
Richard Strauss - Eine Alpensinfonie, op.64
Gemolkene Kuh?
Label/Verlag: OehmsClassics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sebastian Weigles Deutung der 'Alpensinfonie' ist unaufgeregt und zeichnet mit breitem Pinsel, bleibt dabei aber erfreulich durchhörbar.
‚Ich hab‘ einmal komponieren wollen, wie die Kuh Milch gibt‘, hat Richard Strauss über seine 'Alpensinfonie' geäußert, und mittelfristig hat er dem Verständnis dem Werk, das er bewusst nicht als Tondichtung bezeichnet hat, mehr geschadet als genutzt. In einer Zeit, in der Kuhglocken und Donnermaschine mit allzu großer Wonne vielmehr als illustrative Mittel gedeutet wurden denn als musikdramaturgischer Effekt in einer kohärenten sinfonischen Struktur, mussten Strauss‘ Äußerungen inner- und außerhalb der Partitur irreführen. Wie so viele Einspielungen bezieht sich auch die vorliegende auf die extramusikalischen Notizen in der Partitur des Werkes, die mehr kompositorischer Anhaltspunkt waren denn strukturell von Nutzen sind. Schon 1921 hat Richard Specht versucht, die sinfonische Struktur des Werkes ernst zu nehmen, und manch ein Musikwissenschaftler hat ihm dies gleichgetan. Viele Dirigenten hingegen haben sich durch die kleinen Notizen aber leider bis heute noch in die Irre führen lassen, haben das Werk rhapsodisch aufgefasst (was aus strenger Perspektive nur zu dem Schluss führen könnte, dass die 'Alpensinfonie' nur Strauss‘ vorletzte Tondichtung wäre vor der 'Japanischen Festmusik' op. 84, die, nur zwanzig Opuszahlen von der 'Alpensinfonie' entfernt, während des Zweiten Weltkrieges entstand und seither als Compositio non grata gilt).
Rund hundert Jahre nach der Frankfurter Erstaufführung unter Willem Mengelberg wurde am 1. und 2. November 2015 das Werk für die Oehms-Reihe der Strauss-Orchestermusik mitgeschnitten. Sebastian Weigle, der künstlerische Leiter der Museumskonzerte Frankfurt, bringt einen eher epischen Zugriff, mit warmem Mischklang und dramatischen Steigerungen. Orchestrale Details sind dem Gesamteindruck untergeordnet. Mit breitem Pinsel breitet Weigle das Werk vor dem Zuhörer aus, mit herrlichen, teilweise fast ‚understateten‘ Portamenti an passender Stelle, aber auch ohne jene brillante Couleur, die seit Karajan neueren Interpretationen für gewöhnlich anhaftet. Der spannungsvolle Gestus, den Strauss‘ eigene Darbietung innehat und den auch etwa die Dresdner Aufnahme Rudolf Kempes auszeichnet, geht Weigle völlig ab – selbst die schnellsten Passagen bleiben vor allem sanglich-elegant, mit klarer Durchhörbarkeit und sorgfältig gesetzten Highlights. Vielleicht kann man tatsächlich von der ‚melkenden Kuh‘ sprechen – von Musik, die (im Grunde gegen die Gepflogenheiten der damaligen Zeit) durchaus ‚ins Ohr geht‘.
So kann Weigle auch manche Peinlichkeit ‚überspielen‘, etwa in Track 9, wo bei falschem Zugriff die Musik auf unangenehme Weise banal klingt (Kempe hat an dieser Stelle das Tempo angezogen statt zurückgenommen – auch eine überzeugende Perspektive).
Die kluge Orchesterdisposition, die das umfangreiche Orchesterarsenal zu guter Gesamtwirkung kommen lässt, unterstützt Weigles unaufgeregte Lesart, die vielleicht nicht unbedingt in jedem CD-Regal stehen muss, für Hörer, die in ‚Klang baden‘ möchten, aber eine wahre Wonne sein wird. Der genuin sinfonische Duktus der Komposition kommt dem Rezensenten allerdings zu kurz.
Nun steht zu hoffen, dass Weigle, dessen Entdeckergeist wohlbekannt ist, vielleicht nicht bei den neun Tondichtungen endet (die Sinfonie f-Moll liegt schon vor), sondern auch endlich die erste Stereo-Einspielung von Strauss‘ 'Japanischer Festmusik' vorlegt. Es bleibt unverständlich, warum dieses wichtige Werk, das Strauss‘ bis heute unterschätzten Spätstil (lange vor den vom Komponisten selbst als deutlich minder wichtigen späten Konzertkompositionen) ganz neu zur Diskussion stellen könnte, von allen Dirigenten und ebenso der Forschung und den Booklettextautoren links liegen gelassen wird.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Richard Strauss: Eine Alpensinfonie, op.64 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
OehmsClassics 1 26.08.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
4260034868915 |
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OehmsClassics Ein erfülltes Leben ist ohne Musik kaum denkbar. Musik spiegelt unsere Wahrnehmung der Umwelt und die Realität heutiger wie vergangener Zeiten. Gute Musik ist immer neu, immer frisch, immer wieder entdeckenswert. Deshalb bin ich überzeugt: Es gibt nicht -die- eine, definitive, beste Interpretation der großen Werke der Musikgeschichte. Und genau das macht klassische Musik so spannend: Jede Musikergenerationen experimentiert, entdeckt neue Blickwinkel, setzt unterschiedliche Schwerpunkte - derselbe Notentext wird immer wieder von anderen Strömungen belebt. Deshalb ist ein Musikstück, egal aus welchem Jahrhundert, auch immer Neue Musik. OehmsClassics hat es sich zur Aufgabe gemacht, am Entdecken der neuen Seiten der klassischen Musik mitzuwirken. Unser Respekt vor den künstlerischen Leistungen der legendären Interpreten ist gewiss. Unser Ziel als junges CD-Label sehen wir jedoch darin, den interpretatorischen Stil der Gegenwart zu dokumentieren. Junge Künstler am Anfang einer internationalen Karriere und etablierte Künstler, die neue Blickwinkel in die Interpretationsgeschichte einbringen - sie unterstützen wir ganz besonders und geben ihnen ein Forum, um auf dem Tonträgermarkt präsent zu sein. Sie, liebe Musikhörer, bekommen damit die Gelegenheit, heute die Musikaufführung zu Hause nachzuvollziehen, die Sie gestern erst im Konzertsaal oder Opernhaus gehört haben. Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns die neuen Seiten der klassischen Musik zu erleben!
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