
Kuhnau, Johann - Sämtliche geistliche Werke Vol. 3
Advent mit Kuhnau
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Pünktlich zum Advent ist die dritte Folge der schon jetzt hochverdienstvollen Kuhnau-Reihe von Gregor Meyer und David Erler beim Label cpo zu verzeichnen: Musik und Komponist verdienen Aufmerksamkeit es ist eben kein mediokrer Stoff der da geboten wird.
In der dritten Folge der hocherfreulichen Gesamteinspielung des geistlichen Werks von Johann Kuhnau (1660-1722), seines Zeichens Thomaskantor und unmittelbarer Vorgänger Johann Sebastian Bachs, stehen Musiken zu Advent und Weihnachten im Mittelpunkt. Zunächst fällt ein fast halbstündiges 'Magnificat' auf, das prächtig instrumentiert ist, voller höchst individueller Melodik, gespickt mit starken affektiven Kontrasten. Die eingefügten weihnachtlichen Einlagesätze bieten stimmungsvolle Anknüpfungspunkte für die Verortung im liturgischen Jahr. Und immer wieder ist die Komposition getragen von konzis gezeichneten Stimmungen. So ist etwa die Tenor-Arie 'Et misericodia eius' ein fein gezeichnetes Stück, das an Bachs gleichnamiges Duett von Alt und Tenor aus dessen 'Magnificat' gemahnt. Wie überhaupt klar wird: Bach steht mit seinem 'Magnificat' klar in der ästhetischen und liturgischen Tradition, die Kuhnau mit seinem Beitrag mitgestaltet hat – bei aller unstreitigen individuellen Klasse Bachs, die sein Werk allseits nobilitiert.
Im Programm der Platte ist zudem die gleichfalls ausgreifende Kantate 'Frohlocket, ihr Völker, und jauchzet, ihr Heiden' zu hören, schon im Eingangschor symptomatisch für Kuhnau: Mit affektiver Pracht, mit breiter kontrapunktischer Basis, die einerseits zu klaren Strukturen verhilft, andererseits kompositionsästhetisch auf der Stelle zu treten scheint, mit länglich gedehnten Sequenzen, die zumindest am Rande die Frage nach Zeitgebundenheit und Ewigkeitswert aufwerfen. Die Kantate 'O heilige Zeit' bietet eine attraktive Mischung aus kontrapunktisch gefärbten Chören und eigensinniger arioser Kunst. Interessant auch der Kontrast zu einer gleichnamigen Kantate, die Kuhnau zwar zugeschrieben wurde, aber kaum von ihm stammen kann: Zu sehr dominieren hier ein einerseits fast schon eleganter und andererseits in saftig-theatralische Dramatik gesteigerter Tonfall das Bild. Michael Maul vermutet in seinem konzisen Bookletessay eher in Richtung Telemann, Fasch oder Heinichen, was nach dem Höreindruck absolut plausibel scheint, waren die drei doch wie viele weitere Komponisten in jenen Jahren zugleich junge Kollegen und Konkurrenten des arrivierten Thomaskantors und leisteten neben ihrer musikdramatischen Arbeit auch substanzielle kirchenmusikalische Beiträge.
Versierte Könner
In den Ensembles Opella Musica und camerata lipsiensis vereint sich unter der Leitung von Gregor Meyer auf dem gemeinsamen Kuhnau-Weg eine mittlerweile beeindruckende Expertise für den durchaus eigenwilligen, linear gelegentlich auch ins Erratische weisenden Personalstil des Komponisten. Die Vokalisten – im Einzelnen sind es die Sopranistinnen Isabel Jantschek und Heidi Maria Taubert, der Altus David Erler, der Tenor Tobias Hunger und der Bass Friedemann Klos – singen harmonisch auf hohem Niveau, auch technisch schlüssig, vor allem in den Chören und Ensemblesätzen besonders luzide gefasst. Mag auch keine der Stimmen solistisch herausragen, so ist die geschlossene Wirkung der Darbietungen doch ein entscheidender Vorzug der Einspielung. Intoniert wird auf der Basis eines lebendigen Atems, instrumental auch animiert von reizenden Farben: Kuhnau bietet reiche Möglichkeiten, mit Oboen, Trompeten und Pauken, die vom Ensemble weidlich genutzt werden – eloquent und behände, spielfreudig und mit frischer Geste. Neben Trompeten und Oboen sind es die solistisch besetzten Violinen und das knarzende Fagott, die besonders erfreulich zeichnen. Dazu kommt die famose Silbermann-Orgel der Georgenkirche zu Rötha, die das Kuhnau-Projekt schon zuvor vernehmlich geprägt hat: Sie macht deutlich, was an Orgelklang verloren geht, wenn, wie üblich, lediglich eine kleine Truhe verwendet wird. Was dieses klangkräftige Instrument an substanziellen Beiträgen beisteuert, ist unbedingt bemerkenswert.
Gregor Meyer nutzt die ganze Bandbreite der weitläufigen dynamischen Grunddisposition, im Zweifel eher frisch zupackend als abwartend verrätselt, immer wieder auch dank der frischen Orgel-Impulse aus dem Hintergrund. Es wird in ganz überwiegend bewegten Tempi musiziert, selten geraten manche textreichen Chorpassagen im Magnificat etwas zu hektisch.
Pünktlich zum Advent ist die dritte Folge der schon jetzt hochverdienstvollen Kuhnau-Reihe von Gregor Meyer und David Erler – der Altist ist zugleich Herausgeber der wissenschaftlich-kritischen Edition im Hause Breitkopf & Härtel – beim Label cpo zu verzeichnen: Musik und Komponist verdienen Aufmerksamkeit, denn es ist eben kein mediokrer Stoff der da geboten wird. Entgegen den Zuschreibungen missgünstiger Zeitgenossen Kuhnaus wie denen einer ungnädigen Nachwelt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Kuhnau, Johann: Sämtliche geistliche Werke Vol. 3 |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
cpo 1 74:17 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
761203502127 cpo 555 021-2 |
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Kuhnau, Johann |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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