
Werke von Camille Saint-Saens - Orchestre Philharmonique Royal de Liege, Jean-Jacques Kantorow
Neue Referenz
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die erste Folge von Jean-Jacques Kantorows Gesamteinspielungen der Sinfonien von Camille Saint-Saens ist ein voller Erfolg.
Seit fast dreißig Jahren widmet sich Jean-Jacques Kantorow der Musik Camille Saint-Saëns‘, sowohl als Geiger (für Denon) als auch als Dirigent (für EMI und BIS). Die vorliegende erste Folge seiner Gesamteinspielung der Sinfonien umfasst die Sinfonien Nr. 1 und 2 opp. 2 und 55 (1853 bzw. 1859) sowie die frühe Sinfonie A-Dur von ca. 1850. Damit dupliziert sie die Zweite Sinfonie sowie die A-Dur-Sinfonie in Kantorows Diskografie (er hatte sie bereits 1996 bzw. 1998 – ebenfalls für BIS – mit der Tapiola Sinfonietta eingespielt). Diesmal dirigiert Kantorow das Orchestre Philharmonique Royal de Liège.
Die große Zuneigung, die Kantorow und sein Orchester der Musik gegenüber verspüren, resultiert in vorzüglichen Interpretationen, die jedem der drei Werke nicht nur klares Profil, sondern vor allem auch einen eigenen Charakter verleihen. Die (ungezählte) A-Dur-Sinfonie des rund Fünfzehnjährigen ist gleichzeitig Hommage an die Vergangenheit (man hört klar Beethoven und Mozart, aber auch Schumann und Mendelssohn) wie Versprechen auf die Zukunft. Saint-Saëns‘ spezifische Orchestrierung ist schon an verschiedenerlei Stellen klar hörbar, und Kantorow betont die Jugendfrische des Werks, das der Komponist selbst sicher kaum aufgeführt hätte hören wollen. Höhepunkt der Interpretation ist möglicherweise das überaus transparent musizierte Finale, das an Inspiriertheit Kantorows frühere Interpretation weit hinter sich lässt. Die BIS-SACD-Klangtechnik bietet im Vergleich zu den beiden älteren Gesamteinspielungen unter Jean Martinon und Marc Soustrot (EMI/Warner bzw. Naxos) eine regelrechte Offenbarung, die Saint-Saëns‘ Texturen erstmals rundum klar offenkundig macht. Dass die Klangfarben von Fagott und Klarinette zu Beginn des langsamen Satzes dennoch etwas weniger charaktervoll erscheinen als in den früheren Produktionen, mag an dem spezifischen Orchesterklang liegen (die Raffinesse der Texturen macht dieses Manko aber mehr als wett).
Die Es-Dur-Sinfonie op. 2 ist die längste der drei frühen Sinfonien, zeigt auch den Achtzehnjährigen noch nicht ganz auf seinem eigenen Weg angekommen. Interessanterweise scheint Kantorow seine Interpretation etwas auf der klassischen Einspielung Martinons zu modellieren – die Dauern stimmen fast sekundengenau überein. Wo aber Martinon etwas matt bleibt, kann das Orchester aus Liège alle Farben aus der Partitur herausarbeiten, abermals nicht zuletzt das Verdienst der SACD-Aufnahmetechnik – selbst in feinen Pianissimo-Passagen ist die Klarheit der Texturen stets gewährleistet, hat die Musik gleichzeitig einen dramaturgisch klugen Schwung, mit vielen hinreißenden Details, etwa den Holzbläsersoli im 'Marche-Scherzo'. Im Gegensatz zu Georges Prêtres anonsten durchaus empfehlenswerter Einspielung mit den Wiener Symphonikern (Erato) übertreibt Kantorow im Finale aber nicht die Tempi – hier eröffnet der Satz wahrlich Allegro maestoso, nicht Vivace.
Auch die interpretatorisch nicht ganz einfache a-Moll-Sinfonie op. 55 des mittlerweile 24-jährigen Saint-Saëns gelingt Kantorow und seinem Orchester in einem Guss, ohne langeweilig zu werden. Die besonderen Texturen des Werkes und die vielfältigen kontrapunktischen Strukturen, die vielfältigen solistischen Komponenten, die dem Ganzen inkorporiert sein müssen, all dies zusammenzufassen gelingt mit großer Überzeugung und dennoch leichter Hand. Kantorows Interpretation ist nach Kenntnis des Rezensenten die straffeste, ohne überhetzt oder undifferenziert zu klingen – vielmehr bleibt die Frische, die der frühen A-Dur-Sinfonie unterlegt wurde, auch hier noch präsent. Plötzlich hören wir Saint-Saëns als Zeitgenossen Brahms‘ und Massenets – also als genau der, der er war. Spätestens diese a-Moll-Sinfonie erweist Saint-Saëns als veritablen wichtigen Sinfoniker des 19. Jahrhunderts, und die vorliegende Produktion als neue Referenzeinspielung der drei Werke.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Werke von Camille Saint-Saens: Orchestre Philharmonique Royal de Liege, Jean-Jacques Kantorow |
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Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
7318599924601 |
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Saint-Saens, Camille |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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