
Einem, Gottfried von - Der Besuch der alten Dame
Na endlich!
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Dieser Mitschnitt der 'Besuch der alten Dame' von Gottfried von Einem ist vor allem ein musikdramaturgisch absolut zwingender Mitschnitt aus Wien, der von der Klasse aller Beteiligten profitiert.
Ein tiefes ‚Na endlich!‘ entfährt mir beim Erscheinen dieser Doppel-CD (mit attraktivem Booklet). Seit der lange vergriffenen CD-Erstveröffentlichung auf Amadeo von 1990 war der Uraufführungsmitschnitt von Gottfried von Einems Oper 'Der Besuch der alten Dame' vom 23. Mai 1971 aus der Wiener Staatsoper ein Desiderat der Diskophilen, sowohl als Vertonung einer veritablen hochkarätigen ‚Literaturoper‘, die aber auch musikalisch äußerst reich und reizvoll ist (gerade die Titelrolle scheint immer wieder dem früheren Wiener Hofoperndirektor Gustav Mahler die Reverenz zu erweisen). Die Neuveröffentlichung auf Orfeo d’Or bietet neues Remastering der Originalbänder und die sinnvollere Verteilung des Werks auf zwei statt drei CDs. Das dynamische Spektrum ist so noch offener als auf der Erstveröffentlichung, der räumliche Klangeindruck noch stärker, Einems Musik reißt noch stärker mit.
Horst Stein, allzu stark unterschätzter Dirigent bester deutscher Kapellmeistertradition (d.h. dass er sich hinter statt vor das Werk stellt), ist ein beeindruckender Anwalt der komplexen Partitur. Die zweieinviertel Stunden vergehen wie im Fluge, auch wegen der Dichte der Interpretation in allen anderen Bereichen. Der Wiener Staatsopernchor ist in höchstem Maße gefordert, das Wiener Staatsopernorchester bewältigt seinen Part mit gewohnter Souveränität. Und die Besetzung der Hauptrollen kann ohne Frage als höchst geglückt bezeichnet werden. Friedrich Dürrenmatts Charaktere werden in großer Vielfalt porträtiert – nicht immer klangschön, aber voller Saft und Kraft.
Christa Ludwig in der Titelrolle (damals noch gar nicht so alt – sie steuert im Booklet kurze Erinnerungen zur Produktion bei) kann nur als Glücksfall bezeichnet werden (wer könnte die für sie geschaffene Partie heute ähnlich eloquent darbieten? so voller vielfarbiger Valeurs), während Eberhard Waechter als ehemaliger Liebhaber Alfred Ill rein vokal etwas weniger überzeugt. Gleiches gilt (unter den internationalen Berühmtheiten) für Emmy Loose als Frau Ill, Hans Beirer als Bürgermeister, Manfred Jungwirth als Pfarrer, Hans Hotter als Lehrer, Alois Pernerstorfer als Polizist, Heinz Zednik als Butler; in kleineren Rollen sind renommierte Sänger wie Margareta Sjöstedt, Hans Braun, Harald Pröglhof, Karl Terkal und Kurt Equiluz zu erleben – die erste Garde der Wiener Staatsoper also, und gerade dies zeichnet diese Produktion auch so besonders aus – der Ensemblegeist.
Dieser Ensemblegeist spiegelt sich nicht nur in dem gemeinsamen musikdramatischen Ergebnis, sondern auch in vielen Details, in der Dialogabstimmung, aber auch in außermusikalischen Dingen, von denen Christa Ludwig im Booklet eines erwähnt: Da sie in der Oper Zigarre rauchen muss (wo wäre das heute noch so realitätsgetreu zu erwarten), brachte ihr Waechter (schon 1992 62-jährig einem Herzinfarkt erlegen) bessere Zigarren mit ‚als die, die die Staatsoper spendierte‘. Das Ergebnis ist eine rundum lebensvolle Produktion, deren berechtigter Beifall in der Ausgabe vielleicht vor allem nach dem furiosen Schluss etwas zu stark gekürzt ist. Man hofft, dass auch andere Uraufführungen des ‚Orfeo-Einzugsbereichs‘ eine derart beglückende Wiederveröffentlichung erfahren (etwa Aribert Reimanns 'Troades' aus der Münchner Staatsoper).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Einem, Gottfried von: Der Besuch der alten Dame |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 2 09.03.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790930220 |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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