
Heinrich Schütz: Psalmen Davids - Gesamteinspielung, Vol. 8
Kosmos
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die 'Psalmen Davids' von Heinrich Schütz: Der achte Teil der Gesamteinspielung der Schützschen Werke mit dem Dresdner Kammerchor und Hans-Christoph Rademann ist auf höchstem Niveau gelungen – eine deutliche Bereicherung des Repertoires.
Sind es in der heutigen Wahrnehmung vor allem die großen, gar monumentalen Einzelwerke klassisch-romantischer Provenienz, die als Solitäre überragen, könnten im Rückblick auf ältere Epochen einzelne Sammlungen einen ähnlichen Rang beanspruchen: Heinrich Schütz‘ 'Psalmen Davids', 1619 erstmals im Druck erschienen, sind eine solch ehrfurchtgebietende Kollektion. In 26 Sätzen zeigt sich Schütz auf einem der vielen Höhepunkte seiner Kunst, verschmilzt er das italienische Prinzip des vokal-instrumentalen Konzertierens in mehreren Chören mit der theologischen Ambition der lutherischen Predigt zu einzigartigen Kunstwerken. Die 'Psalmen Davids' zeigen, was Schütz an geradezu überwältigender Raummusik zu schaffen in der Lage war, ohne dass feine lineare Entwicklungen, subtile Wortdeutungen, eine insgesamt hochintensive Verbindung von Sinn und musikalischer Ebene oder eine erlesen delikate Klangeleganz je darunter litten. Einmal mehr kann man mit Blick auf eine der wichtigen Sammlungen aus der Feder des großen komponierenden Predigers bilanzieren: Hätte er nur dies geschaffen, diesen eigenständigen Kosmos – ein vornehmer Platz in der Musikgeschichte wäre ihm absolut sicher gewesen.
Ganz nah an der Ideallinie
Manch besonders attraktives Stück der Kollektion ist durchaus bekannter, immer wieder finden einzelne der Sätze ihren Weg in programmatisch gemischte Platten. Doch sind Gesamteinspielungen äußerst rar, zumal solche, die den hohen Ansprüchen der gegenwärtigen Interpretationskunst gerecht werden: Natürlich und zuallererst ist die herausragende Deutung von Cantus Cölln zu nennen. Dazu noch der Kammerchor Stuttgart mit Frieder Bernius oder, etwas anders gelagert, die Regensburger Domspatzen. Doch lang ist die Liste nicht.
Das macht die neue Gesamteinspielung umso wertvoller, die Hans-Christoph Rademann jetzt als achten Teil seiner Schütz-Gesamtaufnahme bei Carus veröffentlicht hat. Dazu hat er mit seinem Dresdner Kammerchor und dem hervorragend besetzten Dresdner Barockorchester seine versierten Stammensembles um eine absolut homogene Solistenriege erweitert. Diese Vokalisten lösen nahezu idealtypisch die Ansprüche ein, die das Singen an der Grenze von solistischen und Ensembleanforderungen stellt. Da findet sich alles in perfekter Balance, überzeugen die versierten Akteure wie Dorothee Mields, David Erler, Georg Poplutz und Stephan MacLeod genauso wie die vier jungen Sänger daneben – Marie Luise Werneburg, Stefan Kunath, Tobias Mäthger und Felix Schwandtke führen das hohe solistische Niveau bruchlos fort. Alle beleben das Geschehen mit ihrer durchweg hervorragenden Diktion und setzen ihre schlanken, beweglichen, dabei angemessen klangvollen Stimmen dezidiert ein.
Neben den Akteuren in den Favoritchören komplementieren die 18 Sänger des Dresdner Kammerchors in den sogenannten Capellchören das Geschehen, sind dabei viel mehr als ein Klangverstärker: Sie bereichern den solistischen Vokalklang, erweitern ihn organisch und absolut selbstverständlich. Dazu bringen sie eine gleichfalls elegante und sehr kultivierte Note in das Geschehen ein. Wie bei die Solisten ist auch im Chor artikulatorisch alles auf eine schlüssige Deutung, auf die sensible Verlebendigung des Verhältnisses von Text und Musik hin ausgerichtet, was auf natürliche und selbstverständliche Weise gelingt.
Die Psalmen Davids versammeln Sätze, die in der praktischen Ausführung etliche organisatorische Entscheidungen verlangen, die gleichsam in der klugen Verteilung der vokalen und instrumentalen Ressourcen einer individuellen Registrierung bedürfen. Das gelingt in sehr verschiedenen Konstellationen, wobei die exzellenten Instrumente einen wichtigen Beitrag leisten: Sie ergänzen, formen, strukturieren und nobilitieren den vokalen Klang, entfalten dabei eine überaus reiche Palette an Farben. Dabei liefern zum Beispiel die Zinken von Friederike Otto, Anna Schall und Thomas Friedlaender oder die Posaunen in der famosen Besetzung mit Cas Gevers, Sebastian Krause, Ercole Nisini und Kentaro Wada unzählige schöne Impulse. Auch der Basso continuo ist in seinem agilen, strukturklaren Spiel bemerkenswert.
Hans-Christoph Rademann lässt all das insgesamt in frisch fließenden Tempi musizieren, die dynamische Entfaltung ist im Wandel der Besetzung reich an Nuancen, lässt viel Feines hören, kennt aber natürlich auch eine erhebliche, immer geschmackvoll kontrollierte Kraftentfaltung. Die Aufnahmen entstanden in der Stadtkirche in Radeberg. Das höchst vitale Geschehen wird kongenial abgebildet – in der Staffelung, in der harmonischen Balance, in der klar bemessenen Raumwirkung, die auch in Fernkonstellationen höchst präzis bleibt. Und das Booklet bietet wie stets interessante und originelle Anmerkungen von Oliver Geisler
Diese höchst gelungene Deutung der 'Psalmen Davids' unterstreicht die positive Entwicklung des Projekts der Gesamtaufnahme der Schützschen Werke: Rademann hat neben seinem Dresdner Kammerchor potente Solisten und eine erlesene Instrumentalbesetzung versammelt, die die Psalmen Davids überaus lebendig singen und spielen. Damit steht die Interpretation in der ersten Reihe der Gesamteinspielungen dieser im Schaffen Heinrich Schütz‘ zentralen Sammlung.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Heinrich Schütz: Psalmen Davids: Gesamteinspielung, Vol. 8 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Carus 2 04.10.2013 141:04 2012 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
SACD
4009350832558 8325500 |
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"In der Schütz-Gesamteinspielung erscheint mit den Psalmen Davids einer der Höhepunkte sowohl im Schaffen des Komponisten als auch innerhalb der Edition: Klangprächtige, oft mehrchörige Musik, eingefangen in atemberaubenden Surround-Sound und eine luxuriöse Besetzung sind nur einige wenige Punkte, die die Aufnahme zu einem wahren Schütz-Fest werden lassen. Der Dresdner Kammerchor und das Dresdner Barockorchester unter Hans-Christoph Rademann werden durch namhafte Solisten unterstützt, bei denen besonders Dorothee Mields und Stephan MacLeod zu den internationalen Spitzenkräften im Bereich der historisch informierten Aufführungspraxis zählen. Eine weitere interessante Besonderheit: Der groß besetzte Psalm Danket dem Herren, denn er ist freundlich SWV 45 wurde hier erstmals mit einem von dem Trompeter Edward H. Tarr rekonstruierten fünfstimmigen Bläserchor und Pauke eingespielt." |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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