> > > Bridge, Frank: Sonate für Cello & Klavier
Montag, 25. September 2023

Bridge, Frank - Sonate für Cello & Klavier

Bridge spielen ist nicht einfach


Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Kammermusik von Frank Bridge erfordert von ihren Interpreten ein hohes Maß an Einfühlung und Gestaltungskraft. Die Musiker vorliegender Einspielung verfügen darüber und machen das musikalische Ergebnis höchst achtbar.

Es ist auffallend, wie wenige Musiker sich an die Werke von Benjamin Brittens Lieblingslehrer Frank Bridge (1879-1941) heranwagen. Bridges Musik ist nicht immer einfach, zudem zerfällt sein Schaffen bekanntlich in zwei klar voneinander zu trennende Epochen: jene vor dem Ersten Weltkrieg, in der Bridge die neu entwickelte Kammermusikkultur in Großbritannien zur Blüte führte, und jene extrem abweichende Phase nach 1914, in der Bridge geradezu zwanghaft von der Stilistik der Vergangenheit abrückte und zu einem frühen Modernisten wurde.

Auf der vorliegenden CD sind mehrere eher beliebte Kompositionen und ein ausgesprochen selten zu hörendes Werk versammelt, die bislang im Hyperion-Katalog fast alle noch fehlten. Da es sich um unterschiedlich besetzte Werke handelt, lag es nahe, ein Ensemble zu verpflichten, das eben auf solch flexible Besetzungen spezialisiert ist – in England gibt es eine ganze Reihe entsprechender Klangkörper, The Fibonacci Sequence, das Locrian Ensemble, das Endymion Ensemble etwa oder das Nash Ensemble, letzteres – man kann es kaum glauben – vor fast fünfzig Jahren gegründet. Durch die flexible Besetzung war die Rekrutierung neuer Kräfte weitaus einfacher möglich als bei Streichquartetten oder Klaviertrios, die in dieser Hinsicht zumeist sehr viel statischer sind und nicht selten mit dem Rückzug oder Tod des Primarius aufgelöst werden.

Eröffnet wird die CD durch die 'Phantasy' fis-Moll für Klavierquartett von 1910, die Bridge für Walter Wilson Cobbett schuf; der Musikmäzen wollte so die Tradition der englischen ‚Phantasy‘ aus der Barockära wiederbeleben, einer der Neudeutschen Schule verpflichtete Formkonzeption, die sich von Sonatenprinzipien lossagt. Das Quartett, das eigentlich immer ein Publikumserfolg ist (seit Jahren haben Hyperion eine Einspielung im Programm, gekoppelt mit den Klaviertrios), erfährt hier eine ungemein lebensvolle, lyrisch und dramatisch fein ausgearbeitete Wiedergabe, mit großem Verständnis für Bridges Idiom und die Tradition, in der dieses Werk im Besonderen steht.

Seine Cellosonate schuf Bridge von 1913 bis 1917; die Uraufführung fand 1917 in der Wigmore Hall statt. Der erste der beiden Sätze entstand vermutlich noch vor dem Ersten Weltkrieg und ist in der damals noch ungebrochenen Sonatentradition zu verstehen (Bridge war wie viel seiner Zeitgenossen sehr daran interessiert, immer wieder andere Formkonzepte zu erkunden, doch noch ohne mit der Tradition zu brechen). Der zweite Satz stellte den sich der verändernden Welt nur zu bewussten Komponisten vor große Probleme, die er schließlich durch eine Verbindung von langsamem Satz, Scherzo und Finale zu einer Phantasie-Bogenform löste. Hier hören wir bereits seinen Abschied von der Tonalität mehr als nur angedeutet, auch wenn Bridge hier noch nicht komplett mit ihr gebrochen hat. Paul Watkins ist der bislang bekannteste Cellist, der sich, zusammen mit Ian Brown, der Sonate annimmt – und dass Watkins derzeit als der beste britische Cellist seiner Generation angesehen wird, ist nur ein kleines Indiz für das, was wir hier haben: Klangfarben, dynamische Differenziertheit, Form- und Timingverständnis allerhöchster Grade, im Grunde wohl die Referenzeinspielung des Werks.

Gegenpol der Cellosonate ist die 1932 nach einigen Mühen fertiggestellte Violinsonate, 1934 durch Antonio Brosa (einen frühen Exponenten Benjamin Brittens) und Harold Samuel uraufgeführt. Wir haben hier ein Werk aus Bridges Spätphase, in freier Tonalität, voll starker Expression und tiefen Lyrizismus. Die einsätzige Komposition ist Bridges Patronin Elizabeth Sprague Coolidge gewidmet, die es ihm ermöglichte, ganz dem Komponieren zu leben und Unterrichten und Konzertieren aufzugeben. Das Werk erfuhr, wie viele von Bridges Kompositionen aus seiner Lebensphase nach 1918, ausgesprochen unfreundliche Aufnahme. Wir hören hier Marianne Thorsen und Ian Brown, von denen man allein schon durch ihre Mitgliedschaft im Nash Ensemble allerhöchstes Niveau erwarten darf – und nicht enttäuscht wird. Thorsen dosiert Vibrato exakt auf den Punkt, die beiden Musiker sind offensichtlich bestens aufeinander eingespielt, ihre Durchdringung des Werkes darf als exemplarisch bezeichnet werden.

Komplettiert wird die CD durch vier Stücke für Streichquartett aus den Jahren 1908-22, die zu einander in Verbindung stehen durch verwendetes Volksgut. Obschon das Nash Ensemble nicht für Streichquartettbesetzungen berühmt ist, bieten Marianne Thorsen, Laura Samuel, Lawrence Power und Paul Watkins eine äußerst homogen gewachsene Interpretation, die die einzelnen Sätze weit über jedes Salongeklingel (als das sie auch daherkommen können) hinaus. Auch hier haben wir dramatisch-lyrische Kammermusik, die Momente der leichten Muse nicht vollständig verleugnet, die aber in der vorliegenden Einspielung vor allem durch ihren musikalischen Ernst besticht.

Eine rundum überzeugende Einführung in Bridges Kammermusikschaffen haben wir hier insgesamt also, vorbildlich in Interpretation und Aufnahmetechnik. Für den deutschen Markt fehlt einzig eine Übersetzung der Booklettexte, insbesondere des äußerst substanzvollen Beitrags des Bridge-Experten Paul Hindmarsh.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Bridge, Frank: Sonate für Cello & Klavier

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Hyperion
1
04.10.2013
Medium:
EAN:

CD
034571280035


Cover vergössern

Hyperion

Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britain’s brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan).

We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world.

The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards.

Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Hyperion:

  • Zur Kritik... Komplexe Kunst: Verlässlich bringt das Orlando Consort wie hier mit Machaut ferne Musik ans Ohr der Gegenwart und lässt sie ebenso regelmäßig auf erstaunliche Weise bei aller Komplexität frisch, relevant und dringlich klingen. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... Von der Wüste in die himmlische Stadt: 'Des canyons aux étoiles...', eines der zentralen Orchesterwerke aus der Feder von Olivier Messiaen, in einer spektakulären Interpretation mit dem Symphonieorchester Utah unter Thierry Fischer. Weiter...
    (Dr. Michael Loos, )
  • Zur Kritik... Prokofiev auf höchstem Niveau: Stephen Osborne überzeugt in jeder Hinsicht mit den 'Kriegssonaten' Nr. 6, 7 und 8. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle Kritiken von Hyperion...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Georges Bizet: Jeux d'enfants op.22

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich