
Bruckner, Anton: Symphony No.6 - London Symphony Orchestra, Sir Simon Rattle
Persönliche Sichtweise
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sir Simon Rattle und das London Symphony Orchestra überzeugen mit Bruckners Sechster Sinfonie.
Die Sechste Sinfonie von Anton Bruckner nimmt im Schaffen des Komponisten eine Sonderstellung ein, einerseits gehört sie zu den avanciertesten, andererseits wurde sie nie einer Revision unterzogen. Gleichwohl musste Bruckner auch hier erleben, dass er wieder einmal nicht verstanden wurde. Es hagelte schlechte Kritiken, was auch daran lag, dass zuerst nur Teile aufgeführt wurden. Der Musikkritiker Eduard Hanslick schrieb: ‚Bei dem ausschließlich durch Seltsamkeit fesselnden Scherzo trennte sich aber – wie der Sportsmann sagen würde – das Roß vom Reiter. Eine kleine Clique schien sich’s in den Kopf gesetzt zu haben, die Legitimierung auch dieses Satzes auf revolutionärem Wege zu erzwingen; vergebene Liebesmüh’.‘ Als ob das nicht ausreichen würde, kam noch hinzu, dass der Erstdruck fehlerhaft war.
Im alltäglichen Umgang mit Menschen war Bruckner ein bescheidener, gläubiger und demütiger Mensch. Dadurch entging er auch dem damals aufkeimenden Personenkult. Es ist bewundernswert, wie konsequent Bruckner seinen künstlerischen Weg einschlug und sich mit seinen Sinfonien monumentale, komplexe Klangwelten komponierte. Trotz der künstlerischen Grabenkämpfe des 19. Jahrhunderts, die zwischen den ‚Neudeutschen‘ und den ‚Brahmsianern‘ herrschten, ging er zielbewusst seinen Weg. Und hierfür ist die Sechste ein profundes Zeugnis.
Persönliche Sichtweise
Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass Sir Simon Rattle für seine Einspielung die von Benjamin-Gunnar Cohrs akribisch revidierte neue Urtextausgabe verwendete. Das London Symphony Orchestra bietet unter Rattle nicht nur eine technisch überzeugende und virtuose Leistung, sondern auch eine sich unmittelbar erschließende persönliche Sichtweise, deren Kennzeichen Zurücknahme des Pathos und relativ rasche Tempi sind. Rattle legt dar, dass diese Sinfonie mehr ist als ein probates Mittel zur Vorführung orchestraler Potenz, und führt sensibel, aber bestimmt durch die faszinierende Größe und Widersprüchlichkeiten dieser Musik mit ihren voluminösen Aufschwüngen und Abbrüchen ins Bodenlose.
All dies kann nur vor dem Hintergrund einer rationalen Durchsichtigkeit des Stimmgefüges gelingen, bei dem Rattle eine subtile Lebendigkeit des Ausdrucks durch Belebung und Verdeutlichung des Gegeneinander des Stimmgewebes erzielt. So entsteht schon im ersten Satz ein geradezu hermetisch in sich ruhendes Klangbilde von großer Eindringlichkeit, bei dem die Phrasierung die großen thematischen Linien nicht in viele Einzelheiten zerstückelt, sondern ein langer Atem den großen Bogen garantiert. Beim Scherzo wird deutlich, wie genau Rattle die Partitur kennt. Er nimmt sich aller Details an und lässt Nebenstimmen erklingen, die von anderen Dirigenten nicht extra betont werden. Das Adagio wird zu Recht als Zentrum erkannt und ohne Weihrauch mit größter Sorgfalt straff und zugleich sensibel interpretiert. Deutlich erscheinen auch hier die scheinbar gegen den Strom der Musik geführten Nebenstimmen, die die Atmosphäre der untergründigen Labilität intensiviert.
Das Finale wird buchstäblich zu einem Musterbeispiel dafür, wie eine stringente Formentfaltung sich anhört. Rattle und die hervorragend musizierenden Instrumentalisten des London Symphony Orchestras lassen am Ziel noch einmal mit enormer Intensität und gleichzeitiger Gelassenheit des Verstehens diese Sinfonie ausklingen. Ein überzeugendes Plädoyer für die Modernität der Sechsten Sinfonie Anton Bruckners.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bruckner, Anton: Symphony No.6: London Symphony Orchestra, Sir Simon Rattle |
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Label: Anzahl Medien: |
LSO Live 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
822231184225 |
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Bruckner, Anton |
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LSO Live Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.
Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist. Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist. Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.
London Symphony Orchestra Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident. Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln. Mehr Info... |
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