
Virgo Prudentissima - Geistliche Musik aus Polen
Polnische Schmuckstücke
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ein hochinteressantes Programm mit Musik von Marcin Mielczewski, Adam Jerzębski und Mikołaj Zieleński in einer hochklassigen Interpretation durch Manfred Cordes und sein Ensemble Weser-Renaissance.
Wenn in Mittel- und Westeuropa über Traditionen Alter Musik gesprochen wird, sind nur sehr selten Überlieferungen aus Ostmitteleuropa gemeint: Neben dem noch leidlich nachvollziehbaren Impuls, die Hinterlassenschaften des je eigenen kulturellen, auch nationalen Kontexts genauer unter die Lupe zu nehmen, mag dabei auch die inzwischen weit fortgeschrittene Kanonisierung des Repertoires eine gewisse Rolle spielen: Für Neuzugänge, sei deren Werk auch noch so gehaltvoll, ist nur mehr wenig Platz. Auch diskografisch schlägt sich das nieder, bleiben empfindliche Lücken bestehen.
Oft zu Unrecht. Das wird beispielhaft klar schon bei einem knappen Blick auf die polnische Musikgeschichte im 16. und 17. Jahrhundert: Polen ist mit seinen leistungsfähigen Kapellen, den talentierten Komponisten und Instrumentalisten ein ganz selbstverständlicher Teil des musikalischen Austauschs jener Zeit, hat Anteil an ästhetischen Entwicklungen und Debatten – der Italiener Marco Scacchi war nicht nur ein wichtiger und geachteter Theoretiker, er war zugleich einflussreicher Kapellmeister am Hof des polnischen Königs. Die aktuelle Wahrnehmung will von all dem viel zu wenig wissen. Es gibt verdienstvolle Initiativen, da Abhilfe zu schaffen, namentlich beim polnischen Label DUX, gelegentlich mit schönen Ergebnissen, immer wieder aber auch mit leider allerhöchstens durchwachsenem Ertrag, der die farbige Musik dann fast zwangsläufig, jedoch ungerechtfertigterweise zurückverweist ins Reservat des Verkanntseins, des Vergessens.
Musik auf der Höhe der Zeit
Insofern ist es ein hochlöbliches Unterfangen, das Manfred Cordes mit dem Programm der aktuellen Platte des Ensembles Weser-Renaissance gewagt hat: Er hat Kompositionen von Marcin Mielczewski, Adam Jerzębski und Mikołaj Zieleński zur festlichen Marienverehrung am polnischen Hof zusammengestellt. Am ehesten ein Begriff sein dürfte noch Zieleński, dessen 'Offertoria totius anni' und 'Communiones totius anni' 1611 in Venedig gedruckt wurden und einigen Eindruck hinterließen. Zieleński wie seine beiden wichtigen biografischen Daten gleichfalls nicht sicher zu verortenden Kollegen haben Musik von evidenter Qualität hinterlassen. Prachtvolle Mehrchörigkeit auf dem neuesten Stand ist zu hören, in weit aufgefächertem Satz, auch in erlesener Konzentration, dazu instrumentale Concerti von besonderer Expressivität: Musik auf Augenhöhe mit dem vertrauten Repertoire jener Zeit. Vielleicht ist nicht alles von größter Individualität geprägt, doch weit mehr als nur respektabel zu nennen.
Versierte Interpreten
Es ist ein Glücksfall, dass Manfred Cordes diese Musik mit den stilistisch hocherfahrenen Vokalisten seines Ensembles verlebendigt hat: Namen wie Franz Vitzthum, David Erler, Jan van Elsacker oder Dominik Wörter stehen für hochkompetente Anwaltschaft. Sie formen mit weiteren Mitstreitern ein überaus harmonisches Ensemble, das sein gesamtes künstlerisches Vermögen engagiert in die Waagschale wirft, überzeugend auf dem schmalen Grat von solistischer und Ensembleanforderung balancierend, agil im Zusammenwirken mit den farbig registrierten Instrumenten.
Die brillieren in den bemerkenswerten Instrumentalsätzen von Adam Jerzębski ganz besonders, tragen vor allem artikulatorisch Etliches zum reichen Ertrag der Interpretation bei – in der feinen Balance von typischer Bewegtheit und linearer Ruhe. Dazu gelingen Klänge von einiger Raffinesse, immer wieder in höchst differenzierter Gestaltung, gelegentlich in besonders schön ausgehörten Konstellationen. Das Klangbild ist erfreulich groß, zugleich präzis und sehr überzeugend gestaffelt. Instrumentale und vokale Anteile befinden sich in feiner Balance.
Manfred Cordes und das Ensemble Weser-Renaissance erweisen sich erwartungsgemäß als hochkompetente Anwälte dieser wertvollen Musik. Und als höchst willkommene dazu, denn die Werke dieser Meister bedürfen unbedingt noch weiterer diskografischer Stärkung – eine Ermutigung auch für andere Formationen: Solch ein Programm ist auch für eine Ensemblediskografie ein ganz besonderes Schmuckstück. Denn wer hat das aktuell schon in seinem Repertoire?
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Virgo Prudentissima: Geistliche Musik aus Polen |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 17.10.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
761203777228 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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Portrait

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Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
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