
Otto M. Zykan: Violoncellokonzert - Heinrich Schiff, ORF Radio Symphonieorchester Wien, Leif Segerstam
Dokumente einer Freundschaft
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Heinrich Schiff erkundet die spannende Welt Otto M. Zykans.
Der österreichische Komponist Otto M. Zykan (1935–2006) hat nie die internationale Prominenz mancher seiner Zeitgenossen erlangt – vermutlich zum einen durch das Fehlen nachhaltiger Förderung etwa durch einen Verlag, zum anderen aber auch durch rigorose Unterbindung von Aufführungen seiner Werke ohne seine Beteiligung. Zykans Klangsprache ist vielfältig wie seine Interessen waren – sie enthält Elemente komplexester metrischer und rhythmischer Gestaltung, aber auch großen Lyrizismus und tiefgründige ‚Kontrapunktik‘ (eigentlich ist das Wort mit Blick auf die ‚Viellinigkeit‘ seiner Musik allzu konventionell). Er widersetzte sich traditionellen Einordnungen, komponierte 1966 etwa das Werk 'Oper oder Ode oder Opernode Singers Nähmaschine ist die beste' und provozierte mit 'Staatsoperette' 1977 einen handfesten Skandal, in der Folge sogar zu Kirchenbann und Debatten im Parlament. Sein Sinn für Humor und Selbstironie war nicht selten dazu angetan, etablierte Persönlichkeiten mit Leichtigkeit aus dem Konzept zu bringen.
Vom Leben durchpulst
Zykan war lange mit dem Cellisten Heinrich Schiff befreundet, und die beiden hier vorgelegten Violoncellokonzertwerke sind zentrale Klangdokumente dieser Freundschaft. Das erste, 1981 entstandene trägt den komplizierten Titel 'Violoncellokonzert – Auf der Suche nach konventionellen Gefühlen. Drei unterschiedliche pathetische Sätze für Violoncello und Orchester'. In der Tat besteht es aus drei Sätzen und folgt dem traditionellen Verständnis eines Konzertwerkes – doch geht Zykan weit darüber hinaus. Er hat ein ausführliches Erläuterungsschreiben zur Komposition verfasst und hat im Interview betont, dass er hier, bei allem Ungewöhnlichen, das in der Musik geschieht, diesmal 40 Minuten lang ernst sein wolle. Zykan fordert den Musikern – dem Orchester fast noch mehr als dem Solisten – alles ab, aber Schiff wie auch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Leif Segerstam entledigen sich ihrer Aufgaben auf das Vorbildlichste. Die Musik ist von reichstem Leben durchpulst, als Zuhörer kann man die Spannung, die über der Uraufführung im Musikvereinssaal am 7. Juni 1982 lag, auch heute noch intensiv spüren. Merkwürdigerweise scheint aufnahmetechnisch einiges im Argen zu legen – immer wieder gibt es aufnahmetechnisch Unrestauriertes, das im Booklettext Erwähnung hätte finden dürfen.
2005 komponierte Zykan 'Beethovens Cello – Drei Sätze für Cello und Orchester'. Ausgangspunkt für den Schlusssatz war das Scherzo der 'Eroica', doch hat Zykan im Begleittext ausführlich Beethovens Bedeutung für sein musikalisches Denken überhaupt gewürdigt. Dabei geht die Komposition weit über Beethoven hinaus – da gibt es Harmonien und Texturen, die kurz an Mahler oder Strauss denken lassen, auch an Filmmusik. Im Vergleich zum früheren Werk schlägt Zykan hier einen viel leichteren Ton an, den Heinrich Schiff und die Wiener Philharmoniker unter Zubin Mehta im Konzertmitschnitt am 10. Dezember 2005 in schönster Weise und mit großem Facettenreichtum ausbreiten. Das ist ein Reichtum der Texturen und Stimmungen, der Bilder, die weit über die meisten Kompositionen auch berühmterer Zeitgenossen hinausgehen. Hier stimmt auch die Aufnahmetechnik, die den Hörer in großer Dichte und lichter Transparenz in den Sog der Musik inkludiert. Der Booklettext ist von Zykans Witwe geschrieben, voller Einsicht und Verständnis für die Musik – nur leider fehlt das Uraufführungsdatum von 'Beethovens Cello'.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Otto M. Zykan: Violoncellokonzert: Heinrich Schiff, ORF Radio Symphonieorchester Wien, Leif Segerstam |
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Label: Anzahl Medien: |
Kairos 1 |
Medium:
EAN: |
CD
9120040732141 |
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