
Heinrich Schütz: Schwanengesang - Dresdner Kammerchor, Hans-Christoph Rademann
Alterswerk
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Hans-Christoph Rademann und seine Ensembles lassen Heinrich Schütz' Schwanengesang in vielen Farben erblühen immerhin das erstaunliche Werk eines Mittachtzigers. Das Deutsche Magnificat ist ein angemessen prachtvoller Abschluss des Programms.
In der schon sechzehnten Folge der rasch voranschreitenden Gesamteinspielung der Werke Heinrich Schütz’ durch Hans-Christoph Rademann und den Dresdner Kammerchor ist der Schwanengesang des Komponisten zu hören, 1671 abgeschlossen, also ein Jahr vor dessen Tod. Kernstück dieser Motettensammlung ist der textreiche 119. Psalm, der Schütz viel bedeutete, der aber nicht so reich an griffigen und in barocker Musiksprache sinnfällig verwertbaren Bildern ist wie mancher andere Psalm. Schütz fasste die 22 Teile des gesamten Texts zu elf Motetten zusammen, organisiert in zwei vierstimmigen, gleichberechtigten Chören. Daneben umfasst der Schwanengesang eine Vertonung des 100. Psalms und ein Deutsches Magnificat – die wohl auch deshalb Teil der Sammlung wurden, damit sie dem ansonsten wahrscheinlichen Vergessen entrissen würden. Die Überlieferung des Werks ist teils abenteuerlich und reich an glücklichen Fügungen. Und sie ist dennoch nicht komplett, verlangt nach kundig ergänzender Hand. Es erklingt hier die bei Carus erschienene Edition von Werner Breig, der auch den höchst sachkundigen Booklettext beigesteuert hat.
Diese zwar bekannte, aber nicht eben populäre Musik ist kaum unmittelbar zugänglich, weniger griffig als die lebensprallen Psalmen Davids. Die Texte wirken gelegentlich sperrig, eben nicht so klar Bildhaftes evozierend. Vielleicht auch deshalb ist die Reihe der wirklich hochklassigen Einspielungen überschaubar. Herreweghe ist zu erwähnen, das Hilliard Ensemble oder schon einmal früher Rademann. Manchen puristischen Interpreten mag auch geschreckt haben, dass eben zwei Stimmbücher nicht überliefert, also zwangsläufig Ergänzungen notwendig sind und damit eine besondere Interpretations- und vielleicht gar Entfremdungsarbeit zu leisten ist.
Erfahrung & Frische
Jedenfalls verlangt der Schwanengesang nach einer Fülle kluger Entscheidungen in Sachen Disposition der Kräfte, damit die Motetten der Sammlung in ihrer ganzen Attraktivität aufscheinen. Hans-Christoph Rademann ordnet seine Vokalisten an der Schwelle zum Chor an: Jeder Solist, jede Solistin ist Teil eines je dreiköpfigen Chorregisters und tritt aus dieser Konstellation unaufgeregt hervor. Es sind dies namhafte, größtenteils junge Sängerinnen und Sänger, die mit Rademann seit einigen Jahren im Schütz-Universum unterwegs sind und unentwegt kostbare Erfahrungen sammeln: Die Soprane Dorothee Mields und Gerlinde Sämann, die Altisten David Erler und Stefan Kunath, die Tenöre Georg Poplutz und Tobias Mäthger, dazu die Bässe Martin Schicketanz und Felix Schwandtke. Sie alle balancieren souverän auf dem schmalen Grat zwischen Solo und vollstimmiger Wirkung, bringen sich in chorisch angenehm konzentrierte und kernhaltige Register ein. Das Vokalensemble reüssiert souverän in Schütz‘ Idiom, setzt Akzente, gewinnt Impulse aus aktivem Sprachgebrauch. Instrumental sind Violine, Gamben, Posaunen, Dulzian, Theorbe, Violone und Orgel zu hören. Sie gehen farbig mit und erzeugen fast den Eindruck, als wären es obligate Partien, die da gespielt werden. So agil, so zupackend und klangschön verströmen sie sich.
Rademann leitet die Ensembles zu erfreulich frischen Tempi an: Der 119. Psalm wird spürbar in Bewegung gebracht. Dynamisch werden schöne Effekte aus den differenzierten Besetzungen gewonnen, wird echtes Temperament entfaltet. Das Klangbild ist räumlich reich, zugleich kompakt in den strukturellen Wirkungen wie überzeugend im Detail.
Hans-Christoph Rademann und seine Ensembles lassen Heinrich Schütz‘ Schwanengesang in vielen Farben erblühen – immerhin das erstaunliche Werk eines Mittachtzigers. Das Deutsche Magnificat ist ein angemessen prachtvoller Abschluss des Programms.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Heinrich Schütz: Schwanengesang: Dresdner Kammerchor, Hans-Christoph Rademann |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Carus 1 03.11.2017 079:05 2017 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4009350832756 Carus 83.275 |
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Schütz, Heinrich |
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"Heinrich Schütz beendete 1671 im Alter von 86 Jahren sein kompositorisches Schaffen mit der monumentalen Vertonung des 119. Psalms, ergänzt um die Vertonung des 100. Psalms sowie die eines deutschen Magnificat. Diese als "Schwanengesang" bekannte Werkgruppe ist ein sehr persönliches musikalisches Bekenntnis, das sich durch Eleganz und geistvolle Tiefe auszeichnet. Im Rahmen der Schütz-Gesamteinspielung legt der Dresdner Kammerchor unter Leitung von Hans-Christoph Rademann erneut eine maßstabsetzende Einspielung vor, die sowohl das singende als auch das sprechende Element der Komposition beispielhaft berücksichtigt. Diese Einspielung des nur fragmentarisch überlieferten Schwanengesang beruht auf einer neuen, erst im November 2017 erscheinenden Notenausgabe von Werner Breig im Rahmen der Stuttgarter Schütz-Ausgabe. An zahlreichen Stellen empfiehlt sie andere Rekonstruktionsmöglichkeiten als die 1984 eingeführte Fassung und nähert sich dem Schwanengesang so auf ganz neue Weise an! " |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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