdi, Giuseppe |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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