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Montag, 2. Oktober 2023

Schumann, Robert - Klavierwerke zu vier Händen

Historischer Klang


Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Vierhändige Klavierwerke von Robert Schumann auf einem Erard-Flügel, das verspricht ein Hörvergnügen erster Klasse. So ganz werden die Erwartungen hier aber nicht erfüllt, vor allem nicht in klangfarblicher Hinsicht.

Es gibt Werke, die gelten als in ihrer Originalform quasi unaufführbar. Schuberts Arpeggione-Sonate zählt dazu, Haydns, Mozarts und Beethovens Stücke für Flötenuhr oder Glasharmonium und auch Robert Schumanns Kompositionen für den Pedalflügel. Natürlich hat sich längst erwiesen, dass trotz der Seltenheit der originalen Instrumente angemessene Interpretationen auf eben diesen durchaus möglich sind, doch bleiben sie Randerscheinungen, die von gutgemeinten ‚verbessernden‘ Darbietungen zur Seite gedrängt werden.

Als etwas anderes darf man den Zugang selbst renommierter Komponisten nennen, die die Originalkompositionen für eine neue Besetzung bearbeiten. Hiermit verlassen die Interpreten bewusst die Originalgestalt, ob bei der Darbietung von Klavierauszügen von Sinfonien oder anderer Orchestermusik (beides bei Dabringhaus und Grimm interpretatorisch zumeist vorbildlich umgesetzt) oder umgekehrt bei Orchestrierungen oder orchestratorischen Umarbeitungen anderer Werke. Auf der vorliegenden SACD werden uns Schumanns 'Sechs Studien in kanonischer Form' op. 56 aus dem Jahre 1846 in Georges Bizets Bearbeitung für Klavier vierhändig dargeboten (deren Datierung um 1873 im Booklet leider nicht mitgeteilt wird, ebenso wenig Grund und Anlass der Umarbeitung). Die sechs kanonischen Studien sind von einiger Attraktivität, weit entfernt von jeder akademischer Trockenheit, gerade auch in der hier vorliegenden, etwas pedallastigen Darbietung. Der Érard-Flügel aus dem Jahr 1837 aus der Sammlung Edwin Beunk ist hier überraschenderweise kaum als solcher erkennbar – offenbar haben die Stimmer sich bewusst gegen eine damals übliche Stimmung entschieden, doch auch die Tontechniker haben eine allzu direkte Aufnahme des Instruments gewählt. Dies nimmt der Musik viel von der ihr innewohnenden Raffinesse und dem Instrument viel von seiner Eigenart – viele theoretisch mögliche feine Farbschattierungen gehen trotz der Aufnahmetechnik verloren.

Schumanns berühmtestes vierhändiges Klavierwerk sind die 'Bilder aus Osten' op. 66 (1848). Dass die beiden Pianisten auch hier den Notentext vollendet beherrschen, überrascht nicht, doch fehlt ihrer Interpretation auch hier etwas der völlig eigene Érard-Ton, auf den ich mich besonders gefreut hatte – nur in wenigen feinen Piano- und Pianissimo-Passagen kommt das Instrument voll zur Geltung.

Komplettiert wird die Produktion durch die zwölf 'Stücke für große und kleine Kinder' op. 85 aus dem Jahre 1849. Von den Charakteren ähnlich profiliert wie die zeitnah entstandenen Soloklavierwerke, spürt man die Liebe, die die Interpreten der Musik angedeihen lassen – mit hellem hohem Register, feiner Phrasierung und beträchtlichem Charme und Witz. Die Vorläuferfunktion für Hugo Wolf wird spätestens in 'Am Springbrunnen' offenkundig.

Wyneke Jordans und Leo van Doeselaar, seit 1980 das Amsterdam Klavierduo und auf modernen wie historischen Flügeln gleichermaßen beschlagen unterwegs, erkunden den reichen Farbenklang der Musik souverän – dennoch darf gefragt werden, ob sie Schumann nicht zu sehr durch die Augen Clara Schumanns sehen, die in ihren späteren Jahren bekanntlich einen etwas getrageneren, stärker das Pedal nutzenden Stil pflegte.

Auch der Booklettext verschenkt die Chance, zu einer vorbildlichen Referenzeinspielung substanziell beizutragen – es steht zu hoffen, dass, sollte es zu einer zweiten Folge (noch unbekannterer) vierhändiger Klaviermusik Robert Schumanns kommen, sowohl die Tontechniker, Stimmer und Bookletautoren eine noch bessere Leistung bringen. Die Pianisten (und die Musik) hätten es verdient.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Schumann, Robert: Klavierwerke zu vier Händen

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
MDG
1
23.03.2015
Medium:
EAN:

SACD
760623190266


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MDG

Die klangrealistische Tonaufnahme

»Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)

Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung.

Lifehaftigkeit

In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.

Musik entsteht im Raum

Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?

Die Aufnahme

Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.

Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen.


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