
Emil Nikolaus von Reznicek: String Quartets - Minguet Quartett
Voller Engagement
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die cpo-Reihe mit Werken von Emil Nikolaus von Reznicek geht mit vorzüglichen Einspielungen von fünf Streichquartetten weiter.
Die Entdeckerfreude des Minguet Quartett richtet sich diesmal auf Emil Nikolaus von Reznicek, der außer der Ouvertüre zur Oper 'Donna Diana' nur den Freunden von cpo-CDs ein tieferer Begriff ist. Der 1860 in Wien geborene Komponist ließ sich 1903 mit seiner Familie in Berlin nieder, wo sich kompositorischer Erfolg aufgrund seiner offen linksliberalen Position erst nach und nach einstellte. Rezniceks wechselvolles Leben böte leicht genügend Material für einen Film – 1945 starb er, mit dem letzten Aktentransport aus Bad Saarow vor der Roten Armee in Sicherheit gebracht, an Hungertyphus.
Die vorliegende Produktion enthält fünf von Rezniceks mindestens sechs Streichquartetten – das zweite Quartett cis-Moll fehlt hier ebenso wie zwei weitere ungezählte Quartettkompositionen und wird hoffentlich auf einer weiteren CD erscheinen. Die Quartette belegen vorzüglich Rezniceks musikalische Entwicklung: Das dreisätzige 1. Quartett c-Moll entstand zum Abschluss seines Musikstudiums in Graz 1881 und gleichzeitig als Zugangskomposition zum Studium am Leipziger Konservatorium bei Jadassohn und Reinecke. Es steht dem Brahms-Geschmack nicht fern, wenn auch mit durchaus stark eigener Note – das Finale ist ein schwungvolles Rondo à la hongroise.
Virtuoser Umgang mit Stilen
Im Februar 1921 erfolgte die Uraufführung des 3. Streichquartetts cis-Moll – meilenweit stilistisch entfernt von der Vorkriegszeit, doch noch ohne ‚Avantgardismen‘, mit denen andere Zeitgenossen bereits das Publikum konfrontierten. Das 'Andante sostenuto' hat etwas von dem Expressionismus der damaligen Zeit, nimmt beispielsweise auch Richard Strauss‘ 'Metamorphosen' klanglich und teilweise sogar von harmonischen Abfolgen her vorweg. Überraschend darum die scheinbar starke Rückwärtsgewandtheit des Scherzos – ein wenig fühlt man sich an die Kammermusik Karl Weigls erinnert: Hier wie dort ist alles längst nicht so leicht durchschaubar, wie es auf den ersten Eindruck zu sein schien. Das Finale zeigt uns eindeutig, dass Reznicek mit Stilen virtuos spielen kann und kaum eine Erwartung zu erfüllen bereit ist.
Kraftvoll tonal
Drei Monate nach jener des 3. erfolgte die Uraufführung des 4. Streichquartetts d-Moll – hier verbindet Reznicek Reverenzen an die Vergangenheit mit expressionistischen Elemente einerseits und Stilelementen der ‚neuen Sachlichkeit‘ andererseits und einer gehörigen Portion ‚Urwüchsigkeit‘. Die Quartette Nr. 5 e-Moll (zweisätzig) und 6 B-Dur folgten 1928 bzw. 1930/31. Sie führen die stilistischen Aspekte von Rezniceks Schaffen konsequent fort – kraftvolle tonale Musik der Weimarer Republik, kompromisslos im Ausdruck, anspruchsvoll in den Anforderungen. Es braucht nämlich Musiker, die sich emotional und musikalisch mit ganzem Herzblut für die Musik einsetzen. Hier ist das Minguet Quartett natürlich genau richtig. Die vier Streicher musizieren in individualisiertem Klang, aber doch untrennbar, intensiv bis zum Exzess (immer wieder gibt es Momente peinigender Schönheit), mit weitem Ausdrucksradius. Bei dem musikalisch noch eher konventionellen Frühwerk wirkt dieser Zugriff überraschend, wird aber konsequent zur Hinführung auf Rezniceks reife Werke eingesetzt.
Die Einspielungen im Kölner Kammermusiksaal des Deutschlandfunks aus den Jahren 2015–2018 sind klanglich vorbildlich gelungen; der Booklettext hätte noch eine gewisse Konzentrierung auf Wesentliches und eine Kontextualisierung der Werke auch in der Zeitgeschichte vertragen können.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Emil Nikolaus von Reznicek: String Quartets: Minguet Quartett |
|||
Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203500222 |
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Reznicek, Emil Nikolaus von |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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