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Montag, 2. Oktober 2023

Saariaho, Kaija - La passion de Simone

Zum Leuchten gebracht


Label/Verlag: Ondine
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die finnische Komponistin macht eine Frauenfigur zur Zentralgestalt ihrer Passions-Vertonung. Von berufenen Interpreten umgesetzt, erstrahlt Saariahos sensualistische Musik in ihrer ganzen Farbentiefe.

Nachdem nahezu alle möglichen sakralen Passionen in den vergangenen Jahrhunderten musikalisch vertont worden sind, suchen eher traditionell ausgerichtete Komponisten der Gegenwart heute Themen der Neuzeit, um dramatische Zuspitzung und mystische Überhöhung auch in der Jetztzeit musikalisch umsetzen zu können. In fünfzehn Stationen hat Kaija Saariaho 2006 ihre 'Passion de Simone [Weil] ' gegliedert, eine oratorische Komposition für Sopran, Chor, Orchester und elektronische Klänge.

Simone Weil gilt als herausragende Persönlichkeit des Widerstandskampfes während der Zeit von etwa 1933 bis zu ihrem Tod 1943 – nicht primär weil sie als Jüdin verfolgt worden wäre, nicht weil sie im Spanischen Bürgerkrieg gegen General Franco kämpfte, sondern weil sie sich schon 1935 durch die bewusste Entscheidung für Arbeit am Fließband intensiv mit der Entmenschlichung der Welt auseinandersetzte; nachdem sie 1942 mit ihren Eltern nach New York geflüchtet war, kehrte sie im Folgejahr nach Europa zurück und schloss sich der französischen Résistance in England an. Nachdem sie die Diagnose Tuberkulose erhalten hatte, lehnte sie aber jede Behandlung ab und trat stattdessen in eine Art Hungerstreik, weil sie der Überzeugung war, dass im besetzten Frankreich die gesamte Bevölkerung unter Unterernährung litt.

'La Passion de Simone' ist, wie von Saariaho nicht anders zu erwarten, eine musikalisch eher eklektische Komposition, voller sensualistischer Klangreize und reicher, warmer Klangfarben, insgesamt in einem vor allem lyrischen Grundton. In ihrem bevorzugten Französisch angelegt, verschränkt das Werk mehrere Ebenen: realistische Momente mit visionären Aspekten, Chorkommentare mit erzählenden Passagen, die der Sprecherin auf dem Tonband anvertraut sind.

Die vorliegende Aufnahme entstand anlässlich einer Aufführung im Oktober 2012 in Helsinki zu Saariahos 60. Geburtstag. Als Überraschung war die (in szenischer Form in einer Inszenierung von Peter Sellars uraufgeführte) Komposition halbfilmisch überhöht worden (visuelle Gestaltung Jean-Baptiste Barrière). Esa-Pekka Salonen ist der Komposition ein engagierter Anwalt, zusammen mit dem Finnischen Rundfunksinfonieorchester und dem Tapiola Kammerchor. Dawn Upshaw, Spezialistin für das Ungewohnte und Ungewöhnliche, für die der Part geschaffen worden war, hat auch hier den anspruchsvollen Solopart übernommen. Ihre Stimme klingt nicht mehr so frisch wie vor fünfzehn Jahren (gelegentlich beschleicht sie ein nicht ganz kontrolliertes Vibrato, das aber insgesamt zumeist in passender Weise ausdrucksstark eingesetzt wird, und in der Tiefe ist sie nicht ganz frei), doch entspricht ihre Wärme und ihr unmittelbarer Ausdruck immer noch dem Ideal von Saariahos Komposition.

Der Tapiola Kammerchor (Chordirektor Hannu Norjanen) bietet Unmittelbarkeit und klangliche Perfektion, ebenso das Orchester, das von Salonens reicher Erfahrung mit zeitgenössischer Musik bestens profitiert. Die einzelnen Klanggruppen sind bestens aufeinander abgestimmt, jedes Solo sitzt, jedes Tutti ist musikalisch auf den Punkt. Die Sprecherin Dominique Blanc, dem Booklet nur eine Randbemerkung wert, ergänzt, nicht selten im fast unverständlichen Flüsterton, die zentralen Aussagen der Komposition. Der SACD-Klang ermöglicht eine ungeheure Durchhörbarkeit, die die Komplexität von Saariahos Klangsprache auf das Herrlichste zum Leuchten bringt. Das Booklet bietet Einführungen in englischer, französischer und finnischer Sprache sowie das Libretto auf Französisch und Englisch.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Saariaho, Kaija: La passion de Simone

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Ondine
1
25.03.2013
Medium:
EAN:

SACD
761195121757


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Ondine

The roots of Ondine date back to 1985 when founder Reijo Kiilunen released the very first Ondine album under the auspices of the renowned Finnish Kuhmo Chamber Music Festival. The label's initial mission was to produce one live album at the Festival each season. The fourth album, however, featured Einojuhani Rautavaara's opera Thomas (ODE 704-2), raising major international attention and opening the ground for overseas distribution. Kiilunen, who was running the Festival's concert agency and had begun the recording activity part-time, soon decided to devote himself fully to the development of this new business, producing and editing the first 50 releases himself. Since 2009 the company has been a part of the Naxos Group.

Today Ondine's extensive catalogue includes nearly 600 recordings of artists and ensembles such as conductor and pianist Christoph Eschenbach, conductors Vladimir Ashkenazy, Vasily Petrenko, Mikhail Pletnev, Esa-Pekka Salonen, Hannu Lintu, Jukka-Pekka Saraste, Sakari Oramo, Leif Segerstam and John Storgårds, orchestras such as The Philadelphia Orchestra, Orchestre de Paris, London Sinfonietta, Bavarian Radio Symphony Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic, Russian National Orchestra, Czech Philharmonic, Finnish Radio Symphony Orchestra, Helsinki Philharmonic and Tampere Philharmonic, sopranos Soile Isokoski and Karita Mattila, baritone Dmitri Hvorostovsky and Gerald Finley, violinist Christian Tetzlaff, violist David Aaron Carpenter, cellist Truls Mørk and pianist Olli Mustonen.

The label has also had a long and fruitful association with Finnish composers Einojuhani Rautavaara, Magnus Lindberg and Kaija Saariaho, having recorded the premieres of many of their works and garnering many awards along the way.


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