> > > Emil Nikolaus von Reznicek: String Quartets: Minguet Quartett
Montag, 2. Oktober 2023

Emil Nikolaus von Reznicek: String Quartets - Minguet Quartett

Voller Engagement


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die cpo-Reihe mit Werken von Emil Nikolaus von Reznicek geht mit vorzüglichen Einspielungen von fünf Streichquartetten weiter.

Die Entdeckerfreude des Minguet Quartett richtet sich diesmal auf Emil Nikolaus von Reznicek, der außer der Ouvertüre zur Oper 'Donna Diana' nur den Freunden von cpo-CDs ein tieferer Begriff ist. Der 1860 in Wien geborene Komponist ließ sich 1903 mit seiner Familie in Berlin nieder, wo sich kompositorischer Erfolg aufgrund seiner offen linksliberalen Position erst nach und nach einstellte. Rezniceks wechselvolles Leben böte leicht genügend Material für einen Film – 1945 starb er, mit dem letzten Aktentransport aus Bad Saarow vor der Roten Armee in Sicherheit gebracht, an Hungertyphus.

Die vorliegende Produktion enthält fünf von Rezniceks mindestens sechs Streichquartetten – das zweite Quartett cis-Moll fehlt hier ebenso wie zwei weitere ungezählte Quartettkompositionen und wird hoffentlich auf einer weiteren CD erscheinen. Die Quartette belegen vorzüglich Rezniceks musikalische Entwicklung: Das dreisätzige 1. Quartett c-Moll entstand zum Abschluss seines Musikstudiums in Graz 1881 und gleichzeitig als Zugangskomposition zum Studium am Leipziger Konservatorium bei Jadassohn und Reinecke. Es steht dem Brahms-Geschmack nicht fern, wenn auch mit durchaus stark eigener Note – das Finale ist ein schwungvolles Rondo à la hongroise.

Virtuoser Umgang mit Stilen

Im Februar 1921 erfolgte die Uraufführung des 3. Streichquartetts cis-Moll – meilenweit stilistisch entfernt von der Vorkriegszeit, doch noch ohne ‚Avantgardismen‘, mit denen andere Zeitgenossen bereits das Publikum konfrontierten. Das 'Andante sostenuto' hat etwas von dem Expressionismus der damaligen Zeit, nimmt beispielsweise auch Richard Strauss‘ 'Metamorphosen' klanglich und teilweise sogar von harmonischen Abfolgen her vorweg. Überraschend darum die scheinbar starke Rückwärtsgewandtheit des Scherzos – ein wenig fühlt man sich an die Kammermusik Karl Weigls erinnert: Hier wie dort ist alles längst nicht so leicht durchschaubar, wie es auf den ersten Eindruck zu sein schien. Das Finale zeigt uns eindeutig, dass Reznicek mit Stilen virtuos spielen kann und kaum eine Erwartung zu erfüllen bereit ist.

Kraftvoll tonal

Drei Monate nach jener des 3. erfolgte die Uraufführung des 4. Streichquartetts d-Moll – hier verbindet Reznicek Reverenzen an die Vergangenheit mit expressionistischen Elemente einerseits und Stilelementen der ‚neuen Sachlichkeit‘ andererseits und einer gehörigen Portion ‚Urwüchsigkeit‘. Die Quartette Nr. 5 e-Moll (zweisätzig) und 6 B-Dur folgten 1928 bzw. 1930/31. Sie führen die stilistischen Aspekte von Rezniceks Schaffen konsequent fort – kraftvolle tonale Musik der Weimarer Republik, kompromisslos im Ausdruck, anspruchsvoll in den Anforderungen. Es braucht nämlich Musiker, die sich emotional und musikalisch mit ganzem Herzblut für die Musik einsetzen. Hier ist das Minguet Quartett natürlich genau richtig. Die vier Streicher musizieren in individualisiertem Klang, aber doch untrennbar, intensiv bis zum Exzess (immer wieder gibt es Momente peinigender Schönheit), mit weitem Ausdrucksradius. Bei dem musikalisch noch eher konventionellen Frühwerk wirkt dieser Zugriff überraschend, wird aber konsequent zur Hinführung auf Rezniceks reife Werke eingesetzt.

Die Einspielungen im Kölner Kammermusiksaal des Deutschlandfunks aus den Jahren 2015–2018 sind klanglich vorbildlich gelungen; der Booklettext hätte noch eine gewisse Konzentrierung auf Wesentliches und eine Kontextualisierung der Werke auch in der Zeitgeschichte vertragen können.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Emil Nikolaus von Reznicek: String Quartets: Minguet Quartett

Label:
Anzahl Medien:
cpo
1
Medium:
EAN:

CD
761203500222


Cover vergössern

Reznicek, Emil Nikolaus von
 - String Quartet No.1 in C minor - Allegro con brio
 - String Quartet No.1 in C minor - Andante tranquillo
 - String Quartet No.1 in C minor - Presto à la hongroise
 - String Quartet No.5 in E minor - Moderato poco maestoso
 - String Quartet No.5 in E minor - Allegro ma non troppo
 - String Quartet No.6 in B flat major - Allegro moderato
 - String Quartet No.6 in B flat major - Notturno - Molto adagio
 - String Quartet No.6 in B flat major - Allegro con fuoco
 - String Quartet No.6 in B flat major - Andante con variationi - Andante con moto


Cover vergössern

cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag cpo:

blättern

Alle Kritiken von cpo...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (2/2023) herunterladen (5500 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich