
British music for oboe and strings - Werke von Joubert, Britten, Leighton u. a.
Idiomatisch
Label/Verlag: Guild
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Einspielung bietet Referenzaufnahmen abseitigen Repertoires in optimaler Aufnahmetechnik, mit einem generösen, informativen Booklet - mehr kann man nicht wünschen.
Während für die Klarinette unter den Blasinstrumenten im Laufe der Zeit ein durchaus beachtliches Repertoire als Soloinstrument geschaffen wurde (nicht zuletzt durch die Grundsteinlegung durch bedeutende Interpreten im 19. und 20. Jahrhundert), blieb das Solorepertoire für Oboe, Flöte oder Fagott stets deutlich überschaubarer. Dabei hat spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts Leon Goossens bedeutende Impulse gegeben, die gerade im englischsprachigen Raum bis heute Früchte tragen.
Drei Solokonzerte und zwei Kammermusikwerke versammelt die vorliegende CD, von denen nur eines relative Bekanntheit erlangt hat: Benjamin Brittens 'Phantasy' op. 2 für Oboe, Violine, Viola und Violoncello. Das in der Tat für Goossens 1931 entstandene Werk ist ganz dem Stil von Brittens Frühstil verbunden, wie wir ihn auch etwa aus der 'Simple Symphony' op. 4 kennen; das Konzept der 'Phantasy' greift gleichzeitig eine damals ausgesprochen beliebte Gestaltungsform auf, die wir auch etwa bei Herbert Howells oder Frank Bridge finden, letzterer bekanntlich Brittens Kompositionslehrer. Doch weitaus moderner klingt Brittens Komposition als jene Werke vieler seiner Zeitgenossen – nicht ohne Grund wurde es für das Programm der 1934 in Florenz stattfindende Festival der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik ausgewählt. Nahezu nahtlos an Britten scheint Cecilia McDowall anzuknüpfen, deren 'Y Deryn Pur' (Die sanfte Taube) allerdings vom rein kompositorischen Gehalt deutlich hinter Brittens Komposition zurücksteht; dass die Komposition für das Presteigne Festival 2007 entstand, ist kaum vorstellbar.
Einen fast ähnlich weiten Zeitraum umspannen die drei Konzertkompositionen, auch wenn das früheste der drei Werke seine Uraufführung erst fast fünfzig Jahre nach seiner Entstehung erlebte. Kenneth Leighton (1929-1988) ist ein in Großbritannien einigermaßen beliebter Komponist, und dass sein 1953 entstandenes Konzert für Oboe und Streicher op. 23 erst 2001 seine Uraufführung erlebte, ist wohl eher dem Umstand zuzuschreiben, dass es lange Zeit als Studienwerk galt (so wie Brittens 'Phantasy' als Studienwerk gelten muss). In seiner Essenz ist das dreisätzige Werk allerdings durchaus nicht untypisch für Leightons Stil, aber auch nicht voller extremster Individualität; in gewisser Weise wird der Stil Gerald Finzis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts übertragen, so dass das Ergebnis in der Essenz vor allem ein lyrisches Produkt ist, mit herrlichen weitgespannten Linien und einer weich fließenden, unaufdringlichen stark erweiterten Tonalität. Selbst das tänzerische Finale trägt etwas von dem Geist Finzis in sich, wenn auch Anklänge etwa an Brittens 'Illuminations' oder andere englische Kompositionen nicht ganz von der Hand zu weisen sind.
2006 vollendete der in Südafrika geborene, aber schon lange in England lebende John Joubert sein Konzert für Oboe und Streicher op. 160. Jouberts Stil hat immer wieder etwas, das ich (möglicherweise unangemessen) mit dem Begriff der ‚Cheltenham Symphony‘ verbinde, einen symphonischen Stil, der sich nahe an der freien Tonalität, aber nie in Tendenz des Modernistischen gerät. Das heißt, wir haben hier einen Komponisten, der die Tradition des tonalen Komponierens nie aus dem Blick verliert, selbst wenn sich in seinen Werken (und so auch in seinem in manchen Momenten ausgesprochen schrillen Oboenkonzert) Momente des Extremen finden mögen.
Ganz anders ist John McCabe einzuschätzen, ein Komponist, der sich nie leicht einer Schule oder einer Traditionslinie unterordnen ließ. Sein Konzert für Oboe und Orchester (neben den Streichern benötigt er Harfe und Pauken) wurde 1995 durch die Finalisten der Isle of Wight International Oboe Competition uraufgeführt und besitzt so diverse Qualitäten eines echten ‚Test Piece‘, doch wie so häufig in England ohne jedwede Konzessionen an die Qualität der Komposition. Mit vielen seiner Kompositionen erfindet sich McCabe quasi neu, hat so im Lauf der Jahrzehnte einen ganz eigenen ‚McCabe-Kosmos‘ erschaffen; dass der Impuls für sein eigenes Oboenkonzert das Hören des Vaughan Williams-Konzertes auf einem Londoner Promenadenkonzert war, zeigt gleichwohl, dass sich auch McCabe in einer unmittelbaren Traditionslinie sieht, jedoch eben in seinem ganz eigenen, eindeutig dem musikalischen Heute verbundenen Stil.
Virginia (oder Jinny) Shaw gehört heute zu den wichtigsten britischen Oboisten; sie spielte die Uraufführung des Joubert-Konzerts und der Komposition von McDowall. Dass sie sich in dem Repertoire nicht nur besten auskennt, sondern den hohen Anforderungen auch in vollem Umfang gewachsen ist, ist nur ein Teil der positiven Qualitäten der vorliegenden CD. In den beiden Kammermusikwerken schaffen Shaw, die Geigerin Sara Trickey, die Bratschistin Sarah-Jane Bradley (beide wirkten ebenfalls in der McDowall-Uraufführung mit) und der Cellist Bozidar Vukotic intensive, vollkommen gleichberechtigte, im wahrsten Sinne kammermusikalische Interpretationen, die durch die bestens disponierte Aufnahmetechnik (Michael Ponder) noch unterstützt werden. Auch das Orchestra Nova unter der Leitung seines Gründungsdirektors George Vass liefert einen voll gleichwertigen Beitrag – gerade bei Streicherkörpern ist es wichtig, dass der Klang nicht immer nur warm und weich klingt, sondern auch Ecken und Kanten hat. So haben wir hier Referenzaufnahmen abseitigen Repertoires in optimaler Aufnahmetechnik, mit einem generösen, informativen Booklet – mehr kann man nicht wünschen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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British music for oboe and strings: Werke von Joubert, Britten, Leighton u. a. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Guild 1 01.04.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
795754738322 |
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Guild Guild entstand in den frühen Achtzigerjahren auf Initiative des berühmten englischen Chorleiters Barry Rose, der den St Paul's Cathedral Choir in London leitete. Der Name hat nichts mit der nahe gelegenen Londoner Guild Hall zu tun, sondern kommt von Barry Roses erstem Chor, dem Guildford Cathedral Choir. Das frühere Logo (ein grosses G) entstand indem Barry Rose kurzerhand eine Teetasse umstülpte und mit einem Bleistift ihrem Rand bis zum Henkel entlang fuhr. Seit 2002 hat die Firma als Guild GmbH ihren Sitz in der Schweiz, in Ramsen bei Stein am Rhein. Mehr Info... |
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