
History Of The Organ - Orgelwerke von Bach, Reger u.a.
Abgebrochener Blick auf die Musikgeschichte
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine französisch-amerikanische Perspektive auf ein komplexes Feld, das hier aber um 1750 mehr oder minder abbricht.
Dieser Vierteiler zur Geschichte der Orgel für das französische Fernsehen unter der Regie von Nat Lilenstein nimmt eine ganz eigene Perspektive ein. Lilensteins (geb. 1927) Filmografie geht bis in die späten 1950er-Jahre zurück, als er in Frankreich und den USA als Regieassistent in Erscheinung trat. Schon früh befasste er sich auch mit Dokumentarfilmen, und das British Film Institute listet von ihm aus dem Jahr 1990 Filme über ‚Form‘, ‚Melody‘, ‚Tone‘, ‚Rhythm‘, ‚Harmony‘ und ‚Materials‘. Man darf also davon ausgehen, dass Lilenstein ein klares Konzept seiner Miniserie hatte, auch wenn sich dieses nicht von selbst erschließt; ein Booklet fehlt in der Edition vollständig, so dass ‚Metadaten‘ wie die berücksichtigten Orgelbaufirmen ebenso wenig auf einen Blick ersichtlich sind wie die dargebotenen Werke. Überdies verbirgt die Edition den winzigen indefiniten Artikel des originalen Titels – Lilenstein nennt seine Produktion durchaus rational 'Pulling out the stops. A History of the Organ' und betont damit den bescheidenen Anspruch.
Besonderen Fokus legt Lilenstein auf die Geschichte der Orgel bis ins 18. Jahrhundert, die mit intimer Kenntnis und voller Liebe ausgebreitet wird. Die Instrumente, der Orgelbau, aber auch die Musikgeschichte dieses Zeitraumes werden in großer Vielfalt vorgestellt, und Lilenstein erweist sich als kluger Filmemacher, der musikalische, musikgeschichtliche und orgelbautechnische Aspekte spannend zu verknüpfen weiß. Stets bleibt das Instrument als Ganzes im Zentrum, selbst wenn einzelne Komponisten genauer fokussiert werden.
So erfolgreich die ersten drei Teile der Reihe sind, so unbefriedigend ist der letzte Teil, der das ‚modern age‘, die Zeit nach Bach betrachten will, in 52 Minuten (mit einem langen Interview mit Marie-Claire Alain). Die umwälzenden Veränderungen des Orgelbaus in dieser Zeit können naturgemäß nicht einmal oberflächlich ansatzweise gespiegelt werden – der Orgelbau in Deutschland, Großbritannien oder den USA beispielsweise, die aufkommenden ‚Monsterorgeln‘ (entsprechend unpassend ist das Coverfoto für die ganze Edition gewählt) oder die Automatisierung von Orgeln bis in die Gegenwart – ebenso merkwürdigerweise die Orgelreform im 20. Jahrhundert, die doch unser Interesse an historischen Orgeln stark mitgeprägt hat und die hier (ebenso merkwürdig) auf Olivier Messiaen bezogen wird, nicht aber auf Pepping oder Hindemith.
Musikalisch zeichnet sich diese Folge fast ausschließlich durch Lücken aus – kein Land der Welt wird hier auch nur ansatzweise angemessen repräsentiert. Mozart, Mendelssohn, Liszt, Vierne, Elgar oder Tournemire fehlen ebenso wie fast jedwede spätere Generation (Messiaen und Jehan Alain ausgenommen) – fast überrascht es, dass immerhin Reger enthalten ist. Auch die neuen Anforderungen an Interpreten, Instrumenten und Publikum durch Komponisten wie Sorabji, Kagel, Blarr und zahllose andere finden nicht statt. Entweder war Lilensteins Interesse verflogen oder sein Etat quasi komplett ausgegeben. Gerade für die DVD-Veröffentlichung wäre es aber für sein Renommee besser gewesen, auf die Veröffentlichung dieser vierten Folge, die das Unmögliche möglich zu machen versucht und dennoch auf leider nur mehr niedrigem Niveau scheitert, zu verzichten. Ohne ihn haben wir eine gut recherchierte, auch visuell interessante Einführung in die Geschichte der Orgel und der Orgelmusik.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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History Of The Organ: Orgelwerke von Bach, Reger u.a. |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 4 24.02.2017 |
Medium:
EAN: |
DVD
4058407093268 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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