> > > Andriessen: Miroir de Peine: Roberta Alexander, Netherlands Radio Chamber Orchestra, David Porcelijn
Sonntag, 1. Oktober 2023

Andriessen: Miroir de Peine - Roberta Alexander, Netherlands Radio Chamber Orchestra, David Porcelijn

Ausgegraben


Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Wiederveröffentlichung von Aufnahmen aus den 1990er-Jahren schließt eine empfindliche Lücke in der Andriessen-Diskografie.

1991 und 1997/98 entstanden die hier wiederveröffentlichten, lange vergriffenen Einspielungen von Musik Hendrik Andriessens (1892–1981) mit dem 2005 aufgelösten Radio Kamerorkest der Niederlande. Ernest Bour, Ton Koopman, Peter Eötvös und zuletzt Frans Brüggen haben das Orchester geprägt, so dass eine große stilistische Flexibilität möglich war. Andriessens Musik wird außerhalb der Niederlande fast gar nicht gespielt geschweige denn eingespielt, und David Porcelijns cpo-Reihe mit dem Nederlands Symfonieorkest ist eine Fortsetzung der ursprünglich bei NM Classics erschienenen CDs (nur im Falle der Kuhnau-Variationen kommt es zur Duplizierung).

Schmerzliche Zerbrechlichkeit

Porcelijn profiliert sich schon hier als Andriessen-Dirigent, nicht nur mit den Kuhnau- und Couperin-Variationen und den Chromatischen Variationen, sondern auch mit Orchesterliedern, bei denen Roberta Alexander die Solistin ist. Der fünfsätzige Liederzyklus 'Miroir de Peine' auf Gedichte von Henri Ghéon über das Leiden Christi aus der Perspektive Marias entstand 1923 (1933 orchestriert) und vereint symbolistische, impressionistische und Aspekte der gregorianischen Kirchenmusik, und Alexander bieten ihn mit schmerzlicher Zerbrechlichkeit (leider fehlen die Liedtexte im zweisprachigen Booklet). Auch die Lieder 'Magna rex est amor' (1919) und 'Fiat Domine' (1920/30) auf Texte Thomas a Kempis‘ sind geistliche, hier zugleich aber auch sensuelle Kompositionen (ursprünglich mit Orgelbegleitung) mit Nähe zu französischen und belgischen Traditionen.

Die neoklassischen Kuhnau-Variationen (1935) bietet Porcelijn mit stärkerer Intensität als in der cpo-Neueinspielung, während er bei den 1944 entstandenen Couperin-Variationen, in einer Zeit, da Andriessen von den Nazis seiner Ämter enthoben war, den dekorativeren denn den expressiven Aspekt der Musik hervorhebt. Da überzeugen die Chromatischen Variationen (1970) nicht zuletzt durch expressiveren Streicherzugriff mehr.

Die zweite CD unter dem Dirigat Thierry Fischers versammelt vier Konzertkompositionen Andriessens aus späterer Zeit. Hier ist der expressive Gestus der Musik noch stärker herausgearbeitet als in den Einspielungen unter Porcelijn, gleich ob im zweisätzigen Concertino für Cello und Orchester (1970, Solist Michael Müller) oder dem dreisätzigen Violinkonzert (1968/69, Solistin Tinta S. von Altenstadt). Da gibt es keine Äußerlichkeiten, Virtuosität oder Kontrapunktik sind nie Selbstzweck, alles ist auf die musikalische Aussage hin bezogen. Fischer erweist sich als Andriessen-Dirigent höchster Grade, der die feinen Farbschattierungen der Musik, das Changieren der emotionalen Komponente mit Gusto und doch leichter Hand auszuarbeiten weiß. Im langsamen Satz des Concertino für Oboe und Streichorchester (1969/70, Solist Henk Swinnen) kommt der nachdenklich-melancholische Aspekt in Andriessens Schaffen ungefiltert zum Ausdruck, während der Mittelsatz des Violinkonzerts stärker auch mit Klangfarben spielt. Vielleicht am leichtesten zugänglich ist die düstere Canzina für Cello und Orchester (1965), unter Verwendung strengerer kontrapunktischer Techniken und gleichzeitig mit mitunter unerwarteten harmonischen Zuspitzungen.

Die Einspielungen haben den Test der Zeit gut bestanden, aufnahmetechnisch gibt es nichts zu kritteln, Balance und Tiefendimension sind tadellos. Ein weiterer Beweis, dass es nicht immer Neuaufnahmen braucht, um Repertoirelücken zu schließen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Andriessen: Miroir de Peine: Roberta Alexander, Netherlands Radio Chamber Orchestra, David Porcelijn

Label:
Anzahl Medien:
Brilliant classics
1
Medium:
EAN:

CD
5028421961057


Cover vergössern

Andriessen, Hendrik


Cover vergössern

Brilliant classics

Brilliant Classics steht für hochwertige Klassik zu günstigen Preisen!

Mit den Veröffentlichungen von komplettierten Gesamtwerks- Editionen und Zyklen berühmter Komponisten, hat sich das Label erfolgreich am Musikmarkt etabliert. Der Klassikmusikchef, Pieter van Winkel, ist Musikwissenschaftler und selbst Pianist. Mit seinem professionellen musikalischen Gespür für den Klassikmarkt, hat er in den letzten Jahren ein umfangreiches Klassikprogramm aufgebaut. Neben hochwertigen Lizenzprodukten fördert er mit Eigenproduktionen den musikalischen Nachwuchs und bietet renommierten Musikern eine ideale Plattform.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...


Von Dr. Jürgen Schaarwächter zu dieser Rezension empfohlene Kritiken:

  • Zur Kritik... Nicht in letzter Konsequenz: Klanglich ist diese Einspielung opulent, aber David Porcelijn kostet den inneren Gehalt von Hendrik Andriessens Orchestermusik nicht vollständig aus. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, 09.05.2020)
  • Zur Kritik... Episodenweise: Die dritte Folge der Andriessen-Reihe von CPO bietet eine hörenswerte Dritte Sinfonie, die von den Interpreten allerdings ein wenig zu dezent und distanziert angegangen wird. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, 14.06.2015)

Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Brilliant classics:

blättern

Alle Kritiken von Brilliant classics...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Henri Bertini: Nonetto op.107 in D major - Allegro vivace

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich