> > > Stanford, Sir Charles Villiers: Werke für Violine & Klavier
Montag, 25. September 2023

Stanford, Sir Charles Villiers - Werke für Violine & Klavier

Im Land ohne Musik


Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Paul Barritt (Violine) und Catherine Edwards (Klavier) machen deutlich, dass die Kammermusik von Charles Villiers Standford großartige Werke beinhaltet.

Auch in Großbritannien hält sich hartnäckig der allgemeine Irrglaube, zwischen Purcell und Elgar (manche sagen sogar Britten) habe es keine nennenswerte Musik auf der Insel gegeben. Bedingt ist diese Vorstellung durch die bislang noch nicht stattgehabte umfassende Erkundung der Kammermusik vor allem des 19. Jahrhunderts. Dass hier nicht nur in Großbritannien, sondern in vielen europäischen Ländern noch beachtliches Potenzial vergessen in Bibliotheken und Archiven auf die Entdeckung wartet, wissen nur wenige.

Spätestens seit der Wiederentdeckung von Charles Villiers Stanfords zweitem Klavierquartett op. 133 ist klar, dass Stanford dieser Tradition Beachtliches hinzugefügt hat. Auch die beiden Violinsonaten, die in der vorliegenden Einspielung erstmals 1999 erschienen, tragen zu Stanfords Ruf als ausgezeichnetem Kammermusikkomponist bei. Um 1877 und 1898 entstanden, folgen sie keineswegs streng sklavisch den Konventionen, sondern überraschen immer wieder durch formale und musikalische Eigenheiten. Die frühere Sonate (D-Dur, op. 11) des Fünfundzwanzigjährigen klingt noch nachgerade prä-brahmsisch, melodisch reich, mit einem besonders interessanten Mittelsatz, der als Variationssatz unter anderem schlichtes, liedhaftes Intermezzo und Scherzo verbindet (Stanford sollte die Satzstruktur für andere, teilweise deutlich später komponierte Sätze im Gedächtnis behalten). Ein lebhaftes 'Allegretto' rundet das in seiner Leichtigkeit beeindruckende Werk.

Gänzlich von anderer Art, weitaus ernster im Geist ist die viersätzige zweite Sonate (A-Dur, op. 70). Stanford ist ganz auf der Höhe seiner Zeit, seine Verehrung für Brahms ist nunmehr deutlich hörbar. Leicht jedoch ließe sich diese Sonate mit einer der frühen Sonaten Regers oder der (ebenfalls viersätzigen) ersten Franck-Sonate im Konzert koppeln, ohne dass Stanford schlecht abschneiden würde. Das 'Adagio molto' hat eine Tiefe, die an Schumann und Brahms gemahnt, auch an Regers spätere 'Adagio con gran espressione'. Das akzentreiche, wunderbar kontrapunktische Scherzo wartet mit zahlreichen unerwarteten Wendungen auf und kontrastiert bestens mit dem wieder ernsteren, brahmsischeren Finale.

Paul Barritt (Violine) und Catherine Edwards (Klavier) finden für die Musik gerade den rechten Ton zwischen Virtuosität, nachromantischem Sentiment und emotionaler Tiefe. Seit Erscheinen der CD gelten ihre Interpretationen als maßstabbildend – seither hat sich keine weitere Formation auf Tonträger des Werkkorpus‘ erneut angenommen. Dabei wäre dies durchaus wünschenswert. Zwar ist die Aufnahmequalität (Andrew Keener) ausgesprochen brillant, Edwards‘ Spiel ist äußerst durchhörbar und einfühlsam, doch nutzt Barritt – ein Meister des Portamento – an manchen Stellen etwas zu viel Vibrato, so dass die gehaltenen Töne etwas verunklart werden.

Die beiden Sonaten werden komplementiert durch 'Five Characteristic Pieces' op. 93 (1904-5), eine veritable fünfsätzige Suite mit beachtlichen Charakterstücken, ganz als wichtige Scharnierkomposition zwischen Schumann, Brahms und Reger, und 'Caoine – A Lament' op. 54 Nr. 1 (1893), eine von insgesamt sechs 'Irischen Fantasien'. Insbesondere bei diesen sechs Stücken resultiert Barritts Portamentogebrauch gelegentlich in Evokationen an Salonmusik im schlechteren Sinne. Es mag sein, dass Stanfords Musik in dieser Tradition verstanden werden will, doch würde eine andere Art der Interpretation den Stücken vielleicht noch mehr Tiefe verleihen.

Der informative Booklettext ist, wie bei Midpriceprodukten von Hyperion üblich, nur auf Englisch beigegeben, doch werden die meisten Käufer der CD ohnehin dem anglophilen Raum entstammen. Ein größeres Manko sind einzig die Aufnahme- und Veröffentlichungsdaten, die einfach nicht stimmen können: Die CD erschien nachweislich spätestens im November 1999 (nicht 1991), so dass das angegebene Aufnahmedatum 2. bis 4. Oktober 1999 unwahrscheinlich erscheint.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Stanford, Sir Charles Villiers: Werke für Violine & Klavier

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Hyperion
1
01.03.2013
Medium:
EAN:

CD
034571153629


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Hyperion

Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britain’s brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan).

We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world.

The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards.

Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh.


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