> > > Händel, Georg Friedrich: Arien aus Rinaldo, Deborah u.a.
Montag, 2. Oktober 2023

Händel, Georg Friedrich - Arien aus Rinaldo, Deborah u.a.

Affektgeladen


Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Christopher Purves' Bassarien-Zusammenstellung ist ansprechend, wenn auch in manchen Koloraturen noch etwas mehr Wendigkeit wünschenswert wäre.

Antonio Montagnana hieß der Bassist, für den Georg Friedrich Händel seine schönsten Bassarien schuf. David Thomas hat schon vor Jahren dem Italiener ein Denkmal gesetzt, Lorenzo Regazzo hat vor kurzer Zeit abermals die Aufmerksamkeit auf diesen doch eher etwas weniger prominenten Bereich von Händels Opern gelenkt. Der englische Bassbariton Christopher Purves nimmt sich nun mit großer Liebe dieses Repertoires an, ergänzt dies aber um diverse Arien aus anderen Schaffensepochen. Nicht weniger als sechzehn Arien sind auf der CD versammelt – Grund genug, für möglichst viel Vielfalt zu sorgen. Die Verschränkung zwischen englischen und italienischen Arien ist hier aber nicht bloß dem Kontrast geschuldet, sondern stellt nicht selten auch Beziehungen zwischen den Kompositionen her. Am augenfälligsten ist dies naturgemäß in 'I rage, I melt, I burst / O ruddier than the cherry' aus 'Acis and Galatea' und 'Fra l’ombre e gl’orrori' aus 'Aci, Galatea e Polifemo'. Wie unterschiedlich doch die Genres funktionieren, die Werke trotz im Prinzip identischer Handlung wirken! Gerade aber der Wechsel von 'To pow’r immortal' aus 'Belshazzar' zum Rezitativ 'Impari ognun da Orlando' aus 'Orlando' ist fast schockartig und zumindest für meine Ohren unglücklich programmiert.

Purves ist einer der heute so raren Sänger, die ihren Partien auf rein musikalische Weise einen klaren Charakter verleihen. Gleich das eröffnende 'Sibilar gli angui d’Aletto' aus 'Rinaldo' (und 'Aci, Galatea e Polifemo') überzeugt durch kraftvolle Rollengestaltung. Selbst wenn seine Koloraturfähigkeit jener der allerbesten Sänger der vergangenen Jahre nicht nahekommt (am besten ist er vielleicht in 'Nel mondo e nell’abisso' aus 'Riccardo Primo'), überzeugt er durch eine ganz und gar nicht kalt lassende Interpretation. Das Accompagnato aus 'Acis and Galatea' nutzt alle Möglichkeiten der vokalen Affektdarstellung (inklusive einem süßen 'Galatea’s love' und einer wunderbar warmen Tiefe). Diese Tiefe wird geradezu zum Zentrum von Polifemos Arie, nicht ohne Purves‘ baritonale, fast tenorale Register zu fordern. Man mag sich fast nicht vorstellen, was für rein vokaltechnische Fähigkeiten man für eine derartige Arie beherrschen muss (und es überrascht auch nicht, dass die tenoralen Aspekte in Purves‘ Bass am wenigsten überzeugen). Ähnlich herrlich stark charakterisiert ist 'Rack, gibbets, sword and fire' aus 'Theodora' – und musikalisch durchaus überzeugender als manche Konkurrenzaufnahme (etwa Anton Scharinger unter Harnoncourt).

Geradezu neutral muss dagegen 'Mirth, admit me of thy crew' aus 'L’Allegro, il Pensoroso ed il Moderato' oder 'Revenge, Timotheus cries' aus 'Alexander’s Feast' fast wirken. Hier haben wir einen Sänger, der vokal Bryn Terfel gar nicht so fern zu stehen scheint, mithin also eine der derzeit schönsten und charaktervollsten Bassbaritonstimmen Großbritanniens.

Vielleicht ein wenig schwer scheinen Purves gehaltene Töne im Piano zu fallen; hier tendiert er (etwa in 'Tears, such as tender fathers shed' aus 'Deborah', 'Vieni, o cara' aus 'Agrippina', in 'Leave me, loathsome light' in 'Semele' oder dem Mittelteil von 'Volate più dei venti' aus 'Muzio Scevola') zum (zumeist zwar noch kontrollierten, aber doch etwas störenden) Vibrato. Gerade wenn das ihm partnerschaftlich zur Seite stehende historisch informiert musizierende Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen (voller Wärme und, wo erforderlich, Elan) auf Streichervibrato verzichtet, sollte vom Gesangssolisten Gleiches erwartet werden. 2010 gegründet, hat Arcangelo bereits in den wenigen Jahren seiner Entstehung einen relativ weiten Radius von Händel bis Mozart und Grétry ausgelotet und gehört zu jenen Klangkörpern, die Frische, Wärme und zumeist auch nicht übertriebene Betriebsamkeit transportieren. Sie wissen sich der Musik anzupassen und fallen stets nur positiv auf. Solist wie Ensemble sind in bester Klangqualität eingefangen, das Booklet ist wie bei Hyperion fast immer nahezu perfekt (das Porträtfoto Purves‘, im Original sicher farbig, wirkt hier allerdings ausgesprochen betulich).

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Händel, Georg Friedrich: Arien aus Rinaldo, Deborah u.a.

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Hyperion
1
28.11.2012
Medium:
EAN:

CD
034571178424


Cover vergössern

Hyperion

Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britain’s brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan).

We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world.

The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards.

Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Hyperion:

  • Zur Kritik... Komplexe Kunst: Verlässlich bringt das Orlando Consort wie hier mit Machaut ferne Musik ans Ohr der Gegenwart und lässt sie ebenso regelmäßig auf erstaunliche Weise bei aller Komplexität frisch, relevant und dringlich klingen. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... Von der Wüste in die himmlische Stadt: 'Des canyons aux étoiles...', eines der zentralen Orchesterwerke aus der Feder von Olivier Messiaen, in einer spektakulären Interpretation mit dem Symphonieorchester Utah unter Thierry Fischer. Weiter...
    (Dr. Michael Loos, )
  • Zur Kritik... Prokofiev auf höchstem Niveau: Stephen Osborne überzeugt in jeder Hinsicht mit den 'Kriegssonaten' Nr. 6, 7 und 8. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle Kritiken von Hyperion...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (2/2023) herunterladen (5500 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Henri Bertini: Grand Trio op.43 in A major - Rondo. Allegro

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich