
Franz Léhar: Cloclo - Chor des Léhar Festivals Bad Ischl, Franz Léhar Orchester, Marius Burkert
Ein regelrechter Knaller
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit dieser Veröffentlichung von Franz Lehárs viel zu lange vernachlässigter Operette 'Cloclo' ist dem Label cpo ein wirklicher Knaller gelungen und den Festspielen in Bad Ischl, wo der Mitschnitt im August 2019 entstanden ist, allemal.
Mit dieser Veröffentlichung von Franz Lehárs viel zu lange vernachlässigter Operette 'Cloclo' ist dem Label cpo ein wirklicher Knaller gelungen – und den Festspielen in Bad Ischl, wo der Mitschnitt im August 2019 entstanden ist, allemal. Man möchte sagen: ‚Überzeugender geht’s nicht!‘ Hier stimmt einfach alles, weil ein turbulentes und kurzweiliges Werk auf temperamentvolle und stilistisch versierte Künstler trifft. 'Cloclo' macht Spaß von der ersten bis zur letzten Sekunde. Und neben der zu genießenden Ohrwurmflut ist diese Produktion auch eine Herausforderung für die Lachmuskeln.
Während Franz Lehár schon an 'Paganini' arbeitete, der eine Kehrtwende zur lyrischen Operette mit Unhappy-End markieren sollte, bekannte er sich noch einmal zur schmissigen Boulevard-Operette mit glaubhaft gezeichneten Charakteren und griffigen Typen. So entstand in den Jahren 1923 und 1924 der Dreiakter 'Cloclo', der in Wien seine Uraufführung erlebte und einen stattlichen Erfolg verzeichnen konnte. Die Geschichte um die notorisch an der Grenze zur Pleite lebenden Pariser Tänzerin Cloclo ist voll von absurden und explosiven Situationen, die sekündlich für Überraschungen sorgen. Cloclo liebt den jungen Maxime, der aber eigentlich anderweitig eine Beziehung führt, während Cloclo versucht, bei einer älteren Amourschaft Geld abzuzwacken. Diese Amourschaft heißt Cornichon und ist ein angesehener Provinzbürgermeister. Cloclo nennt ihn neckend Papa, was Cornichons nichtsahnende Ehefrau auf den Gedanken bringt, es handle sich bei Cloclo tatsächlich um eine uneheliche Tochter. Prompt nimmt sie das Mädchen bei sich auf und die Turbulenzen sind nicht mehr aufzuhalten. Mondäne Pariser Erotik trifft auf provinzielles Spießertum, Halbseidenes auf moralisch Betuchtes, Alt auf Jung und überhaupt tanzen die Hormone Walzer, Foxtrott und Tango.
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In Bad Ischl hat man sich im Sommer 2019 der 'Cloclo' mit viel Liebe zum Genre und zu Lehárs augenzwinkernder Musik angenommen. Die letzte Produktion im deutschsprachigen Raum ist für 1971 in Dresden verbucht – es wurde also höchste Zeit. Die großen Dialogsequenzen sind für die Aufführungen in Ischl klug gekürzt worden, ein Erzähler – hier der eloquente Frank Voß – gibt trocken die Regieanweisungen zum Besten. Das verpasst der ohnehin komischen Handlung eine wunderbar ironische Note. Um ein paar wenige komplizierte szenische Vorgänge ist es freilich schade, aber für diese temporeiche Komik müsste eine entsprechende Bühnenrealisation folgen. Für eine rein akustische Dokumentation ist die hier verwendete Version wasserdicht und äußerst unterhaltsam.
Marius Burkert bringt die Schönheiten von Lehárs Partitur mit seinem Franz Lehár-Orchester zum Blühen. Rhythmisch prägnant, mit der richtigen Prise Feuer und Schmiss bringt er einen Hit nach dem anderen zum Leuchten, versteht es aber ebenso, die lyrischen, zarten Momente glaubhaft zu stützen.
Das herrliche Solistenensemble wird von Sieglinde Feldhofer in der Titelpartie angeführt. Ihr Sopran besitzt das nötige Volumen und die Glut, die Mittellage ist klangstark und die Höhe organisch daraus entwickelt. Charmant und lebendig verkörpert sie eine Cloclo, die man nicht so schnell vergisst. Dass sie im gesprochenen Dialog nicht dieselbe Natürlichkeit entwickelt wie im Gesang, fällt kaum ins Gewicht. Viel zu eloquent und einnehmend ist ihr Gesang, gepaart mit hervorragender Artikulation. Ebenbürtig steht ihr der Cornichon von Gerd Vogel mit sonorem Bariton und komödiantischer Leichtigkeit zur Seite. So edel besetzt hört man die ‚älteren Operettenherren‘ selten. Daniel Jenz beeindruckt durch seine Direktheit im Dialog und seine ausnehmend gepflegte tenorale Kunst, die auch eine gewisse Steifheit mit sich bringt. Rollendeckend und überzeugend ist Jenz aber fraglos.
Schon bei der Uraufführung stahl eine Wiener Starinterpretin in der Rolle der Gattin Melousine Cornichon allen anderen fast die Show. Auf ähnlichen Pfaden wandelt hier die singende Schauspielerin Susanna Hirschler. Sie ist schlicht eine Wucht. Schmerzfrei und mit einer enormen Verdrängung zieht sie alle Register. Es wird gejuchzt, geröhrt, geblökt und umgarnt. Hirschler ist eine schonungslose Komödiantin, die tatsächlich für die meisten Lacher sorgt. Die Gesangspassagen liegen ihr zwar nicht optimal in der Kehle, aber das wäre die falsche Anspruchskategorie. Hirschels Melousine ist ein unschlagbares Gesamtpaket.
Der feinsinnige Spieltenor Riccardo Frenzel Baudisch gestaltet den Klavierlehrer Chablis mit herzzerreißendem Enthusiasmus und Matthias Störmer weiß seine effektvolle Szene als Polizist Petipouf optimal zu nutzen. Der Chor des Lehár Festivals Bad Ischl ergänzt stimmstark die entsprechenden Nummern, wobei hier die zahlreichen Chorsoli leider nicht namentlich im Booklet aufgelistet sind. Das ist gerade angesichts einer so stimmigen und begeisternden Doppel-CD ein deutliches Versäumnis. Diese 'Cloclo' ist ein Muss für alle Operettenfans und noch viel mehr für alle mutigen Bühnen, die trotz unbekanntem Titel einen Publikumsrenner suchen.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Franz Léhar: Cloclo: Chor des Léhar Festivals Bad Ischl, Franz Léhar Orchester, Marius Burkert |
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Label: Anzahl Medien: |
cpo 2 |
Medium:
EAN: |
CD
761203770823 |
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Lehár, Franz |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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