
Blumenthal, Sandro - Kammermusikwerke
Jahrhundertherbstlich
Label/Verlag: TYXart
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Beschäftigung mit Sandro Blumenthal ist ein weiterer Mosaikstein in Oliver Triendls reicher Erkundung der Kammermusik des späten 19. Jahrhunderts.
Zeitgenosse von Reger und Schönberg – wirklich? Sandro Blumenthal (1874–1919), als Sohn eines jüdischen Bankiers in Venedig geboren, scheint einer ganz anderen Epoche anzugehören. Doch liegt dieser durch die vorliegende CD vermittelte Eindruck ausschließlich darin begründet, dass es sich vornehmlich um Frühwerke handelt – 1901 wurde Blumenthal, der mittlerweile sein Studium bei Josef Gabriel Rheinberger abgeschlossen hatte, unter dem Namen Leonhard Bulmans Mitglied der Elf Scharfrichter, Münchens erster Brettlbühne, und wandte sich mit seiner Familie später nach Berlin, wo er 45-jährig starb. Seine ambitionierteste Komposition, die Oper 'Sulamith', errang 1907 in Nürnberg lediglich einen kurzlebigen Achtungserfolg.
Die beiden Klavierquintette D-Dur op. 2 und G-Dur op. 4 entstanden 1898/99 unmittelbar in der Folge seines Münchner Studiums; sie zeigen klar den ‚Münchner akademischen Stil‘, für den Max Reger ein Studium bei Rheinberger abgelehnt hatte. Wirklich eigenes Profil eignet dem handwerklich äußerst sorgfältig und geschickt gearbeiteten ersten Quintett noch nicht, während schon die Eröffnung des zweiten Quintetts einen deutlichen stilistischen Fortschritt darstellt. Hier haben wir einen feinsinnigen, vielversprechenden Komponisten, der die Tradition nicht leugnet – er erweist gar Mozart die Reverenz und denkt ausgesprochen diatonisch, Chromatik findet kaum Berücksichtigung – und ein eigenes Licht auf seine Zeit wirft. Dass schon bald grundlegende Umwälzungen einen Komponisten wie Blumenthal in Vergessenheit fast brachten, muss angesichts der hohen handwerklichen Qualität beider Werke bedauert werden. Oliver Triendl & Friends (diesmal die Streichquartettmusiker Daniel Giglberger, Hélène Maréchaux, Corina Golomoz und Bridget MacRae) tauchen die beiden Kompositionen in ein angemessen warmes, jahrhundertherbstliches Licht, engagiert und verhalten je nach Bedarf, voller Hingabe an die Musik, in allerbestem Ensemblegeist.
Komplettiert wird die Blumenthal-Schau durch vier Lieder, drei aus den frühesten italienischen Jahren, eines aus der Münchner Zeit. Die Zusammenarbeit der Sopranistin Sophie Klußmann mit Oliver Triendl führt zu nicht ganz so beglückenden Ergebnissen wie bei den Klavierquintetten – vielleicht einerseits, weil die italienische Emotionalität nicht wirklich abheben will, aber auch, weil der Klaviersatz der italienischen Lieder vielfach doch extrem konventionell geraten ist. Das 'Erntelied' legt nahe, dass man vielleicht besser mehr deutschsprachige Lieder eingespielt hätte: Hier ist der Klaviersatz deutlich avancierter, auch zeigt sich Klußmann in der Textausdeutung engagierter. Das Booklet ist wie immer bei TYX sehr wertig, nur die Überschrift des Booklettextes ‚Von der Akademie zur Avantgarde‘ scheint der vorgestellten Musik kaum gemäß zu sein. Insgesamt dennoch ein ausgezeichnet gemachtes Plädoyer für einen weiteren ‚Abseiter‘.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Blumenthal, Sandro: Kammermusikwerke |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
TYXart 1 05.05.2017 70:51 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4250702800798 TXA16079 |
![]() Cover vergössern |
"Sandro Blumenthal: |
![]() Cover vergössern |
TYXart TYXart - the musicART label TYXart ist es ein besonderes Anliegen, die emotionalen, geistigen und intellektuellen Anforderungen von Musikliebhabern mit hochwertigen künstlerischen Einspielungen zu erfreuen - und dass Tiefsinn, Humor, Stille, Kraft, Nachdenklichkeit, aber auch Lebensfreude, Jubel oder Trauer, also alles, was die musikalischen Befindlichkeiten des Menschen erhebt und befriedigt, in unseren Veröffentlichungen enthalten ist. Es geht uns dabei nicht in erster Linie nur um "Berühmtheit" oder "Perfektionismus", sondern ums Humane, Originelle, Individuelle und um die begeisternden und begeisterten Interpretationen ungewöhnlicher Musiker, auch der ganz jungen. Jede CD ein Unikat! Das soll unser Motto sein. Dass sich unserem Konzept bereits mehrere außergewöhnliche und berühmte Künstler spontan anschließen, beruht auf deren Überzeugung von der Richtigkeit unseres Anspruchs. Herausragende Musiker und Ensembles der Veröffentlichungen: Giora Feidman (Klarinette), Elena Denisova (Violine), Yojo (Klavier), Liana Issakadze (Violine), Alexander Suleiman (Violoncello), Corinne Chapelle (Violine), Carmen Piazzini (Klavier), Franz Grundheber (Bariton), Matthias Veit (Klavier), Nathalia Prishepenko (Violine), Alexandra Sostmann (Klavier), Franz Hummel (Komponist), Masako Sakai (Klavier), Ensemble del Arte (Kammerorchester), Vardan Mamikonian (Klavier), Jakob David Rattinger (Viola da Gamba), Werner Schneyder (Musik-Kabarett), TRIO ZERO, Sojka Quartett, Deutsches Saxophon Ensemble, Moscow Symphony Orchestra ... Wir stellen zusammen mit unseren Künstlern in Serien wie z.B. "Modern Classics", "Rising Stars" oder "Crazy Edition" Aufsehen erregende Musikaufnahmen unserer Zeit ungewöhnlichen Interpretationen aus mehreren Epochen gegenüber, um ein breites Publikum auf die Lebendigkeit, Schönheit und Kühnheit neuer Kompositionen im Fokus radikaler oder besonders individueller Interpretationen traditioneller Werke aufmerksam zu machen. Lassen Sie sich auch jenseits von Mainstream-Bewegungen begeistern von den sensationellen Einspielungen der Künstler bei TYXart! Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag TYXart:
-
Mehr Fanny als Felix: Eine verdienstvolle Doppel-CD stellt das Liedschaffen der Schwester Mendelssohn in den Vordergrund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Rhythmisch bewegt: Die Gesamteinspielung von Émile Jaques-Dalcrozes Œuvre für Violoncello und Klavier wartet mit einigen Überraschungen auf. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Versäumnisse: Mit Max Regers Klaviertranskriptionen von Liedern Richard Strauss' wird hier wenig verständnisvoll umgegangen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Großes Violinkonzert – großartig interpretiert: Ewelina Nowicka und das Polish National Radio Symphony unter Zygmunt Rychert meistern (unbekannte) Violinwerke von Ludomir Różycki. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Mehr Fantasie als Ordnung: Federico Colli fasziniert und irritiert mit Klavierwerken W. A. Mozarts. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich