
Wagner, Richard - Tristan und Isolde
Abschiedsgesang
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Aus einer Zeit, da man die Oper noch ernst nahm und Rollen mit großartigen Sängerinnen und Sängern besetzen konnte: Götz Friedrichs 'Tristan' in einem japanischen Mitschnitt.
Während offenbar die Originalproduktion der Deutschen Oper Berlin nicht mitgeschnitten wurde, hat der Japanische Rundfunk Götz Friedrichs Berliner 'Tristan' am 24. und 29. September 1993 fürs Fernsehen produziert. Wir haben hier eine Produktion, die 1980 ihre Premiere hatte und die leider für die Japantournee der Deutschen Oper nicht sorgsam wieder aufgearbeitet wurde (die Produktion fand sich auch 2007 noch im Repertoire der Deutschen Oper). Denn dies ist es, was zuerst auffällt: In den halbabstrakten Dekors Günther Schneider-Siemssens (Karajans Lieblingsausstatter) agieren die (durch Inge Justin teilweise recht merkwürdig ‚historisch‘ gewandeten) Darsteller recht unbeholfen, teilweise geradezu peinlich; nicht selten ist die Personenregie gar überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Im zweiten Akt überagiert Hanna Schwarz hoffnungslos, René Kollo muss sich aus Gründen der Stimmstütze teilweise extrem von seiner Rolle lösen (oder fehlen die in Berlin vorhandenen zusätzlichen Monitore des Dirigenten?) und Gwyneth Jones steht allzu häufig geradezu ratlos da und versucht Intensität durch nicht recht gezielte Blicke zu erzielen. Dies ist leider allzu häufig das Problem von schon älteren Inszenierungen, die nicht mit dem genügenden Feingefühl wiederaufpoliert werden. Einzig immer noch besten Effekt macht das Lichtdesign Olaf-Siegfried Stolzfuss‘. Sicher ist dies nicht Friedrich anzulasten (den Winifred Wagner 1979 als ‚Regisseur-Verbrecher‘ bezeichnete) Dennoch – die Bildregie Shuji Fujis kann die Versäumnisse der Inszenierung nicht auffangen, somit bleibt das visuelle Erlebnis der DVD, die außer der Untertitelung wie leider üblich ohne jede Extras daherkommt, bescheiden. Auch das Booklet ist unterirdisch – von Information zu der Inszenierung und der Tournee kann man nur träumen.
In welch anderer Liga da die musikalische Wiedergabe abläuft, ist hingegen beeindruckend. Jírí Kout leitet Orchester und Chor souverän, gerade der orchestrale Part wird weit mehr als nur beachtlich bewältigt. Von Gwyneth Jones lag bislang keine Isolde auf DVD vor (ihrer Mitwirkung als Malwina Schnorr von Carolsfeld in Tony Palmers legendärem ‚Wagner‘-Film von 1982/3 ausgenommen) – dabei hätte sie 1981-3 sicher eine passendere Partnerin geboten als Johanna Meier, von der man vor und nach der Bayreuther Produktion nie gehört hat. Jones ist noch beeindruckend bei Stimme, von herrlicher Expression in der Stimme (leider nicht in der Bühnenpräsenz), auch wenn die Textverständlichkeit jenseits des Mezzoforte als problematisch bezeichnet werden darf und gelegentlich auch die Phrasierungs- und Tonsicherheit leidet. Kann Jones jedoch Pianophrasen spinnen, so gelingen ihr Momente erlesener Schönheit.
Auch für René Kollo kam die vorliegende Produktion vielleicht schon etwas zu spät – doch ist die Klugheit bewundernswert, mit der er die drei ‚Killerakte‘ unbeschadet übersteht, mit der genügenden Portion Stamina auch für den dritten Akt (beeindruckend seine Schlussszene, in der er sich auch physisch nicht mehr schont), ebenso die Frische der Stimme nach einer Karriere (auch als Wagnersänger) von fast dreißig Jahren. Dass die Textsicherheit im vieltextigen zweiten Akt gelegentlich zu wünschen übrig lässt (nirgendwo jedoch die Textverständlichkeit), beeinträchtigt den Gesamteindruck nur wenig.
Robert Lloyd verleiht dem König Marke überzeugende Autorität – er ist noch gut bei Stimme, auch textlich insgesamt gut verständlich, nur der ‚kleine Knödel‘ in seiner Stimme (der eine Vokalverwandtschaft zu Norman Bailey evoziert) beeinträchtigt seinen Part geringfügig.
Hanna Schwarz liegt die Brangäne bestens in der Kehle – gerade auch durch die gewisse Portion Metall in der Stimme kontrastiert sie auf das Schönste mit Jones. Gerd Feldhoff, erster Bariton der Deutschen Oper Berlin (der auch schon in der Premiere der Inszenierung mitwirkte), diskografisch sträflich unterrepräsentiert, bietet einen in jeder Hinsicht überzeugenden Kurwenal. Auch zwei andere Ensemblemitglieder der Deutschen Oper bieten herausragende Leistungen. Der junge Seemann Clemens Bieber hat mittlerweile eine beeindruckende Karriere gemacht, auch hier kündigt sich bereits eine zukünftige Größe an. Auch Uwe Peper kann inzwischen große Erfolge verbuchen; sein Hirte ist hier von beeindruckender Präsenz. Der alternde Ivan Sardi ist eine Luxusbesetzung als Steuermann, Peter Edelmann dahingegen als Melot gewinnt insgesamt nur wenig Profil.
Insgesamt eine musikalische ‚Abschiedsvorstellung‘ – Interpreten von dem Format der hier vorliegenden Aufführung sind heute gerade in derart geballter Präsenz extrem rar. Mit Blick auf das hier zu erlebende Ende solch goldener Zeiten kann man nicht anders als heute von einer Krise des Operngesangs sprechen. Dass leider die Produktion selbst nur mehr der Schatten ihrer selbst ist, kann vielleicht gar den Begriff ‚Opernkrise‘ auf den Plan rufen. Wer die Zeit vor 1990 erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. So wird Isoldes Schlussgesang für mich auch der Abschiedsgesang auf eine heute weitgehend untergegangene Zeit, da Oper noch als Oper ernst genommen wurde.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Wagner, Richard: Tristan und Isolde |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 2 22.07.2013 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280231793 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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