
Gioachino Rossini: Il Barbiere di Siviglia - Le Cercle de l'Harmonie Unikanti, Jérémie Rhorer
Konventionell
Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Weder vokal noch szenisch kann diese 'historisch informierte' Aufführung von Rossinis beliebtester Oper rundum überzeugen.
Es ist interessant zu sehen, dass Rossinis 'Il Barbiere di Siviglia', anders als andere Opern des Komponisten, ‚historisch informiert‘ bislang ausgesprochen selten behandelt wurde. Die Rückkehr zu Instrumentarium und Gesangsstil der Zeit um 1815 kann aber – wer es einmal gehört, wird dem zustimmen – wesentlich sein zum Verständnis der Musik. Jérémie Rhorer mit seinem Cercle de l’Harmonie versteht diese Musik bestens, sie tanzt und schwebt, sie wird in großer Ausgewogenheit und stetem Schwung dargeboten – und sogar eine unterschwellige Beziehung zu anderen zeitgenössischen Komponisten (darunter auch Schubert) teilt sich mit.
Michele Angelini (Almaviva) hat einen eher kleinen, gut ansprechenden Tenore leggiero, der aber in der Höhenattacke nicht sicher sitzt und gelegentlich unsauber intoniert. Seine sympathische Bühnenerscheinung und sein lebhaftes Spiel können aber vokale Defizite (vor allem jeglichen Mangel an Durchschlagskraft der Stimme) nicht ganz kompensieren. Leider können die Sänger mit der Qualität des orchestralen Anteils nicht mithalten. Für die Rosina hat Catherine Trottmann eine im Grunde etwas zu tiefe Stimme; ihr gelingen zwar alle Koloraturen, doch ist ihre Stimme eher ein Contralto als ein Mezzosopran – so harmoniert sie musikalisch nicht ganz mit Angelini. Der Bartolo des Peter Kálmán ist musikalisch eher konventionell, sind auch seine Parlandofähigkeiten offenkundig angelernt und nicht vollkommen internalisiert. Zwar ist auch seine Intonation nicht immer ganz exakt, doch ist die Verbindung von vokalen und darstellerischen Möglichkeiten in starkem Einklang ('A un dottor della mia sorte' ist ein Kabinettsstück von starkem szenischen Ausdruck).
Mangelnde Fähigkeiten
Florian Sempey (Figaro) mangelt es an Belcantomöglichkeiten, an Parlandofähigkeiten, leider auch an Gesangskultur, an Vokalfarben. Wo Angelini nicht laut singen konnte, scheint Sempey das Piano nicht zu kennen. Die insgesamt gelungenste Leistung der ganzen Oper, ganz ohne Schwächen im Musikalischen, ist der Basilio von Robert Gleadow – die Verleumdungsarie wird so zum Zentrum der ganzen Oper. Von den Komprimarii sind Guillaume Andrieux als Fiorello und besonders die Berta der Annunziata Vestri hervorzuheben, die aus ihrer kleinen Arie mehr macht als manche Hauptfigur aus ihren zentralen Vokalpiecen. Insgesamt überzeugen die Ensembleleistungen (wenn sie nicht durch arges Distonieren beeinträchtigt werden) stärker als die meisten Einzelleistungen. Der Chor (Unikanti) bietet einen verlässlichen, darstellerisch überzeugenden Beitrag.
Leider verortet Laurent Pelly mit seiner ‚modernistischen‘ Inszenierung das Stück vornehmlich im Bereich des Klamauks. Ein vielbeschäftigter, dennoch offenbar nicht gutbezahlter Arzt (wenig schlecht ausgebildetes Personal), will (aus Geldgründen?) sein wohlhabendes Mündel heiraten, das sich aber in den erstbesten jungen Mann, dem sie begegnet ist (einem verkappten Grafen – das heißt: Macht und Geld), verguckt hat. Die einzigen anderen Männer, die ins Haus dürfen, sind der Barbier (warum? ist er schwul?) und der Musiklehrer des jungen Mädchens, der sich als opportunistischer Intrigant erweist (gab es für die Figur ein reales Vorbild bei Sterbini? oder dem Dramenvorbild Beaumarchais?).
Anspruch und Umsetzung
Statt also aus den Archetypen – meinethalben auch für die Welt von heute – reale Figuren zu machen, wird alles ‚Bühnengeschehen‘ lediglich übertrieben (in allerdings sorgfältiger szenischer Ausarbeitung), ohne es auf innere Glaubwürdigkeit im Rahmen des ‚historischen Transfers‘ zu überprüfen. Die Szene besteht aus mehr oder minder leeren geschwungenen Notenblättern, in dem sich Fenster öffnen können und unter denen man sich verstecken kann (Ausstattung: Laurent Pelly). Figaro erledigt seine Auftritte mehrfach (fast à la Helene Fischer) von oben, und viele Darbietungen der Sänger werden durch unvorteilhafte Gesangspositionen beeinträchtigt. Insgesamt bleibt Pellys Regiekonzept, trotz des Transfers in eine andere Epoche, erschreckend konventionell, trotz einiger charmanter szenischer Lösungen. All dies könnte man auch als zielführend ansehen, wäre der orchestrale Anteil nicht in einer gänzlich anderen, meilenweit höheren Liga anzusiedeln. So fällt die Divergenz zwischen Anspruch und Umsetzung umso negativer auf.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Gioachino Rossini: Il Barbiere di Siviglia: Le Cercle de l'Harmonie Unikanti, Jérémie Rhorer |
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Label: Anzahl Medien: |
Naxos 1 |
Medium:
EAN: |
DVD
747313559251 |
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Rossini, Gioacchino |
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Naxos Als der Unternehmer Klaus Heymann 1982 für seine Frau, die Geigerin Takako Nishizaki in Hongkong das Plattenlabel Marco Polo gründete, war dies der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Fünf Jahre später rief Heymann das Label NAXOS ins Leben, das in der Klassikwelt längst zur festen Größe geworden ist und es bis heute versteht, hohe Qualität zu günstigen Preisen anzubieten. Der einzigartige und sich ständig erweiternde Katalog des Labels umfasst mittlerweile über 8.000 CDs mit mehr als 130.000 Titeln - von Kostbarkeiten der Alten Musik über sämtliche berühmten "Klassiker" bis hin zu Schlüsselwerken des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der Klassik-Neuling ebenso fündig wie der Klassikliebhaber oder -sammler. International bekannte Künstler wie das Kodály Quartet, die Geigerin Tianwa Yang, der Pianist Eldar Nebolsin und die Dirigenten Marin Alsop, Antoni Wit, Leonard Slatkin und Jun Märkl werden von NAXOS betreut. Darüber hinaus setzt NAXOS modernste Aufnahmetechniken ein, um höchste Klangqualität bei seinen Produktionen zu erreichen und ist Vorreiter in der Produktion von hochauflösenden Blu-ray Audios - Grund genug für das renommierte britische Fachmagazin "Gramophone", NAXOS zum "Label of the Year" 2005 zu küren. Auch im digitalen Bereich nimmt NAXOS eine Vorreiterrolle ein: Bereits seit 2004 bietet das Label mit der NAXOS MUSIC LIBRARY ein eigenes Streamingportal mit inzwischen über 1 Million Titel an und unterhält mit ClassicsOnline zudem einen eigenen Download-Shop. Mehr Info... |
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