> > > Shelley, Howard: Werke von Pixis & Thalberg
Montag, 2. Oktober 2023

Shelley, Howard - Werke von Pixis & Thalberg

Virtuosenmanie


Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Hyperions Klavierkonzert-Reihe ist mittlerweile bei Folge 58 angelegt, die sich Werken von Johann Peter Pixis und Sigismond Thalberg widmet.

Es ist immer wieder schön zu sehen, wie verdienstvoll bestimmte Reihen vor allem kleinerer CD-Labels sind. Immer wieder werden große Mengen musikalischer Kostbarkeiten der Vergessenheit entrissen; vielfach zeigen sich die CD-Labels da deutlich entdeckerfreudiger als Konzertveranstalter oder Musikwissenschaftler (zumeist, wie auch hier, überdies mit informativen Booklets). Hyperions Reihe ‚The Romantic Piano Concerto‘ hat mittlerweile Folge 58 erreicht, diesmal mit zwei Namen, von denen man den einen vielleicht vom Hörensagen kennt, den anderen gar nicht. Dabei war gerade Johann Peter Pixis (1788–1874) ein ausgesprochen profilierter Komponist. Pixis hatte von 1808 bis 1823 in Wien und von 1824 bis 1840 in Paris gelebt und war dann nach Deutschland zurückgekehrt, um nach seiner großen Virtuosenkarriere dort ein ruhigeres Leben als Klavierpädagoge zu führen. Knapp 150 Kompositionen mit Opuszahl hat Pixis hinterlassen, fast doppelt so viel wie sein berühmter Schüler Sigismond Thalberg (1812–1871).

1829 entstand Pixis‘ Klavierkonzert C-Dur op. 100, musikalisch ein eher rückwärtsgewandtes Werk, das eher an Weber oder Hummel denken lässt als an Sterndale Bennett oder Mendelssohn Bartholdy. Wir haben hier eine ausgesprochen melodienselige Komposition, die sich nicht den Anschein gibt, mehr zu sein als es ist: vor allem ein Vehikel für die Fähigkeiten des Interpreten. Die Instrumentation ist routiniert und lässt dem Solisten viel Platz. Immer wieder verlässt Pixis auch den Rahmen des Konzertanten und verflüchtigt sich im Intimen. Der umfangreiche Kopfsatz macht die Hälfte der Komposition aus, der langsame Satz ist viel zu schnell vorbei, ehe ein brillantes 'Allegretto scherzando' die in bester Routine entstandene Komposition abrundet.

Rund fünf Jahre vor dem ‚großen‘ Konzert entstand das Concertino Es-Dur op. 68, mit der einen oder anderen Schubert’schen Bläserfloskel – überhaupt ist der Wiener Stil durchaus stärker als erwartet zu hören, und die Redefinition eben dieses Wiener Stils hilft uns heute, Schubert, den späten Beethoven und andere Zeitgenossen heute besser einzuordnen. Wiener Stil zeigt sich nicht nur in harmonischen, durchführungstechnischen oder instrumentatorischen Details, sondern auch in der Ausgewogenheit der Proportionen des dreisätzigen Werks. Hier ist auch der langsame Satz deutlich substanzvoller und tiefgründiger, die Virtuosität der Sache gestellt, ehe abermals ein Rondo die reizvolle Komposition überzeugend abschließt.

Des einen Karriereende ist des anderen Beginn – um 1830 entstand Thalbergs Klavierkonzert f-Moll op. 5, eine harmonisch durchaus wagemutigere Komposition, die aber in Sachen Instrumentation teilweise noch optimierungsfähig wäre, wie man das neudeutsch so schön ausdrückt. Die Melodien sind attraktiv, die Materialverarbeitung ist eher schlicht, die Virtuosität umso berückender; den Mythos, Thalberg sei Schüler Czernys oder Hummels gewesen, darf man getrost ad acta legen. Man kann sogleich verstehen, wieso Thalberg Liszts erbitterter Konkurrent war; seine Virtuosität findet in dem Konzert ein genuines Medium, weit mehr etwa als in Chopins Klavierkonzerten. Im kurzen langsamen Satz vergisst man wieder einmal fast, dass man sich in einem Konzertwerk befindet, ehe das substanzvolle Finalrondo (an einer Stelle mit einer nachgerade modernistisch anmutenden Phrase, bei der man sich unweigerlich fragt, ob der Noteneditor hier tatsächlich alles richtig gemacht hat) das Werk kraftvoll abrundet.

Dem Wesen der Werke gemäß ist aufnahmetechnisch das Klavier ins Zentrum der Produktion gerückt, und es ist eine Freude, einen bestens aufgelegten Howard Shelley an einem wunderbar warmen modernen Konzertflügel zu hören (der für das Concertino wohl eine Nummer zu groß ist), aufnahmetechnisch brillant eingefangen, vielleicht etwas zu direkt. Das Tasmanian Symphony Orchestra, mit dem Shelley bei Hyperion schon auf insgesamt zehn CDs zusammengearbeitet hatte, u. a. bei den Klavierkonzerten von Moscheles, zeigt sich bestens auf den Solisten eingestimmt, und wenn der Orchesterpart immer wieder eher etwas uninspiriert klingt, so sind für dies eher die Komponisten verantwortlich. Oder aber auch das Gesamtkonzept – vielleicht hätte all dies ganz anders gewirkt, hätte man die Werke mit historischem Instrumentarium eingespielt. Gerade der Klavierklang und, durch ihn bedingt, der Orchesterklang hätten allen drei Werken eine deutlich stärkere Überzeugungskraft verleihen können, als dies nun geschehen ist.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Shelley, Howard: Werke von Pixis & Thalberg

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Hyperion
1
20.11.2012
Medium:
EAN:

CD
034571179155


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Hyperion

Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britain’s brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan).

We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world.

The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards.

Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh.


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