
Edition RadioMusiken Vol. 2 - Werke von Künneke, Schreker, Toch u. a.
Vielgestaltige Radio-Musiken der Zwanziger
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
In der "Edition RadioMusiken" ist bei cpo nun die zweite Doppel-CD erschienen: "Suites & Overtures for the Radio" mit Aufnahmen aus den späten 20ern, die über das Radio uraufgeführt wurden. Die bunten Raritäten sind ein Abbild ihrer Zeit.
Franz Schrekers 'Kleine Suite' für Kammerorchester (1928) wurde 1929 in einer Radiosendung uraufgeführt. Die ‚Schlesische Funkstunde‘ stellte die Suite erstmals dem Publikum vor, über Funk und nicht im Konzert. Mit der zunehmenden Verbreitung des Radios in der Mitte der 1920er Jahre stellten sich Kulturschaffende die Frage: Wie können wir dieses neue Medium für die Musik nutzen? Die Antwort lautete: indem Kompositionsaufträge für Radio-Musiken vergeben werden. Die Übertragung der Suite von Schreker wurde als ‚Ursendung‘ bezeichnet. Diesen Titel verdient sie im doppelten Sinne. Damals wurde nicht nur seine Suite uraufgeführt, sondern diese Sendung kennzeichnete ebenfalls den Beginn der Radio-Musiken. Eine Auswahl der für deutsche Funkhäuser entstandenen Werke hat das Orchester der Staatsoperette Dresden unter der Leitung seines langjährigen Chefdirigenten Ernst Theis nun neu eingespielt.
Mit einem 'Präludium' beginnt Schrekers Suite. Im gemütlichen Tempo mit ruhigen Melodien und Klängen eröffnet die CD und stimmt auf sehr vielfältige Stücke ein. Schon springt die Musik zu angezogenen Tempi und gewandten Rhythmen in der 'Marcia', dem nächsten Stück. Das Orchester der Staatsoperette Dresden zieht an, baut kurz Volumen auf, geht aber immer wieder schnell zurück. Die Musiker spielen vor allem mit Bedacht und Maß. Ein Fokus liegt auf den vielen Soli, die immer wieder in den Stücken auftauchen und die in dieser Aufnahme angemessen hervorgehoben sind. Dabei stehen diese niemals zu laut über den begleitenden Stimmen und sind in ein Stimmennetz eingearbeitet. Einzig die tiefen Bassstimmen gehen vor allem im Tutti im Hintergrund unter.
Zwei CDs, 32 Titel, sieben Werke plus eine Bearbeitung von sechs Komponisten, Spieldauer ca. zweieinviertel Stunden, um ein paar Zahlen zu nennen. Diese Vielfalt ist den Kompositionen selbst eingeschrieben. Genregrenzen ließen ihre Urheber hinter sich. Ob die Elemente nun aus traditioneller Kunstmusik, Avantegarde, Jazz oder in Max Buttings 'Heiterer Musik' sogar aus dem Tango kommen, spielte keine Rolle. Jeder der Komponisten fand seinen ganz eigenen Umgang mit der stilistischen Ungebundenheit der Musik. Dass auf dieser Doppel-CD zwar ein Rahmen, aber keine durchgehende Dramaturgie entsteht, ist durch das Programm vorbestimmt. Die kürzeren Einzelstücke in der Form von Suiten, einer Sinfonietta, einer Caprice und anderen Formen unterhalten kurzweilig und sind – jedes Werk für sich – spannende Mikrokosmen, stehen jedoch nur im programmatischen Zusammenhang, da sie alle für das Radio geschrieben wurden.
Langeweile kommt beim Hören trotzdem nicht auf. Denn schon in sich warten die Kompositionen mit vielen Überraschungsmomenten auf. Die Komponisten nahmen instrumentale Erweiterungen des klassischen Klangkörpers vor. Schreker komponiert im 'Canon' ein träumerisches Saxophonsolo, das hier elegant, dezent und klangvoll ausgeführt wird. Eduard Künneke zieht in seiner 'Tänzerischen Suite' eine Jazzband hinzu und Max Butting komponiert eine 'Sinfonietta mit Banjo'. Damit einher gehen viele stilistische Brüche. Nach charmanten Flötensoli erscheint ein zügiger Marsch oder ein mitreißender Tanz. Überhaupt gibt es in dieser Zusammenstellung viel tänzerisch bewegte Musik zu hören. Wie gesagt, kurzweilige Unterhaltung, aber auf hohem Niveau.
Die Glanzmomente liegen in den ruhigen Stücken, etwa Künnekes 'Blues' oder in Walter Braunfels‘ 'Divertimento'. Mit geschmeidigem Ton erschafft das Orchester genügend Raum für entspannte Entwicklungen in den verschiedenen Klangsphären. Gerade in den swingenden Stücken Künnekes fehlt es aber ein wenig an coolem Drive, was die Musiker jedoch mit viel Prägnanz und Klangschönheit ausgleichen. Mischa Spolianskys 'Charleston Caprice' für großes Orchester spielt das Orchester wiederum mit umwerfendem Swing-Feeling. Das nur sechsminütige Stück zelebriert die Genrevielfalt der Radio-Musiken, ein klangliches Abenteuer zwischen Jazz, Klassik und Moderne. Zu tänzerischen Rhythmen wippt der Fuß – und schon erklingt im nächsten Moment ein dissonanter ‚Ausreißer‘. Was als Bruch erscheinen könnte, klingt bei den Dresdnern elegant harmonisch. Die meisten der vielen Einzelstücke unterhalten, ohne ins Easy-Listening zu verfallen. Richtige Ecken und Kanten, etwa in den letzten beiden Stücken der 'Tänzerischen Suite' von Künneke, sind selten. Das heißt nicht, dass die restliche CD gleichförmig dahinfließt. Die Komponisten mussten sich an das neue Medium anpassen, und große Klangfülle hätte vermutlich jedes Heimradio dieser Zeit klanglich überfordert.
Mit einem 50-seitigen (!) Booklet in Deutsch und Englisch erhält jede(r) Interessierte eine Einführung in die Werke und zu den teilweise heute nur mehr wenig bekannten Komponisten. Es finden sich zahlreiche Zitate aus Rezensionen, Äußerungen der Komponisten, Bilder und Hintergründe zur Entstehung, nicht nur der Werke, sondern auch allgemein zum damals neuen Genre der Radio-Musiken. Die Beziehung der technischen Entwicklungen und der Komposition für diese wird ebenso angesprochen wie ganz persönliche Schicksale und die Aufarbeitung der Musik für das Radio. Ein toll recherchiertes und vielfältiges Beiheft begleitet diese selbst schon so vielgestaltige Zusammenstellung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Edition RadioMusiken Vol. 2: Werke von Künneke, Schreker, Toch u. a. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 2 17.10.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
761203783823 |
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Künneke, Eduard |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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