
Suppé, Franz von - Extremum Judicium
Zwischen Stühlen
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
CPO macht mit einer Requiem-Vertonung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt: Franz von Suppés 'Extremum Judicium'. Das Ergebnis ist ansprechend.
Dass wir heute die Komponisten der Vergangenheit meist kurzsichtig anhand der bekannter gebliebenen Werke abschätzen, ist eine der Ungerechtigkeiten der Musikgeschichte, die sich durch eine geradezu sträfliche Einengung des Repertoires rächt. Fragt man nach bekannten Requiem-Kompositionen des 19. Jahrhunderts, fallen einem zunächst Berlioz, Brahms, Dvorák, Verdi und Fauré ein. Dass auch der ‚Operettenkomponist‘ Franz von Suppé vor seiner Haupttätigkeit im Bereich der leichten Muse auch eine umfänglichere Requiem-Komposition schuf, der er schlussendlich den Titel 'Extremum Judicium' gab, gehört sicherlich nicht zum Allgemeinwissen. Das Werk, dessen Libretto (eine Mischung von traditioneller Missa pro defunctis und passenden Ergänzungen) ursprünglich auf Deutsch entstand, dann aber ins Lateinische übersetzt wurde, erlebte am 22. November 1855 seine Uraufführung in der Wiener Piaristenkirche; Suppé widmete es dem Gedächtnis Franz Pokornys, der von 1845 bis zu seinem Tod 1850 Direktor des Theaters an der Wien gewesen war.
Vom ersten Takt an haben wir es aber mit einer Komposition zu tun, die zwar dramatische Wirkung hat, die aber unzweifelhaft für die Kirche entstand. Schon die Eröffnung mit großem Orgelsolo (der Name des Organisten bleibt ungenannt) evoziert eine entsprechend weihevolle Stimmung. Im Grunde ist Suppé hier musikalisch immer wieder gar nicht so fern vom späten Robert Schumann; daneben aber kehrt er aber auch immer wieder zur Klangsprache früherer Generationen zurück. Chor- und Sologesangspartien sind in den traditionellen Messsätzen dem Gesamteindruck untergeordnet, die auch ansonsten eher ‚all’antico‘ gesetzt sind, etwa mit einer Fuge im Kyrie und auf 'Quam olim Abrahae' und einem Marsch auf 'Rex tremendae majestatis'.
Zusätzliche Bedeutungsebenen bieten die freien Ergänzungen, die ausschließlich den vier Solopartien zugeordnet sind. Margareta Klobučar hat einen heute und gerade von tschechischen und slowakischen Sopranistinnen häufig anzutreffenden bronzenen Ton aufzubieten, von großer Wärme mit einem aparten leicht gaumigen Einschlag, unstet flackernd bei gehaltenen Tönen, doch insgesamt zuverlässig und gut passend zu der Stimme der Altistin Dshamilja Kaiser. Kaisers großtönende warme Stimme wird in der Höhe ein wenig enger (was aber nur zu anderer Klangfarbe führt, nicht zu Beeinträchtigungen ihrer Gesamtleistung), fließt dafür in der Tiefe dafür umso runder. Der Tenor Taylan Reinhard hat seine besten Momente im Piano, sobald er ins Mezzoforte oder darüber hinaus gehen muss, wird eine fast stets hörbare ‚Gaumigkeit‘ der Stimme offenbar, besonders in den höheren Lagen. Auch ihm fällt die Führung einer klaren Linie hörbar schwer, die sich nicht immer dramatisch umdeuten lässt. Der Bassbariton Wilfried Zelinka scheint sich in seinem Part da deutlich wohler zu fühlen, trotz einiger Schwächen in den extremen Höhen. Zelinka vermittelt Wärme und Mitgefühl und trifft hierzu das von ihm Geforderte nahezu optimal. Herrlich Zelinkas Piani ebenso wie seine Steigerungen – er und Kaiser bieten ohne Frage die besten vokalen Einzelleistungen. Zwei weitere männliche Vokalsolisten (im 'Ricordare'), die kaum Gelegenheit, sich sonderlich zu profilieren, werden im Booklet namentlich nicht genannt.
Adriano Martinolli D‘Arcys Bemühungen, die sorgsame Einstudierung von Chor und Extrachor der Grazer Oper (Chordirektor Bernhard Schneider) sowie dem Grazer Philharmonischen Orchester ist eine wahre Freude. Allerdings fallen Martinolli D‘Arcy besonders die Sätze ‚all’antico‘ besonders schwer, geraten die entsprechenden Abschnitte (vielleicht auch durch ihre kompositorische Anlage) eher zur Pflichtübung denn zum musikalischen Höhepunkt. Insgesamt aber eine mehr als solide Gesamtleistung, die allerdings anderen Interpreten noch Luft nach oben lässt. Die Aufnahmequalität ist erfreulich klar und durchhörbar, der bei cpo übliche hohe Standard eben.
Leider bleiben die Informationen in dem (zu kurz geratenen) Booklettext einigermaßen oberflächlich, der Zahlendreher bei Suppés Lebensdaten auf Seite 3 ist in diesem Zusammenhang vergleichsweise irrelevant, ebenso wie ein paar weitere editorische Unsauberkeiten im weiteren Booklet. Gerade bei einem derart spannenden und wertvollen Werk wären umfassendere Auskünfte gerade zum Werk durchaus wünschenswert gewesen. Immerhin wird das komplette Libretto dreisprachig angeboten (die englische Übersetzung ist nicht gezeichnet).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Suppé, Franz von: Extremum Judicium |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 2 25.06.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
761203784226 |
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Suppé, Franz von |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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