
Rachmaninoff: Symphony No.2 - London Symphony Orchestra, Simon Rattle
Wege nach Innen
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Simon Rattle und die 2. Sinfonie von Rachmaninow in der ungekürzten Fassung.
Sergei Rachmaninow komponierte seine zweite Sinfonie in den Jahren 1906/07 in Dresden. Nachdem die Uraufführung der ersten Sinfonie am 15. März 1897 in St. Petersburg zum Desaster geriet, fiel Rachmaninow in eine tiefe seelische Krise, über die er später feststellt: „Ich glich einem Menschen, den der Schlag getroffen hatte und dem für lange Zeit Kopf und Hände gelähmt waren.“ Die Komposition der zweiten Sinfonie wurde von starken Selbstzweifeln begleitet. Die Uraufführung 1908 in Petersburg war glücklicherweise ein Erfolg, gleichwohl wird dieses Werk bis heute von zahlreichen stereotypen Urteilen, wie „Aushängeschild russischer Schwermut“ usw. begleitet.
Mit seiner Einspielung dieser Sinfonie legt Sir Simon Rattle ein beeindruckendes Klangdokument vor und räumt mit einigen Vorurteilen auf. Gespannte, wache Ruhe lässt die Partitur quasi neu erklingen. Resultat einer Herangehensweise, die vertraut auf die Sprachkraft einer genau und ruhevoll ausartikulierten Musik. Das Vertrauen erwächst auch auf einem mit Rattles Intentionen mehr als nur sympathisierenden Klangkörper. Rattle entwickelt ein leidenschaftliches, vorwärtstreibendes Pathos, das um so mehr überzeugt, als es nicht einer primär hitzigen Annäherungsweise entspringt. Besonnenheit und weiter Atem sind es, die den Formverlauf strukturieren und ihren Erlebnisgehalt bestimmen.
Souverän gemeistert
Bestes Beispiel die Gestaltung des Beginns des ersten Satzes: Aus der eher beiläufigen, nahezu unauffälligen Intonation der ersten Takte entfaltet sich wie aus einem altertümlichen Soggetto unter dem subtilen Dirigat Rattles das thematische Material in unerhörte Metamorphosen. Das Motto erweist sich hier als melodisches Substrat, das mit seinen Partikeln und Derivaten die ganze Symphonie durchdringt, wobei es Rattle gelingt, hinter der opulenten Klangpalette auch die kontrapunktische Kunstfertigkeit in Klang umzusetzen. Rattle legt einen imponierenden Reichtum an Farben, Stimmungen und strukturellen Abläufen frei, wie man sie allzu selten geboten bekommt. Der langsame dritte Satz, quasi ein Nachhall spätromantischer Sinfonik im Geiste Tschaikowskys, wird zum Zeugnis einer exemplarischen Exegese, die den hochexpressiven Grundzug dieses Satzes auf ein höheres Niveau hebt, das weit entfernt ist von Klischees. Von Brahmscher Dignität ist der Übergang vom Adagio zum Allegro vivace des vierten Satzes, an dessen Emphase Rattle keine Abstriche macht. Das London Symphony Orchestra musiziert ohne Abstriche auf höchstem Niveau.
Ein klanglich fast perfekter Konzert-Mitschnitt, vielleicht auch daher der durchgehende Atem dieser Interpretation der ungekürzten (!) Fassung. Nur in dieser Fassung wird der subtile und kunstvolle Aufbau dieses Werkes nachvollziehbar. Fazit: Referenzcharakter.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Rachmaninoff: Symphony No.2: London Symphony Orchestra, Simon Rattle |
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Label: Anzahl Medien: |
LSO Live 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
822231185123 |
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Rachmaninoff, Sergej |
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