
Werke für Violine und Klavier - Janacek, Smetana & Prokofiev
Von der Intensität der Schlichtheit
Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Josef Spacek ist Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie und ein begnadeter Solist. Sein Klavierpartner Miroslav Sekera ist eine Doppelbegabung. Ihre Interpretationen lassen vergessen, dass da zwei am Werke sind.
Josef Spacek gilt trotz seiner Jugend bereits als Aristokrat unter den Geigenvirtuosen, geprägt von der slawischen Tradition und amerikanischen Lehrweisen, die ihm auf seinem Weg zu brillanter Technik und tief durchgereifter Musikalität einen Dauerbegleiter zur Seite stellten: Herausforderung. Mit kompromissloser Selbstkritik nimmt er ein Werk auseinander, um es neu zusammenzusetzen, wobei er mit schier grenzenloser Akribie prüft, welcher Finger mit welchem Bogenstrich und Druck und welcher Vibratofrequenz im Detail einzusetzen sind, um das zu erzielen, was letztlich sein Spiel charakteristisch macht. Mit bedingungsloser Hingabe unter dem Augenmerk auf größtmögliche Kontrolle und höchstmögliche Planbarkeit mag man es annähernd beschreiben.
Überzeugendes Beispiel dafür ist seine Einspielung mit Violinsonaten von Janacek, Smetana und Prokofjew. Sie entstand am Ende eines Wettbewerbsmarathons, bei denen es Spacek immer in den Kreis der ersten Drei schaffte und er oft genug als Finalsieger herausging. Es ist nicht nur seine brillante Technik, die überzeugt. Gezielt kehrt er die Absicht des Komponisten nach außen. Prokofjew beispielsweise komponierte seine Solo-Sonate op. 115 in Anlehnung an die Bach-Solosonaten, allerdings nicht für den Einzelspieler, sondern für eine unisono spielende Geigergruppe. Das schuldete er der Musikschultradition zur Entstehungszeit 1947 in der Sowjetunion. Spacek löst die Solosonate aus dieser Umklammerung und belegt, dass das Werk trotz seiner mindernden Einschränkungen im Vergleich zum großen Bachsolo durchaus vergleichbaren Wert besitzt. Mit äußerstem Liebreiz intoniert er die Melodie im zweiten Satz, verhaltene Vehemenz dominiert den dritten Satz. Mitreißend schwungvoll spielt Spacek die tänzerischen Passagen aus und veredelt das reine Melos des späten Prokofjew.
Dass dessen Sonate op. 80 ein Jahr zuvor komponiert wurde, glaubt man kaum. Anstelle der Klarheit stehen klangmalerische Effekte, rasante Pianissimo-Läufe, furiose Pizzicati, gedämpfte Klagegesänge und scharf dissonierende frostige Schroffheiten. Miroslav Sekera am Flügel versteht es, bezüglich der Dynamik und der Tempi so minutiös zu differenzieren wie Spacek. Auch bei den weiteren Violinsonaten besticht der Pianist nicht nur durch klares wie expressives Spiel und ausgefeilte Anschlagtechnik, sondern auch durch seine unmittelbare Beziehung zur Violine. Kaum einer wird sich daran erinnern. Aber weil er beide Instrumente in früher Kindheit beherrschte, erhielt er die Rolle des jungen Mozart in Milos Formanns ‚Amadeus‘.
Als Opernkomponist ist Leos Janacek bestens vertraut. Violinsonaten komponierte er eigentlich drei, wovon nur eine aus dem Jahr 1914 erhalten ist. Der Einmarsch russischer Truppen in Mähren zu Beginn des Krieges veranlasste Janacek zu einem Jubelepos. Konsequent hielt er das nicht durch. Spacek und Sekera verstärken diesen Eindruck noch. Ausgebremst, eingetrübt, verhalten, nachdenklich erzählen sie ihre Version vom Standpunkt der Rückschau auf die Ereignisse.
Reine Poesie entfalten die beiden Künstler bei ihrer Hommage an ihre Heimat mit Bedrich Smetanas 'Aus der Heimat', nicht von ungefähr als Kammermusikbeitrag der Symphonie 'Mein Vaterland' an die Seite gestellt. Vor allem im zweiten Satz, der rhapsodisch mit einem kleinen Solo von Violine und Klavier beginnt,besticht die Intensität des Ausdrucks der an sich überaus schlichten Melodie, die so eingängig ist wie der Zauber, den beide Künstler verströmen.
Im Booklet nimmt der Autor einen kurzen Bezug auf die Werke und viel breiten Raum, um neben Miroslav Sekera vor allem Josef Spacek vorzustellen. Doppelungen wären vermeidbar gewesen und sind überflüssig.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Werke für Violine und Klavier: Janacek, Smetana & Prokofiev |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Supraphon 1 15.05.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
099925412920 |
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Supraphon Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt. Mehr Info... |
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