
Giovanni de Macque: Madrigali & Organ works - Weser-Renaissance Bremen, Manfred Cordes
Später Franko-Flame
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Giovanni de Macque wird von Manfred Cordes und seinem Ensemble Weser-Renaissance Bremen als vergleichsweise unbekannte Stimme der sehr späten Renaissance am Übergang zum Barock in einem faszinierenden Porträt vorgestellt.
Giovanni de Macque (1548–1614) war einer der letzten prominenten franko-flämischen Komponisten, die vor allem in Italien reüssierten und an verschiedenen Orten das musikalische Leben mitprägten. Geboren in Valenciennes, wirkte er als Sängerknabe in der Wiener Hofkapelle, gehörte in Rom zu einem erlesenen Kreis um Marenzio und Palestrina, bevor er sich nach Neapel wandte und in den Dienst des Fürsten von Venosa trat, des Vaters des heute ebenso berühmten wie berüchtigten Carlo Gesualdo. Zu seinen Schülern gehörten so bekannte Komponisten wie Giovanni Maria Trabaci, Ascanio Mayone, Andrea Falconieri oder Luigi Rossi.
Madrigalkunst
Prägend für sein Werk sind neben den obligatorischen geistlichen Arbeiten vor allem Madrigale. Die prägen auch die aktuelle Platte von Weser-Renaissance Bremen in Gestalt einer delikaten Auswahl aus de Macques sechstem Madrigalbuch, das 1613 in Venedig gedruckt wurde. Ergänzt wird das Programm um einige instrumentale Werke des auch als Organisten profilierten Komponisten. Die Madrigale offenbaren sich als bewegliche, subtile Kunst, klar kontrapunktisch gebunden und in eleganten Fluss gebracht. Obwohl harmonisch und affektiv nicht ganz so erratisch wie bei Gesualdo, darf man sich unter de Macques Sätzen auch keine harmlose Musik vorstellen: Er expliziert textsensibel, arbeitet sehr gezielt auch mit unmittelbar irritierender Harmonik – in der Summe ist es ganz sicher kultivierte Kunst auf der Höhe ihrer Zeit. Besonderes Interesse verdienen die Orgelsätze: Einerseits gibt es eher klassische Beispiele dieser Kunst, die durchaus formal und strukturbewusst wirken, so etwa eine 'Canzon francese' oder ein 'Capriccietto' – diminuierte Formen lagen de Macque ganz offensichtlich besonders am Herzen, auch Madrigaletti sind bekannt. Es gibt aber auch Arbeiten, die nur als harmonisch kühnes, vollkommen frei gehaltenes Räsonieren verstanden werden können: Die 'Consonanze stravaganti', die 'Seconde Stravaganze' oder das 'Capriccio sopra re fa mi sol' wirken, als wären sie im Moment ihres Erklingens aus der Luft gegriffen, als suchte der Organist beim kunstfertigen Einspielen nach den interessantesten, expressivsten Möglichkeiten.
Klasse
Das spielt der Italiener Edoardo Belotti mit großer Kunstfertigkeit und dem Mut zum dosierten Risiko. Und er tut das auf einem sehr interessanten Instrument: Auf einer von Giovanni Pradella nach dem Vorbild einer Prati-Orgel aus dem 17. Jahrhundert gebauten Prozessionsorgel mit sechs farbigen Registern. Das nur wenig mehr als mannshohe, im Stehen gespielte Instrument ohne Pedal ist erstaunlich klangvoll, verfügt über ungemein plastisch zeichnende Stimmen, die gelegentlich fast scharf wirken – jedenfalls bestens geeignet sind, de Macques Erwägungen passend abzubilden.
Auch das von Manfred Cordes für dieses interessante Projekt zusammengestellte Vokalensemble erweist sich als Glücksfall. Die Besetzung wird angeführt von der Sopranistin Margaret Hunter, dazu kommen der Altus David Erler, die Tenöre Achim Schulz und Bernd Oliver Fröhlich sowie der Bass Ulfried Staber. Sicher: Die Vokalisten haben in verschiedenen Konstellationen schon bei Manfred Cordes zusammengesungen. Dennoch ist es erstaunlich, wie homogen sie hier bei de Macques delikaten Madrigalen agieren, wie sehr diese Musik ästhetisch aus einem Munde gesungen ist. Alles wirkt lebendig, klangsensibel und selbstbewusst präsentiert. Die Intonation ist fabelhaft; weder Wackeln und Zaudern sind zu hören, auch harsche Chromatik wird beherzt und lustvoll angepackt. Immer wieder sind wunderbar ausgehörte Akkorde zu verzeichnen. Artikuliert wird in eleganten Linien voller Frische und Kraft, mit textinspirierter Autorität. Und wenn man sich fragt, was diese Formation von den festen Ensembles unterscheidet, die sich mit vergleichbarem Repertoire befassen, dann sind das keine großen Differenzen: Ensembles wie La Venexiana und die Compgania del Madrigale gehen in Bestform gelegentlich noch mehr ins Risiko, wagen sich gemeinschaftlich vielleicht deutlicher in Grenzbereiche.
Doch siedelt die Präsentation der Vokalisten auf hohem Niveau, getragen von einem Klangbild, das vokal ausgewogen und plastisch durchhörbar ist, zugleich alle Stimmen in schöner Balance wiedergibt, mitgeprägt von einem gebändigten Raum im Hintergrund. Giovanni de Macque wird hier als vergleichsweise unbekannte Größe Stimme der sehr späten Renaissance am Übergang zum Barock in einem faszinierenden Porträt vorgestellt. Manfred Cordes und seinem Ensemble Weser-Renaissance Bremen gelingt es immer wieder, auch Entlegenes dringlich sein zu lassen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Giovanni de Macque: Madrigali & Organ works: Weser-Renaissance Bremen, Manfred Cordes |
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Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203797721 |
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Macque, Giovanni de |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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