
Mozart, Wolfgang Amadeus - Le nozze di Figaro
Ensembletheater
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die 'Figaro'-Aufzeichnung vom Maggio Musicale Fiorentino aus dem Jahr 2003 begeistert vor allem wegen der schlüssigen, detailgenauen Inszenierung von Jonathan Miller. Die musikalische Seite ist solide, aber ohne Glanzlichter.
In Zeiten des sogenannten Regietheaters, in denen die Regie mehr bedeutet als das Werk, das dem Publikum übermittelt werden soll, gibt es heute selten löbliche Ausnahmen, in denen der Regisseur zeigt, was für Potenzial tatsächlich einer Oper inhärent ist. Der Gedanke, ein Werk szenisch zu aktualisieren, ist selbst bereits seit fast hundert Jahren auf den Opernbühnen anzutreffen und somit selbst schon quasi museal, doch das Vertrauen, einer Komposition werkimmanent neue Aspekte abgewinnen zu können, ist offenbar gering – die Fähigkeit dies umzusetzen, noch weit geringer.
2003 zeigte der Maggio Musicale Fiorentino, dass es sich auch heute keineswegs um ein Ding der Unmöglichkeit handelt, eben dies zu erreichen. 'Le nozze di Figaro', mit klaren zeithistorisch zu verortenden Handlungselementen, erfährt durch Jonathan Miller eine szenische und darstellerische Umsetzung, wie ich sie mir heute fast nicht mehr erhofft habe. Ich möchte den besonderen Vorzug der Produktion mit dem Schlagwort Ensembletheater benennen: Alle Beteiligten ordnen sich Mozarts und Da Pontes Meisterwerk unter. Da braucht es keine große Ausstattung (wenn man sich im vierten Akt auch weniger Steinpfeiler und mehr Pinien gewünscht hätte). Wichtig sind die passenden Auf- und Abtrittsmöglichkeiten, wichtig die Umsetzung des Librettos, wichtig die Umsetzung der Musik. Eine derart choreographisch sorgfältig ausgearbeitete Mozart-Produktion habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen, selbst im so schwierig überzeugend zu inszenierenden vierten Akt (Cherubino trällert bei seinem Auftritt nicht, wie üblich, 'Voi che sapete', sondern bezeichnenderweise die Champagnerarie aus 'Don Giovanni'). Allerdings krankt dieser an einer Fehlentscheidung von musikalischer Seite her: Die Arien von Marcellina und Basilio sind gestrichen, wie es dreißig Jahre zuvor üblich war.
Überhaupt die musikalische Seite: Von einem Zubin Mehta erwarte ich keinen historisch informierten Mozart, aber ich erwarte mehr als ein zuverlässiges Orchester. Fakt ist aber, dass keiner der Solisten im absoluten Spitzenvergleich mithalten kann. Giorgio Surian ist ein Figaro ohne Stimme, forciert, unsauber, ohne Koloraturfähigkeit, ohne jeden vokalen Charme, Eteri Gvazava eine Contessa Almaviva mit nicht so ganz dem rechten Idiom, aber einer weichen, höhensicheren Stimme, die aber für Mozart vielleicht schon zu groß ist. Lucio Gallo überzeugt als herrischer Graf, wenn auch seine Stimme immer wieder etwas zu harsch klingt; am besten ist sein Piano. Etwas Saures in der Stimme hat Patrizia Ciofi als Susanna, äußerlich wirkt sie gelegentlich wie eine abgemagerte Alte. Giovanna Donadini und Eduardo Chama neigen in ihren Partien Marcellina und Bartolo zum Chargieren, und Sergio Bertocchi als Basilio hat nicht viel Gelegenheit, seine nicht sonderlich qualitätvolle, immer wieder etwas zu tief intonierende Stimme einzusetzen.
Ein besonderer Lichtblick ist Marina Comparato als Cherubino. Doch auch wenn man keiner der Stimmen Jahrhundertqualitäten zusprechen mag, so ist dies auch gar nicht wichtig – wichtig ist der Ensemblegeist, das Faktum, dass die Summe der Teile deutlich mehr ist als diese einzeln, im Grunde das Ideal von Glyndebourne. Dass aber musikalisch sich immer wieder viel im Mittelmaß abspielt, ist vor allem Zubin Mehta anzulasten, der mit den Sängern nicht so sorgsam gearbeitet hat wie der Regisseur. Maria Paola Langobardo hat sich intensiv in Jonathan Millers Inszenierung eingearbeitet und eine äußerst überzeugende Fernsehumsetzung vorgelegt, mit vielen witzigen und differenziert dargebotenen Details. Wann heute sieht man etwa Susanna tatsächlich überzeugend im zweiten Akt Gitarre spielen? Die Eröffnungsarie dieses Aktes erhält eine zusätzliche Tiefe, beginnt der Akt doch damit, dass die Gräfin ihre beiden kleinen Kinder bei sich hat.
Die Inszenierung ist insgesamt konventionell – doch konventionell im bestvorstellbaren Sinne. Wer braucht Schnickschnack, wenn er echte Qualität haben kann? Leider lernt Arthaus nicht, dass man in DVD-Booklets die wichtigen Informationen zu einer Inszenierung, die auch in ein Opernprogramm gehören, mitteilen muss. Natürlich ist das nicht leicht: Gute Opernprogramme können bis zu 100 Seiten lang sein. Aber ohne entsprechendes Zusatzmaterial kann kein wirklicher Opernliebhaber zufriedengestellt werden. Und wenn man schon die DVDs fast unverändert wiederveröffentlicht, dann aber doch bitte mit einem anständigen Booklet.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mozart, Wolfgang Amadeus: Le nozze di Figaro |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 2 07.01.2013 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280727791 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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