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Mittwoch, 27. September 2023

Petrassi, Goffredo - Magnificat & Salmo IX°

Weltgewandt


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Chandos macht mal wieder mit nahezu unbekanntem Repertoire bekannt, diesmal italienischer Provenienz: Werken von Goffredo Petrassi.

Die italienische Oper der vorletzten Jahrhundertwende hat nahezu alle anderen Tendenzen, die sich auf dem Stiefel entwickelten, in tiefen Schatten gedrängt. Die Orchester- und Kammermusik hat darunter ebenso zu leiden wie die Chormusik – vor allem aber nahezu alle kompositorischen Tendenzen, die der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts zusätzliche Würze geben. Dabei gäbe es unendlich viel Wichtiges zu entdecken, würde denn die italienische Tonträgerindustrie sich der Materie annehmen. Doch von hier herrscht nahezu Schweigen, und man muss hoffen, dass sich andere Labels der im eigenen Lande eher ungeliebten Kinder annehmen. Dies geschieht seit Jahrzehnten unter anderem bei dem englischen Label Chandos (früher vornehmlich unter Sir Edward Downes, heute unter Gianandrea Noseda).

Goffredo Petrassi (1904-2003), das muss ich gestehen, war auch in meinem CD-Regal nicht stark vertreten (außer einer bei Stradivarius [einem italienischen Label!] erschienenen Orchester-CD sehe ich nur einzelne Werke). Auf der vorliegenden CD erleben wir Petrassi, den Chorsymphoniker, der immer wieder in einem Idiom komponiert, das man gemeinhin als neoklassisch beschreibt. Das substanzreiche 'Magnificat' (1939-40) für Sopran, Chor und Orchester (dem Komponistenkollegen Alfredo Casella gewidmet) ist ein nahezu kosmopolitisches Kind seiner Zeit, mit Momenten der freien Tonalität ebenso wie mit strengen, fast Strawinskyschen Passagen, mit offenkundigen Hindemith-Anklängen ebenso wie mit emotionalen Ausbrüchen à la Braunfels oder Britten. Diese Einflüsse mischen sich zu einem durchaus eigenen kompositorischen Profil, das in der Essenz lyrischen, frei tonalen Charakters ist (es ist nicht überraschend, dass Petrassi auch mit dodekaphonen und seriellen Techniken experimentieren sollte).

Das zweite Werk auf der CD ist der 1934-6 entstandene IX. Psalm für Chor, Streichorchester, Bläser, Schlagwerk und zwei Klaviere (so die offizielle Werkbetitelung). Das in zwei Teilen konzipierte Werk, das Petrassi seinen Eltern widmete, ist in den Chorpassagen stärker blockhaft gesetzt, hat eine archaischere Wucht als das 'Magnificat', scheint damit aus der Ferne Vorbild für Orffs 'Carmina burana' gewesen zu sein. Doch auch hier sind die lyrischen Aspekte nicht zu unterschätzen. Hier drängt sich der Eindruck auf, Petrassi und Wolfgang Fortner müssten sich gekannt haben. Der kosmopolitische, weltgewandte Aspekt von Petrassis Kompositionsstil erweist ihn auch hier als eine wichtige Stimme des 20. Jahrhunderts, die es ermöglicht, Querverbindungen zu verstehen und das gemeinhin einzigartig Erscheinende zu kontextualisieren. Aus einzelnen Werken wird so ein Mosaik genialischen ‚gemeinsamen Schaffens‘ weit über Landes- und Zeitgrenzen hinaus.

Die Interpretation der beiden anspruchsvollen Werke darf insgesamt als durchaus gelungen bezeichnet werden. Zwar fehlt es dem Chor des Teatro Regio Turin (Einstudierung Claudio Fenoglio) im Forte oder Fortissimo immer wieder an Raffinesse, doch sind diese Mängel zu verschmerzen angesichts der zumeist feinen Ausleuchtung der Mezzoforte- bis Pianissimo-Passagen. Auch das Orchester des Teatro Regio glänzt nicht durch jene klangliche Sensibilität, die erstklassige Orchester auszeichnet, doch hält Gianandrea Noseda, derzeit musikalischer Leiter des Teatro Regio, die Zügel gut in der Hand und leitet zu überaus beeindruckenden, wenn auch im Detail nicht immer optimalen Gesamtleistungen. Sabina Cvilak bietet den ausgesprochen schwierigen Solopart im 'Magnificat' technisch sicher mit durchgehend gut ansprechender und warmer (vielleicht einem Hauch ‚gaumigen‘) Stimme und überstrahlt angemessen die Ereignisse in Chor und Orchester. Das ausführliche Booklet und die insgesamt gut gestaffelte Aufnahmetechnik sind bester Chandos-Standard.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Petrassi, Goffredo: Magnificat & Salmo IX°

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Chandos
1
01.01.2013
Medium:
EAN:

CD
095115175026


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Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


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