
Songs of farewell - The Choir of Westminister Abbey, James O'Donnell
Im gewohnten Repertoire
Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Hyperion greift bei der Erkundung englischer Kirchenmusik nicht mehr auf Unbekanntes zurück.
Zur Zeit der Gründung des Labels Hyperion 1980 herrschte so etwas wie Aufbruchsstimmung auf dem Tonträgermarkt – nicht nur hier, sondern auch sonst. Die Möglichkeiten der digitalen Aufnahmetechnik wurden gerade bei Hyperion zumeist mit hochkarätigen Interpretationen gepaart, von denen viele bis heute ihren Referenzstatus nicht eingebüßt haben.
Warum also die hier vorliegende CD, auf der ausschließlich Repertoire zu finden ist, das im Hyperion-Katalog zum großen Teil seit den späten 1980er-Jahren, spätestens 1997 vorliegt? Liegt es an der Verfügbarkeit auf Spotify und anderen Portalen, wo immer nur das Neueste von Interesse ist? Liegt es vielleicht an dem langjährigen Zögern von Hyperion, alle Online-Optionen konsequent zu nutzen? Doch wohl eher nicht – auf der Website des Labels ist fast der ganze auf CD vergriffene Backkatalog in hoher Qualität zum Download erwerbbar – und damit steht Hyperion ganz vorbildlich in der ersten Reihe der kulturell beflissenen Musikvermittlung – weit mehr als viele Rundfunksender und sogenannte Major Labels, deren Aufnahmedetails heute noch mehr verschwiegen werden als in der Vergangenheit.
Es hat wohl eher mit einer gewissen Ermüdung im Bereich der pionierhaften Repertoireerkundung zu tun. Obschon genügend Repertoire in den Kathedralbibliotheken darauf harrt, entdeckt zu werden, verlässt man sich lieber auf Musik, die man zumindest schon einmal gehört hat. Immerhin finden wir mit Alan Gray und Charles Wood zwei Komponisten, die nicht jedem Liebhaber britischer Kirchenmusik rundum geläufig sind. Alan Grays Magnificat und Nunc dimittis f-Moll für Doppelchor, 1912 veröffentlicht, ist musikalisch vielleicht nicht unbedingt erstklassig, aber für die Aufführung im Kirchenraum von großem Effekt. Magnificat und Nunc dimittis sind die sogenannten Evening Canticles des anglikanischen Evening Service (Abendgottesdienstes), und die Kompositionen der Texte in lateinischer Sprache sind äußerst rar. Wir hören hier Stanfords achtstimmiges Magnificat B-Dur op. 164 (1918) und Charles Woods kurzes Nunc dimittis B-Dur für sechsstimmigen Chor (1916). Woods Komposition erweist sich als kompositorisches Kleinod, das gleichberechtigt neben Stanfords fast viermal so langem Magnificat stehen darf.
Musik des Abschieds
Umrahmt werden diese textlich gebundenen Werke durch zwei ‚Klassiker‘ – Stanfords 'Three Motets' op. 38 (gedruckt 1905, aber teilweise schon fast zwanzig Jahre früher entstanden) und Hubert Parrys 'Songs of Farewell' – eine der letzten großen Schöpfungen dieses Komponisten, der einen Monat vor Ende des Ersten Weltkrieges starb. Während die drei Motetten ganz gottesdienstlich gebunden sind, gehen Parrys sechs Gesänge, die bis auf das Schlussstück 'Lord, let me know mine end' nicht auf biblische Texte zurück, sondern vertonen Gedichte aus dem 16.–19. Jahrhundert: Musik des Abschieds, Musik der Desillusion, Musik der Versöhnung.
James O’Donnell kann auf eine mehr als dreißigjährige Karriere als Chordirektor zurückblicken, zunächst bei dem Chor der Westminster Cathedral in London (mit dem er 1988 auf einer seiner ersten Schallplattenproduktionen bereits Stanfords Magnificat op. 164 einspielte), seit 2000 an Westminster Abbey. In der vorliegenden Produktion verlässt sich O’Donnell einmal mehr auf sakrale Aura statt sorgfältige musikalische Ausarbeitung: Die Nutzung weiträumiger relativ halliger Akustik könnte als bewusster Nebeneffekt erstanden werden, unterstreicht aber vielmehr den Eindruck, der Dirigent und seine Choristen wollten oder könnten nicht noch differenzierter an den klangfarblichen Feinheiten der Kompositionen, der intonatorischen Sicherheit arbeiten; vieles klingt eher grob als fein ausgearbeitet, der Parry ganz ohne transzendentale Vision, für den weiten Raum der Westminster Abbey vielleicht geeignet, aber nicht fürs wiederholte Hören daheim. In Anbetracht des im Grunde wenig interessanten Repertoires leider nicht genug, um mit längerem Blick auf dem Markt nachhaltig zu wirken.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Songs of farewell: The Choir of Westminister Abbey, James O'Donnell |
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Label: Anzahl Medien: |
Hyperion 1 |
Medium:
EAN: |
CD
034571283012 |
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Gray, Allan |
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Hyperion Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britains brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan). We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world. The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards. Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh. Mehr Info... |
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